Hamburg. US-Gitarrist spielte bei seinem Reflektor-Festival vier Konzerte im Großen und Kleinen Saal. Das letzte endete ziemlich ungewöhnlich.
Bill Frisell ist ein bescheidener Mensch. Einer, der sich nicht in den Vordergrund drängt, der gründlich nachdenkt, bevor er spricht, bevor er sein Leben und seine Kunst vor einem Publikum ausbreitet. Das wird schon bei der von Elbphilharmonie-Mitarbeiter Tom R. Schulz moderierten Listening Session klar, mit der das Reflektor-Festival, das dem US-Gitarristen gewidmet ist, am Freitagabend im Kaistudio 1 beginnt.
Elbphilharmonie: Gerissene Gitarrensaite beendet Konzert von Bill Frisell
Frisell hat Musik ausgewählt, die ihn geprägt hat, und es ist Erwartbares darunter wie eine Aufnahme von Gitarrenlegende Wes Montgomery oder ein Blue-Note-Album von Trompeter Lee Morgan, auf dem ein anderer Gitarrist, Grant Green, eine bedeutende Rolle spielt. Aber es ist auch Bob Dylans „Mr. Tambourine Man“ zu hören und „Surfer Girl“ von den Beach Boys – Songs aus der Jugend des heute 71-Jährigen, der, wie er sagt, als Jugendlicher anfing, mit Freunden Musik zu machen, und bis heute nicht damit aufgehört hat.
Einige dieser alten Freunde sind nun mit ihm nach Hamburg gekommen, etwa Bassist Thomas Morgan und Schlagzeuger Rudy Royston, die Mitglieder seines aktuellen Trios, das am Sonnabendabend im Großen Saal um Saxofonist Immanuel Wilkins ergänzt wird. Und es ist tatsächlich eine Band, die hier auftritt, nicht ein Solist mit Begleitmusikern. Eine Band, die sich viel Zeit nimmt, den Stimmungen Raum gibt, die Klänge auf- und abschwellen lässt. Ein Fest der eher leisen Töne, manchmal durchaus herausfordernd. Im wahrsten Sinne mitreißend hingegen das Finale: Erst eine starke Version des Thelonious-Monk-Klassikers „Mysterioso“, dann als Zugabe ein Lied, das leider nur zu gut in diese Zeit passt. „What The World Needs Now Is Love“ von Burt Bacharach. Großer Applaus.
Elbphilharmonie: Frisell spielt auch den James-Bond-Song „You Only Live Twice“
Von der Elbphilharmonie hatte Bill Frisell Carte blanche bekommen, konnte sich das Programm für sein Festival also selbst zusammenstellen. Und während Künstlerinnen und Künstler, denen frühere Reflektor-Wochenenden gewidmet waren, zahlreiche Gäste einluden, die Konzerte spielten, belässt es Frisell bei vier eigenen Auftritten. Die allerdings decken ein breites Spektrum ab. Etwa sein Duo mit dem Trompeter Ambrose Akinmusire am Sonntagnachmittag im Kleinen Saal.
Keine Rhythmusgruppe, dafür zwei Musiker, die intensiv interagieren, die korrespondierende Melodien spielen und bei denen der gegenseitige Respekt immer spürbar ist. Da gibt es dann auch einen ersten Einblick in Akinmusires Album „Owl Song“, das am 15. Dezember erscheint und an dem unter anderem Bill Frisell mitgewirkt hat. Zum Abschluss führt auch hier kein Weg an einem Klassiker vorbei: in diesem Fall an dem James-Bond-Song „You Only Live Twice“, der in einer so reduzierten wie intensiven Version erklingt.
Zum großen Finale ein paar Stunden später ist die Bühne dann wieder gut gefüllt: Mit Thomas Morgan und Tony Scherr am Bass sowie Rudy Royston am Schlagzeug und Kenny Wollesen am Schlagzeug und Vibrafon kann Bill Frisell auf viel mehr als nur eine rhythmische Grundversorgung zurückgreifen. Die vier setzen immer wieder eigene Akzente, überlassen dem (eher scheuen) Star des Abends aber auch viel Raum für seine melodischen Läufe und Riffs. Da gibt es geradezu wohlig-warme Momente, die an den großen Jerry Garcia (Grateful Dead) erinnern, dann wieder wird kräftig gerockt, bevor die Schnittstelle zwischen Jazz, Folk und ein wenig Blues im Mittelpunkt steht.
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Das alles geschieht in zwei monumentalen Blöcken von jeweils etwa 35 Minuten und wird so heftig beklatscht, dass nicht nur eine, sondern eigentlich sogar noch eine zweite Zugabe folgen soll. Allerdings ist Bill Frisell inzwischen eine Gitarrensaite gerissen, und man glaubt es kaum bei einem Musiker, der sein erstes Album vor 40 Jahren veröffentlichte und sein Instrument noch viel länger spielt: Er bekommt einfach keine neue aufgezogen – und eine Ersatzgitarre hat er nicht dabei.
„Tut mir leid, aber das war’s dann“, sagt Frisell zum Abschied und lächelt schüchtern. Kurioses Finale eines starken Kurzfestivals.
Listening Session mit Bill Frisell abrufbar unter https://www.elbphilharmonie.de/de/mediathek/listening-session-mit-bill-frisell/927