Hamburg. Im Altonaer Theater springen Hans Schernthaner und die Dramaturgin in Rollen einer erkrankten Schauspielerin. Publikum ist begeistert.
Eines steht auch auf der Bühne fest: „Die Ente bleibt draußen.“ Da kann Herr Dr. Klöbner noch so sehr drängen, da lässt sich Herr Müller-Lüdenscheidt in „seiner“ Badewanne nicht erweichen. Der Sketch „Herren im Bad“, ursprünglich ein Zeichentrickfilm, ist Teil von „Loriots dramatische Werke“.
Das Altonaer Theater hatte sich vor einigen Jahren die Aufführungsrechte vom Studio Loriot gesichert, es wollte das Stück bereits vor Corona aufführen. In diesem Dezember ist es nun ein nachträgliches Geschenk zum runden Geburtstag des großen deutschen Satirikers und an seine Fans. Loriot alias Vicco von Bülow (1923–2011) hätte am 12. November seinen 100. gefeiert.
„Loriots dramatische Werke“ im Altonaer Theater: Regisseur rettet Premiere
Dass die Premiere in Altona überhaupt gefeiert werden konnte, entbehrte nicht einer gewissen tragischen Ironie: Mit Marion Gretchen Schmitz fiel eine Schauspielerin im fünfköpfigen Ensemble wegen anfangs erwähnter Seuche aus. Doch „Loriots dramatische Werke“ ohne Frau Hoppenstedt, ohne Fräulein Dinkel oder die Ansagerin? Geht gar nicht!
Ergo sprangen kurzfristig Altonas Dramaturgie-Assistentin Stine Kegel und Regisseur Hans Schernthaner in Schmitz‘ Rollen. Nachdem er schon bei der „Eheberatung“ für Herrn und Frau Blöhmann (Frank Roder und Antje Otterson) den Weißkittel als Psychiater übergeworfen hatte, nahm Schernthaner im zweiten Teil beim Solo-Sketch „Inhaltsangabe“ selbst am Tisch Platz.
An Loriots Texten, so schreiben es die Erben vor, darf nichts verändert werden
Die dank der formidablen Hamburger Schauspielerin Evelyn Hamann (1942–2007) auch als „Englische Ansage“ bekannte Nummer war fürs Premieren-Publikum der Brüller und die mit dem meisten Beifall des Abends bedachte. Wie das eben so ist, wenn ein Mann in den besten Jahren mit rot geschminktem Mund und Perücke in Frauenkleider schlüpft und seinen Text – in diesem Fall ganz bewusst – nicht beherrscht.
Ansonsten ist vom „Salamo“-Konzert über „Die Jodelschule“ bis zum „Frühstücksei“ in Altonaer Theater fast alles drin, was das deutsche Humor-Herz begehrt. Und Schernthaners Idee, Frank Roder als Conférencier zwischen den 17 Sketchen auftreten zu lassen, lässt die Übergänge meist fließend wirken. An den Texten der Sketche, die Ende der 70er-Jahre den Ruhm Vicco von Bülows begründet haben, so schreiben es die Erben vom Studio Loriot vor, darf schließlich nichts verändert werden.
Loriot in Altona: Beim „Kosakenzipfel“ lassen die Ehefrauen den Streit eskalieren
Dennoch bekommt Roder etwa beim „Skat“ als vom Kartenspiel unbeleckter Herr Moosbach mehr als nur einen Stich. Bei den „Herrenmoden“ und beim „Bettenkauf“ zeigt Tom Keidel als Verkäufer im Chaos zweier sich streitender Männer in Unterhosen und schlecht sitzender Anzüge sowie auf Matratzen hopsender Frauen sehr solides humoristisches Handwerk. Nichts geht hier über das Modell „Andante“, richtig nur mit „Spannmuffen-Federung“.
Auch der „Kosakenzipfel“ mit Roder und Herbert Schöberl als Camping-Freunde mundet, wobei es Stine Kegel und Antje Otterson als Ehefrauen mit ihren Handtaschen (Kostümbild: Susann Günther) erst so richtig eskalieren lassen. Und als von einem TV-Team entnervter „Der Lottogewinner“ Erwin „Lottemann, äh Lindemann“ lässt Schöberl beinah den legendären Loriot-Schauspieler Heinz Meier aus dem TV-Sketch als Alltagshelden vergessen. „Danke! Das war‘s!“?
„Loriots dramatische Werke“: Probleme für Jüngere mit „Liebe im Büro“?
Nicht ganz. Loriots Sketch „Der K 2000“ von 1980, in dem ein Unternehmer den titelgebenden Luftschutzbunker als Renner auf der Hannover-Messe preist, wirkt erschreckend aktuell. Wohingegen jüngere Theatergängerinnen mit „Liebe im Büro“ ihre Probleme haben dürften, arbeitet Loriot hier doch sehr mit dem tradierten Bild der Sekretärin. Alles zu seiner Zeit.
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Und: Ein Cartoon bleibt ein Cartoon: Obwohl sich Roder als Dr. Klöbner und Schöberl als Müller-Lüdenscheidt beim Dialog in der hineingerollten Badewanne ordentlich ins Zeug legen und sich mit ihren „Schaumhöschen“ auch mal erheben, können sie dem Zeichentrick-Original nicht das Wasser reichen. Egal ob mit oder ohne Stöpsel.
„Loriots dramatische Werke“ wieder Di 5.12., 19.30, bis 27.12., Altonaer Theater, Museumstr. 17, Karten zu 20,- bis 43,- unter T. 040/39 90 58 70; www.altonaer-theater.de