Hamburg. Julia Hülsmann, Michael Wollny und SDLW bieten neue Klänge für lange Herbstabende. Über die Alben.
Welch vielfältige Künstlerin Julia Hülsmann ist, ließ sich beim Elbjazz 2019 bestaunen, als die Pianistin mit gleich drei unterschiedlichen Formationen – vom Duo bis zum Oktett – auftrat. Für ihr aktuelles Album „The Next Door“ (ECM) setzt sie nun auf die Quartettform, die sie als „besonders offen und frei“ empfindet.
Tatsächlich dominiert das Gefühl musikalischer Offenheit bei den elf Eigenkompositionen, die nicht nur von ihr, sondern auch von Saxofonist Uli Kempendorff, Bassist Marc Muellbauer und Schlagzeuger Heinrich Köbberling stammen. Da ist die Lust am Miteinander, am gemeinsamen Atmen, in jedem Takt spürbar. Ein wunderbar organisches Album in bester Post-Bop-Tradition und mit der Prince-Nummer „Sometimes It Snows In April“ als Kirsche auf der Modern-Jazz-Torte.
„Ghosts“: Der Titel ist Programm
Mindestens ebenso vielseitig wie Julia Hülsmann ist natürlich Michael Wollny, bei dessen Output man ja kaum noch hinterherkommt. Umso erstaunlicher die konstant hohe Qualität – was auch für „Ghosts“ (ACT), den neuen Streich seines Trios (mit Bassist Tim Lefebvre und Schlagzeuger Eric Schaefer), gilt. Dabei ist der Titel durchaus Programm, durchzieht doch alle Stücke eine geradezu geisterhaft-unwirkliche Atmosphäre. Neben zwei Eigenkompositionen sind hier vor allem Coverversionen zu finden, etwa von Nick Cave & Warren Ellis („Hand Of God“), David Sylvian („Ghosts“) und George Gershwin („I Loves You Porgy“).
Am erstaunlichsten ist die Bearbeitung von Duke Ellingtons „In A Sentimental Mood“, das so fahl und geradezu skelettiert wohl noch nie zu hören war. Am 2. November stellt das Michael Wollny Trio sein aktuelles Programm im Rahmen der „Jazz Nights“ in der Laeiszhalle vor. Ein Pflichttermin.
SDLW demonstrierte mitreißenden Jazz im Resonanzraum
Wie unfassbar mitreißend Live-Jazz sein kann, demonstrierte das Quartett SDLW vor gut einem Jahr im Resonanzraum. Spontan entstand hier, so die Abendblatt-Kritik damals, „ein pulsierender Klang-Organismus voll wilder Eruptionen, aber auch mit betörend leisen Passagen“. Dabei war es besonders fesselnd, Tamara Stefanovich (Piano), Christopher Dell (Vibrafon), Christian Lillinger (Schlagzeug) und Jonas Westergaard (Bass) bei der Interaktion hautnah zu beobachten.
Auf der inzwischen aus der Zusammenarbeit entstandenen CD „21“ (bastille musique) fehlt dieser sinnliche Aspekt natürlich, und so braucht es ein besonderes Maß an Aufmerksamkeit, um den insgesamt fast 80-minütigen Free-Jazz-Exkursionen zu folgen. Musik, die sich in dieser Form am besten ganz allein per Kopfhörer erleben lässt.