Hamburg. Die Künstlerinnen und Künstler lieferten einen überragenden Auftritt ab. Den absoluten Höhepunkt des Auftritts gab es nach der Pause.

75 Jahre legendärer Ruf eilen dem Juilliard String Quartet voraus. Mehr als 50 Jahre lang spielte Gründungsmitglied Robert Mann die erste Geige. Klar, dass über die Zeit die Musiker wechseln, aber weil das überlappend geschieht, wird der Musiziergeist von den alten an die neuen Mitglieder weitergegeben.

Die Kult-Formation, 1946 in New York am ehrwürdigen gleichnamigen Konservatorium gegründet, zeigte bei ihrem überfälligen Elbphilharmonie-Debüt im Kleinen Saal jedenfalls, dass Jahrzehnte Quartett-Erfahrung nicht in Routine ausarten müssen. Unglaublich frisch, leidenschaftlich und mit Momenten für die Ewigkeit servierte das US-Quartett unter anderem mit Dvořák und Schubert einen Abend, der im Gedächtnis bleiben wird.

Elbphilharmonie Hamburg: Juilliard String Quartet feiert Debüt wie von einem anderen Stern

Hat es in der Quartett-Geschichte der Juilliards 70 Jahre gedauert, bis Cellistin Astrid Schween 2016 als erste Frau in die Männerdomäne einbrach, so waren nur sieben weitere Jahre nötig, dass heute die Mehrheitsverhältnisse auf dem Kopf stehen. Auf dem Elbphilharmonie-Podium saßen drei Frauen und Ronald Copes an der zweiten Geige als einziger Mann.


Der erste Teil hatte eine amerikanische Note. Dvořáks F-Dur Quartett Op. 96, in Amerika komponiert, durchziehen jazzige und folkige Rhythmen und Melodien. Gleich am Anfang und später immer wieder fällt der warme Bratschenton von Molly Carr auf, auch die Cellistin holt viel Sonores aus ihrem Instrument. Geigerin Areta Zhulla hat viel Energie und Sensibilität am ersten Pult, federnd-peppig, präzise serviert sie die tänzelnden Motive, auch im zweiten Teil bei Schubert. Suchende Gesten, kurze Fetzen, Fiependes, Schwebendes, Explodierendes gab es dann beim brandaktuellen Quartett des 23-jährigen Amerikaners Tyson Gholston Davis. Den Titel „Amorphous Figures“ konnte man gut nachvollziehen.

Das alles wurde dann aber nach der Pause von Schuberts genialem späten G-Dur-Quartett in den Schatten gestellt. 50 Minuten Musik wie vom anderen Stern, härtester Kontrast von süßem Schmerz, heißester Sehnsucht und finsterstem Aufbegehren. Ein Wechselbad der Gefühle durch die Höhen und Tiefen des menschlichen Daseins. Die Juilliards hatten eine brennende Intensität und existenzielle Unmittelbarkeit, gepaart mit kammermusikalischem Geist. So muss Schubert sein.