Hamburg. In der Elbphilharmonie tritt der Pianist an einem Tag gleich dreimal hintereinander auf. Partystimmung schon beim ersten Konzert.
Klavier spielen kann er. Und zwar exzellent. Und unterhalten kann er auch. Mit Anekdoten, Döntjes, Pointen. Und genau diese Kombination macht Joja Wendt so populär. Gleich dreimal hat er den großen Saal der Elbphilharmonie ausverkauft. Das schaffen nicht viele Stars aus Klassik und Pop. Ein Alleinstellungsmerkmal besitzt der Hamburger Pianist außerdem dadurch, dass er diese drei Konzerte nicht an drei Tagen hintereinander, sondern an einem Tag spielt. 12 Uhr, 16 Uhr, 20 Uhr.
Elbphilharmonie: Joja Wendt, der „Tastenhengst“ wird von Fans in Hamburg gefeiert
Und in der jeweiligen Pause trinkt er keinen Tee, sondern eilt in Etage 13, um dort 20 Minuten lang CDs zu signieren und mit seinen Fans zu plaudern. Bei so viel Programm kann man auch mal die Zeit aus den Augen verlieren – trotz der Armbanduhr im Flügel. Für Zugaben reicht es nach dem Zwölf-Uhr-Konzert nicht mehr. Ansage von Bühnentechniker Alex, ein letztes Winken, Saallicht und Pause bis zur nächsten Show.
Doch auch ohne die obligatorischen Zugaben hat Wendt erstklassig abgeliefert und ist dafür von seinen Fans gebührend gefeiert und beklatscht worden. Er nimmt die jeweils 2000 Zuschauerinnen und Zuschauer mit auf eine musikalische Reise durch sein bewegtes Leben und durch die verschiedenen Stile, die er sich im Laufe seiner Karriere draufgeschafft hat. Besonders wichtig ist für Joja Wendt der Jazz. Er hat unter anderem in New York studiert und führt das Publikum in den Savoy Ballroom von Harlem, wo sich in den 40er-Jahren die Crème der Swing-Szene versammelte und Weiße und Schwarze ohne Rassenkonflikte zusammen feierten. Auch nach New Orleans – in die sogenannte „Wiege des Jazz“ – ist er zusammen mit seinem Vater gereist und hat dort eher zufällig eine Kneipe an der Bourbon Street mit seinem Spiel aufgemischt.
Konzert Hamburg: So wie Joja Wendt hat noch kein Pianist in der Elbphilharmonie gespielt
Noch wichtiger war jedoch die Begegnung mit einem uralten schwarzen Pianisten in einer heruntergekommenen Bude in den Sümpfen außerhalb der Stadt. „Der hat mir seine Version von Gershwins ,Rhapsody In Blue‘ gezeigt, und die spiele ich heute zum ersten Mal bei einem Konzert“, kündigt Wendt an. Er spielt die Nummer mit den entsprechenden dreckigen Elementen des New-Orleans-Jazz, und auch der Komödiant kommt in ihm durch. Auf dem Klavierhocker liegend und über Kopf in die Tasten greifend hat sicher noch kein Pianist den Flügel hier gespielt.
Das Mittagskonzert des „Tastenhengstes“ und „Akkordarbeiters“ ist gespickt mit kuriosen Geschichten, aus denen Joja Wendt musikalische Erzählungen baut. Wie den „Motor Boogie“. Darin beschreibt er, wie er mit einem VW Bulli, beladen mit einem transportablen Klavier, in Richtung Südfrankreich gefahren ist, um dort auf öffentlichen Plätzen zu spielen. „Wenn Sie damals in den Kasseler Bergen einen VW-Bus überholt haben, der dort kaum hochgekommen ist, war ich das“, ulkt er über seinen Anfangsjahre.
Konzert Elbphilharmonie: Nach der Pause geht Show mit wundgeschriebenen Fingern weiter
Auch in die Mongolei haben ihn seine vielen Reisen geführt. Wendt hat ein Stück über ein Pferderennen geschrieben, das er dort erlebt hat und das den Virtuosen an seine technischen Grenzen bringt. „Linke Hand 4/4, rechte Hand 11/8 und dann auch eine Klingel drücken – das ist mir eigentlich noch nie gelungen“, sagt er und zeigt dann auf den 88 Tasten einen furiosen Ritt über die Steppe der Mongolei. Am Ende klappt auch der Klingel-Gag, und das euphorische Publikum applaudiert begeistert.
Nach der Pause geht die Show mit wundgeschriebenen Fingern weiter, aber Joja Wendt darf sich etwas zurücknehmen, denn er hat eine ganze Reihe von Gästen für seine drei Neujahrskonzerte aufgeboten. Wie zum Beispiel die erst 23 Jahre alte ungarische Boogie-Woogie-Pianistin Silly Marshall. Furios spielte sie im Duett mit ihrem Gastgeber einen berühmten Boogie von Albert Ammons, sie am Steinway, Wendt an seinem 50 Jahre alten Klavier, das inzwischen auf die Bühne gestellt worden ist. „Das konnte auch nicht damit rechnen, dass es mal in der Elbphilharmonie stehen würde“, juxt er. Sein Freund Stefan Gwildis, mit dem Wendt bei den Söhnen Hamburgs erfolgreich musiziert, gibt sich ebenfalls die Ehre. Er singt seine deutsche Version von „Me and Mrs. Jones“ und scattet den Rhythmus für einen Ed-Sheeran-Song, den Wendt als Klavier-Instrumental interpretiert.
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Joja Wendt wird von Fans beim Konzert in Hamburg gefeiert – „Standing ovations“
„Standing ovations“ erhalten drei andere Gäste von Joja Wendt. Bei der 12-Uhr-Show sitzt der russische Countertenor Dmitry Egorov im Publikum. Ihn holt Wendt auf die Bühne und lässt ihn das berühmte „Nessun dorma“ auf der Puccini-Oper „Turandot“ singen: „Und zwar bis zum fis, das hat nicht mal Pavarotti geschafft!“ Mindestens so begeistert wie von Egorovs Sangeskunst ist das Publikum von zwei Gypsy-Jazz-Virtuosen: Giovanni Weiss stammt aus einer Wilhelmsburger Sinti-Familie und gilt als einer der besten Gitarristen Europas, von dem britischen Geiger Ben Holden hat man dagegen hierzulande noch nie etwas gehört. Holden, ein wahrer Geigen-Derwisch, tritt überhaupt zum ersten Mal in Deutschland auf und wird zusammen mit Weiss überschwänglich gefeiert. Sie stellen sogar den populären Götz Alsmann in den Schatten, den Wendt als letzten Stargast aus dem Hut zaubert.
Im wahrsten Sinne des Wortes beswingt verlassen die 2000 Zuhörer den Großen Saal und fahren mit der Rolltreppe hinunter, während bereits die nächsten Wendt-Fans mit ihren Karten in der Hand gespannt Richtung Foyer hochgleiten. Viel Verschnaufpause bleibt Joja Wendt nicht, aber er sprüht vor Energie und wird von seinen begeisterten Fans auf einer Euphoriewelle getragen. Den nächsten Elbphilharmonie-Abend kündigt er auch schon an: Am 5. Januar 2025 gibt es hier die nächste Joja-Wendt-Show.