Hamburg. Die Pianistin spielte mit ihrem Quartett im ausverkauften Kleinen Saal der Laeiszhalle – und eilte danach zum Verkaufsstand.
„Vielen Dank, dass Sie heute gekommen sind! Vielen Dank, dass Sie Livemusik unterstützen“, sagt Julia Hülsmann zu Beginn des Konzerts ihres Quartetts in der Laeiszhalle. Später ergänzt Schlagzeuger Heinrich Köbberling, man wolle ja eigentlich nicht mehr über die Corona-Zeit sprechen, aber dieses Konzert hier in Hamburg sei eben doch etwas Besonderes.
Schließlich ist der Kleine Saal mit 640 Besuchern ausverkauft – auch für ein so arriviertes Quartett keine Selbstverständlichkeit (mehr). Und der Hinweis auf den CD-Stand („Falls Sie noch einen Player haben, wir signieren auch, wenn Sie das möchten“) deutet ebenfalls darauf hin, dass jenseits der Branchen-Superstars noch längst nicht wieder alles im finanziellen Lot ist.
Julia Hülsmann in der Laeiszhalle – eineinhalb Stunden Jazz der Spitzenklasse
Gekommen ist das Quartett der Pianistin, die schon mal Artist in Residence beim Elbjazz war, um die Nummern des vor mehr als einem Jahr erschienenen Albums „The Next Door“ endlich auch in Hamburg live zu präsentieren. Es tritt also keineswegs mit „Empty Hands“ auf, so der etwas in die Irre führende Titel des Openers, sondern mit knapp anderthalb Stunden Jazz der Spitzenklasse.
Mit Köbberling und Bassist Marc Muellbauer arbeitet Julia Hülsmann schon seit 1997 zusammen, Saxofonist Uli Kempendorff ist erst 2019 dazugestoßen, in dieser Formation erstmals zu hören auf dem Album „Not Far From Here“. Die besondere Qualität dieses Quartetts wird bereits beim ineinander übergehenden „Polychrome“ und „Wasp At The Window“ deutlich: Hier hat jeder eine individuelle Stimme, wird Bandleaderin Julia Hülsmann auch immer wieder zur Begleiterin, bekommt Uli Kempendorff Raum für freies Spiel, bei dem die Saxofon-Tonfetzen sich wie Widerhaken in den Strom der Melodie bohren.
Später werden auch Marc Muellbauer und Heinrich Köbberling ganz eigene Akzente setzen, etwa bei den Kompositionen, die sie beigesteuert haben, denn auch in dieser Hinsicht ist das Julia Hülsmann Quartett eine echte Gemeinschaftsunternehmung. „Jetzt noch nicht“, „Open Up“, „Made Of Wood“, „Lightcap“: Das aktuelle Album wird beinahe komplett gespielt.
Julia Hülsmann – als Zugabe gibt es in der Laeiszhalle einen Song von Prince
Vier Könner, deren Stimmen sehr gut harmonieren, auch bei zwei neuen Nummern, von denen eine noch nicht einmal einen Titel trägt. Ein Höhepunkt: „Valdemossa“ von „The Next Door“, bei dem Julia Hülsmann die Töne so wunderbar warm und weich aus dem Steinway perlen lässt. Großer Applaus – und natürlich geht es hier nicht ohne eine Zugabe nach Hause. Die heißt „Sometimes It Snows in April“, stammt von Prince und ist eine poetische Verbeugung vor der viel zu früh gestorbenen Legende aus Minneapolis.
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Während das Publikum danach aus dem Saal drängt, sind Hülsmann und Co. bereits zum CD-Stand geeilt. Schließlich gilt es, mit ein paar Spontanverkäufen die finanzielle Kirsche auf diesen gelungenen Abend zu setzen. Die Zeiten sind eben so – auch für Musikerinnen und Musiker ihres Kalibers.