Hamburg. Hamburger Band erfindet sich in der ausverkauften Großen Freiheit 36 neu: 100 Minuten Rock statt sanfter Radio-Balladen.

Es gab Zeiten, da wurde Revolverheld auch in dieser Zeitung eine „Rockband“ genannt. Ja, Sie lachen! Aber beim ersten Auftritt in der Großen Freiheit 36 im Jahr 2006 war richtig Krach angesagt. In den Jahren danach und bis zum Auftritt im Juli 2023 im Stadtpark schlug das Pendel aber sehr in Richtung gefälliger Radio-Pop-Kost aus. Der Erfolg mit sechs Top-Ten-Alben in Folge und großen Shows auf der Trabrennbahn und in der Barclays Arena gab ihnen recht.

Dennoch: Irgendwas muss all die Jahre an Johannes Strate, Kristoffer Hünecke, Niels Kristian Hansen, Jakob Sinn und ihrem treuen Live-Bassisten Chris Rodriguez genagt haben. Nur so ist das „Experiment“, wie Strate es nennt, auf der aktuellen Tour und am Sonnabend in der ausverkauften Großen Freiheit 36 zu erklären: „R/H/1“ heißt das neue Album, das erste auf dem eigenen Plattenlabel und exklusiv nur für die Konzertbesuchenden als CD, LP und Download-Link erhältlich. Die Streamingdienste bleiben außen vor.

Revolverheld: Eine akustische Zeitreise zurück in das Jahr 2002

„Das ist das Album, was wir damals als Erstes aufnehmen wollten, aber dann kam eine große Plattenfirma dazwischen“, erklärt Strate den Hintergrund. „R/H/1“ ist akustisch eine Zeitreise zurück ins Jahr 2002, als die Band noch Manga und danach Tsunamikiller hieß und mit kräftigen Gitarrenrockern erste Schritte wagte. Und so klingen auch die zwölf neuen (alten?) Songs, die auf dem Kiez live vorgestellt werden: Ein volles Pfund wird über die Bühnenkante gewuchtet, und Hansen, Hünecke und Rodriguez können endlich ihre großen Gitarren- und Bass-Sammlungen ausführen.

Endlich die Gitarrensammlung ausführen: Revolverheld in der Großen Freiheit 36. Zuletzt spielte die Band im April 2010 im Kiez-Club.
Endlich die Gitarrensammlung ausführen: Revolverheld in der Großen Freiheit 36. Zuletzt spielte die Band im April 2010 im Kiez-Club. © Funke Foto Services | Michael Rauhe

„Krieg mit mir selbst“, „So kaputt“, „Das wäre dann ihr Preis gewesen“ und „Parasiten“ pendeln zwischen 90er-Post-Grunge, Alternative Rock, Crossover und Rock ‘n‘ Roll. Ganz sicher nicht der Sound der Stunde, aber mitreißend präsentiert. Und auch eingestreute ältere Lieder wie „Das kann uns keiner nehmen“ wurden umarrangiert und lauter gedreht, „Halt dich an mir fest“ ist die einzige Atempause in den 100 Minuten. Bewährte Publikumsfavoriten wie „Freunde bleiben“, „Spinner“ oder „Die Welt steht still“ verharren an diesem Abend im Archiv.

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Den 1500 Fans scheint das aber zu gefallen, besonders der Neuling „Eine letzte Chance“ mit seinem „Ohoo“-Chor wird begeistert aufgenommen. So verdient es sich die drei Zugaben „Ich lass für dich das Licht an“, „Alors On Danse“ (im Original von Stromae) und „Lass uns gehen“. Ob das Experiment „Rockband“ eine Zukunft hat oder nur eine kurze „Was wäre wenn?“-Episode bleibt, wird sich zeigen. Aber es hat Spaß gemacht, mitzuerleben, wie diese Band einfach mal das macht, worauf sie Lust hat.