Hamburg. Meike Meiners und Marco Reimers glänzen in der plattdeutschen Erstaufführung von „Frau Bachmanns kleine Freuden“ im Ohnsorg-Theater.

Tritt der Intendant vor einer Premiere vor den Vorhang, verheißt das meistens nichts Gutes, zumindest Ungewöhnliches. Michael Lang, der Chef des Ohnsorg-Theaters, vollzog diese Schritte am Sonntagabend jedoch aus mehreren Gründen: Er hieß das versammelte Publikum zur neuen Spielzeit willkommen, bedankte sich „für die vielen Genesungswünsche und großen Zuspruch“, die er während seiner mehrmonatigen Erkrankung erfahren habe. Und wies darauf hin, dass die Premierenfeier – inklusive der Würdigung aller Beteiligten – mit Kartoffelsalat, Würstchen und Bier anschließend wieder im Rangfoyer stattfinde. Großer Beifall für all das.

Dabei stand am Heidi-Kabel-Platz – am 109. Geburtstag der Namensgeberin – auf der Speisekarte „Nur ein Sandwich“. So hieß die Komödie des US-Theaterautors Sam Bobrick (1932-2019) bei der deutschsprachigen Erstaufführung vor fünf Jahren am Bremer Union Theater – als Übersetzung des Originals „Lunch with Mrs. Baskin“ etwas dünn und fad. Sodass sich Lang und der am Sonntagabend krankheitsbedingt fehlende Oberspielleiter Mura Yeginer dazu entschlossen hatten, den Stücktitel mit Genehmigung des Ahn & Simrock Verlags in „Frau Bachmanns kleine Freuden“ zu ändern.

Theater Hamburg: Eine Kuppel-Show für Jung und Alt am Ohnsorg

Durchaus zu Recht, wie die mit minutenlangem Applaus bedachte plattdeutsche Erstaufführung zeigte. Trotz des hochdeutschen Titels, den alle Stücke im Großen Haus in dieser Spielzeit der allgemeinen Verständlichkeit wegen tragen, wird auch in der Zweizimmerwohnung von Frau Bachmann zu gut 90 Prozent plattdeutsch gesnackt. Insbesondere in Person von Meike Meiners in der Titelrolle.

Und das alsbald nach dem Entree ihres Gastes, des jungen Handelsvertreters Timo Winter (Marco Reimers). Der kommt von der Firma Wunderwerk Garagentore – doch wo soll er in diesem Hamburger Apartment etwas an den Mann respektive an die Frau bringen? Als ihm die gut situierte Mieterin Frau Bachmann offenbart, dass sie weder einen Zweitwohnsitz geschweige denn ein Auto hat, ist Timo Winters Verzweiflung groß: „Ik bün würklich bannig, bannig argerlich, Fro Bachmann!“, sacht der Vertreter aus Ostholstein.

Ohnsorg-Theater: Neues Ensemblemitglied Marco Reimers holt sich blutige Nase

Ehe er sich’s versieht, sinkt Twen Timo – sie will ihm das Hamburger Sie aufdrängen, er bleibt bei „Frau Bachmann“ – als Gast auf dem Sofa danieder. Statt Kartoffelsalat, Würstchen und Bier wie im realen Ohnsorg-Leben serviert die Gastgeberin auf der Bühne Eiersalat, Gurken-Sandwiches und Eistee, immer schön stilvoll auf einer Etagere. Ein Running Gag, der schmeckt. Frau Bachmann, früher Berufsberaterin aus Leidenschaft, hat nach ihrer Pensionierung nun Erfüllung darin, sich Vertreter ins Haus zu bestellen, um ihrer Einsamkeit zu entkommen und den jungen Leuten auf die Sprünge zu helfen.

Meike Meiners erinnert – unter Lockenperücke und im Kostüm – mit ihrer komischen Penetranz ein wenig an Heidi Kabel. Sie kostet ihre Witwenrolle aus. Mit Marco Reimers hat sie einen kongenialen Partner, der zwar im Beruf des Handelsvertreters völlig falsch ist, als verzweifelter Loser jedoch komödiantisch glänzt. Reimers, längst kein neues Gesicht mehr am Ohnsorg und seit dieser Spielzeit festes Ensemblemitglied, holt sich ein blaues Auge, eine blutige Nase und einen steifen Nacken; dank seines Spiels gewinnt er nicht nur die Herzen des Publikums.

Auch „bester Verkäufer der Welt“ taucht auf bei Frau Bachmann

Als nämlich die junge Kira Hanke (reichlich emotional: Lara-Maria Wichels), eine von ihrer Sache überzeugte Vertreterin für Solarpanels, von Frau Bachmann in ihre Wohnung bestellt wird, schlägt deren Stunde als Kupplerin. Denn die Tochter aus sehr gutem Hause ist von ihrem Freund betrogen worden und braucht außer Gurken-Sandwiches eine Schulter zum Anlehnen. Und so wird Frau Bachmanns Wohnzimmer wahlweise zum Kontakthof, zur Schlafstätte für zwei Verstoßene oder zum Lazarett (für den lädierten Timo).

Das erinnert die Volksballade „Es waren zwei Königskinder“. Und an die vorhersehbare Konstellation jahrzehntealter Ohnsorg-Schwänke mit tradiertem Frauenbild, wenn der böse Vater der Braut dem jungen Liebesglück im Weg zu stehen droht. Oliver Warsitz, bisher am Ernst Deutsch Theater zu Hause, verkörpert die Rolle des geldgeilen Bankiers-Vaters Jan Hanke bei seinem Ohnsorg-Debüt dennoch glaubhaft, auch sein Wechselspiel zwischen Hoch- und Plattdeutsch passt. Und als „bester Verkäufer der Welt“ kann ihm der von Frau Bachmann ins Haus bestellte Vertreter Wendelin Schulz (Colin Hausberg in einer komischen Nebenrolle) noch alles mögliche aufschwatzen.

Ohnsorg-Theater: „Frau Bachmanns kleine Freuden“ taugt als Wohlfühlkomödie

Harald Weiler inszeniert „Frau Bachmanns kleine Freuden“ mit sicherer Hand und feinem Gespür für Situationskomik bis hin zu Slapstick in der stimmigen Kulisse von Beate Zoff (Bühnenbild und Kostüme). Die Dialoge in Frank Grupes plattdeutscher Übersetzung zünden, sogar für Monologe op Platt bekommen die Darsteller Szenenbeifall.

„Fro Bachmann, ganz großes Kino!“, sagt Timo alias Marco Reimers am Ende. Das wäre fürs Stück übertrieben, braucht der erste Akt doch etwas zu viel Anlaufzeit. Als Wohlfühlkomödie in den Saisonstart des Ohnsorgs, das im Frühjahr vom Streit um die Wahl des Aufsichtsrats im Verein Niederdeutsche Bühne Hamburg und Anteile des Hochdeutschen auf der Bühne geprägt war, taugt „Frau Bachmanns kleine Freuden“ jedoch allemal.

„Frau Bachmanns kleine Freuden“ wieder Di 29.8., 19.30, bis 24.9., Ohnsorg-Theater (U/S Hbf.), Heidi-Kabel-Platz 1, Karten zu 31,36 bis 39,20 unter T. 35 08 03 21; www.ohnsorg.de