Hamburg. In Sönke Andresens Komödie stimmen Timing und Gags, nie gleitet das Stück in Klamauk ab. Und: Auch Hochdeutsch wird gesprochen.

Brauchen Pinguine eigentlich besondere Schutzareale, damit sie in Ruhe brüten können? Die Antwort von Hannelore Strackmann-Siebeknecht (Laura Uhlig) ist: Ja! Die ehemalige Hausbesetzerin und heutige Europaparlaments-Abgeordnete hat es sich als Vorsitzende der WPA (World Penguin Association) zur Aufgabe gemacht, für alle Pinguin*innen – Gendersprache muss auch in der Tierwelt gelten – in der Antarktis das Pinguin Island als Naturschutzgebiet auszuweisen.

„Der letzte Pinguin“: Urkomische Umweltschutz-Satire im Ohnsorg-Theater

Damit die Medien in Deutschland und in Brüssel das auch mitbekommen und sie für ihre beispiellose Initiative gebührend feiern, ist sie mit einer illustren Gruppe auf einem Kreuzfahrtschiff in Richtung Südpol unterwegs. Bei einer Pressekonferenz soll eine Messingtafel ins Eis betoniert werden, die den Schutzraum der Pinguine kennzeichnet.

Diese etwas absurde Idee ist der Ausgangspunkt von Sönke Andresens Komödie „Der letzte Pinguin“, die am Ohnsorg-Theater eine begeistert gefeierte Uraufführung erlebt. Es ist bereits das vierte Stück von Andresen, das am Ohnsorg uraufgeführt wird. Andresen packt geschickt verschiedene aktuelle Themen in seine Geschichte: Klima- und Artenschutz kommen genauso vor wie die Kritik an überkandidelten Influencern, an Kreuzfahrten in entlegene unberührte Gebiete der Welt und an Menschen, die das Gute wollen, aber an ihrer eigenen Eitelkeit scheitern.

Die beiden Influencer sprechen im Stück ausschließlich Hochdeutsch

Das Personal in Andresens Komödie gehört drei verschiedenen Generationen an, was den „letzten Pinguin“ auch für jüngere Theaterzuschauerinnen und -zuschauer attraktiv macht. Außerdem gibt es einige Figuren wie die beiden Influencer, die ausschließlich Hochdeutsch sprechen, was die Sprachbarriere ein ganzes Stück herabsetzt. Der überwiegende Teil wird jedoch auf Plattdeutsch gesprochen, übersetzt hat Christian Richard Bauer.

„Der letzte Pinguin“ ist bereits komisch durch die Überzeichnung der neun Figuren, die sich auf dem Kreuzfahrtschiff an den für die WPA reservierten Tischen 8 und 9 im weißen Salon versammelt haben. Im Mittelpunkt steht Hannelore Strackmann-Siebeknecht. Laura Uhlig spielt sie als eine überspannte und eitle Macherin, die glaubt, dass sich alles nur um sie dreht. Manchmal fängt sie an, ihren ganzen Körper zu schütteln, was nach einem unkontrollierten Anfall aussieht, aber ein „emotional delete“ ist, um alle negative Energie loszuwerden. Quasi ihre Gegenspielerin ist die Chef-Stewardess Daau Villaflor (Nina Balthasar), die freundlich, aber bestimmt die übergriffigen Forderungen von Strackmann-Siebeknecht zurückweist. Auch ein alter Studienkollege der Politikerin ist an Bord: Gisbert Wolf (Anton Pleva) ist ein herrlich verpeilter Forscher, der zwei Jahre in einer Pinguin-Kolonie gelebt hat und sich als „Pinguin-Ficker“ beschimpfen lassen muss.

Ein abgehalfterter Schlagersänger versucht, seine Seekrankheit in Alkohol zu ertränken

Ein Tombola-Gewinner aus Süderbrarup (Peter Kaempfe) neigt zu dieser drastischen Wortwahl, weil er sich bei der ganzen Aktion doch ziemlich „verarscht“ fühlt. Rüdiger Strunz, so sein Name, und seine Frau Ines (Verena Peters) sind die Underdogs in der WPA-Gruppe: Er ein notorischer Nörgler, aber durchaus geerdet, sie eine Träumerin, die im Pelzmantel an Bord gekommen ist. Auch ein anderer Verweigerer kreiert immer wieder äußerst komische Szenen: Erkki Hopf, der grandiose Komödiant des Ohnsorg-Ensembles, spielt den abgehalfterten Schlagersänger Momme Petersen, der seine Seekrankheit in Alkohol zu ertränken versucht. Was nur bedingt gelingt und seinen Manager (Dieter Schmitt) überfordert. Grandios überspitzt sind auch die beiden Influencer (Linda Stockfleth, Vincent Lang) mit ihrem Gefasel von „magic moments“ und dem Selfie-Gepose für ihre Follower.

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Ohnsorg-Oberspielleiter Murat Yeginer gelingt mit dem erstklassigen Ensemble eine ernsthaft-komische Inszenierung. Das Timing stimmt, die Gags sind zahlreich, aber diese Umwelt-Satire wird nicht zum Klamauk. Andresens Stück steckt voller Absurditäten, und Yeginer und dem Team gelingt es, diese zu verdeutlichen. Großen Anteil daran hat auch Bühnen- und Kostümbildnerin Anike Sedello. Besonders mit ihren Kostümen unterstreicht sie die Besonderheiten der Figuren, etwa mit dem bereits erwähnten Pelzmantel, aber auch mit dem Norweger-Pullover des Pinguin-Forschers, dem silbernen Outfit der Influencerin oder der Langhaar-Perücke von Momme Petersen.

„Der letzte Pinguin“ ist ein hervorragendes Zeitstück, das für jede Generation sehenswert ist und mit dem das Ohnsorg-Theater neue Zuschauer ins Haus am Heidi-Kabel-Platz locken kann.

„Der letzte Pinguin“ läuft bis zum 24.2., Ohnsorg-Theater (Heidi-Kabel-Platz 1), Karten unter T. 040/35080321 unter www.ohnsorg.de