Hamburg. Die Band feiert das Leben und kann sich dabei eine fiese Anspielung auf die Niederlage des HSV gegen Darmstadt nicht verkneifen.
Johannes Strate ist ein Ehrenmann. Begeisterter Fußballfan. Harter Arbeiter im Lande des Rock. Der sich einst am Ende insgesamt ziemlich souverän von Böhmermann verarschen ließ. Selbstironie ist wichtig. Dass Strate aber auch der Til Schweiger des Deutschpop ist und keine Risiken eingeht im Götzendienst am Mainstream – geschenkt.
So richtig riskant ist es ja übrigens auch nicht, beim ausverkauften Konzert in der Barclycard Arena gleich in der ersten Ansage auf das herrliche nachmittägliche HSV-Desaster im Stadion gegenüber einzugehen. Seine Band Revolverheld werde an diesem Abend vielleicht ja extralang spielen, versprach Strate, „und dabei kriegen wir kein Gegentor in der Nachspielzeit“.
Es sollte nicht der letzte Seitenhieb auf den ambitionierten Fußballzweitligisten bleiben. Revolverheld, das bewies das Heimspiel der Hamburger Band, ist erstklassig in den Disziplinen Arenarock und rhythmischer O-O-O-O-Chorgesang mit Publikumsanbindung. Das muss nicht verkehrt sein. Machen Coldplay ja genauso.
Strate und Oerding – eine Wahlverwandschaft
Strate, der Mann mit der Stimme aus Gold und den Songtexten aus Katzengold, das ist nicht selten eine vortreffliche, mindestens aber ausreichende Kombination, war in überaus guter Form. Also welt- und menschenumarmend, das ist bekanntlich die Voraussetzung eines jeden Revolverheld-Lieds. „Das Herz schlägt bis zum Hals“, „Ich werd‘ die Welt verändern“, „Immer noch fühlen“, „Immer in Bewegung“, und immer schön das Leben feiern, ohne dabei die Nostalgie zu vergessen: Manche bekommen dabei Würgereiz, den anderen rührt‘s das Herz. Gäbe es die Fachbezeichnung „Powerballade“ nicht längst seit seligen Bon-Jovi-Zeiten, man müsste sie für Revolverheld erfinden.
In der Barclaycard Arena bewiesen Revolverheld einmal mehr, dass sie eine gut eingespielte Liveband sind. Johannes Oerding kam zwischendurch auf die Bühne: eine Wahlverwandtschaft der Emo-Hamburger, gefeiert vom dankbaren Publikum. Das war leicht zu kriegen, aber zur Wahrheit gehört auch, dass es am inbrünstigten bei dem Wir-sind-Helden-Cover „Denkmal“ mitsang. Punchline: Manchmal gibt es Poesie auch bei den Revolverhelden. Strate ist übrigens dann eh gut, wenn er die Songs anderer singt. Seinen neuesten, eine Neu-Version des Bremer Superhits „Das W auf dem Trikot“, sang er natürlich nicht. Alles hat seine Grenzen.
Nach mehr als zwei Stunden war Schluss. Tausende klatschten eifrig und immer im Takt. Waren nur Gassenhauer, die Revolverheld spielten; kleine Hymnen, große Gefühle. „Ich lass für dich das Licht an/Obwohl mir zu hell ist/Ich schaue mir Bands an/Die ich nicht mag/Ich gehe mit dir in die schlimmsten Schnulzen“ – und die Schnulze ist manchmal die Wahrheit hinter allen Dingen, wer wüsste das nicht.