Hamburg. 12.000 Fans feierten bei ihrem Konzert im Volkspark ihre frechen Texte und gewagten Outfits. Auch Helene Fischer ist Fan.
- Shirin David trat am Donnerstagabend in der Barclays Arena auf und begeisterte ihr vorwiegend weibliches Publikum
- Im Volkspark zeigte sie, wie Minirock und Feminismus zusammenpassen
Hamburg. Männer; von diesen wundersamen Wesen kann man denken, was man will – aber entkommen kann man ihnen nicht. Sie sind auf den besten Posten in der Politik zu finden, in den Chefetagen von Medienhäusern, in der Uni, vielleicht liegt einer von ihnen sogar zu Hause auf dem Sofa. Umso schöner ist es, wenn es sich in einer sonst immer noch sehr männlich dominierten Blase – wie es die Deutsch-Rap-Szene nun einmal ist – eine Frau breitmacht. Und was für eine Frau: Shirin David spielte am Donnerstag, zwei Tage vor ihrem großen Auftritt mit Helene Fischer bei „Wetten, dass..?“ am Sonnabendabend, in der Barclays Arena in Hamburg.
Die bosshafte Rap-Queen und Style-Ikone feiert mit ihrem Konzert in ihrer Heimatstadt den Abschluss ihrer ersten Arena-Tour. Es war das zehnte Konzert ihrer November-Tournee: Für ihre Heimatstadt gab Shirin noch mal alles.
Barclays Arena: Shirin David liefert in Hamburg neue Version von „Atemlos“ mit Helene Fischer
Ob Fußball- oder Schlagerfans: Wer in den vergangenen Tagen medial nicht den Maulwurf gespielt hat, kam an dem Namen Shirin David nicht vorbei. Helene Fischer hatte am Mittwoch angekündigt, dass sie zum zehnten Geburtstag ihres Songs „Atemlos“ eine neue Version aufnehmen würde – mit der 28-jährigen Shirin David. Der Track erschien am Donnerstag, eine Minute vor Mitternacht.
Wie Shirin David wohl ungeschminkt aussieht? Bevor sich gehässige Klatschblätter oder Neider diese Frage stellen, liefert David lieber selbst die Antwort: In der Show „Late Night Berlin“ verriet sie, dass sie ohne Make-up aussehe wie der Fußball-Superstar Erling Haaland (Manchester City). Der 23-jährige Norweger schickte ihr vor ein paar Tagen eine Videobotschaft, in der er ihr alles Gute für ihre Tour wünschte. Ihre vor Glück sprühende Reaktion voller Gekreische und Tränen postete sie auf Instagram.
Grenzenlose Frauenpower in der ausverkauften Barclays Arena in Hamburg
Ihre Anhängerinnen wollen sie aber nicht nur auf Social Media, sondern endlich auch mal live erleben. Die Frauenpower in der ausverkauften Arena ist am Donnerstagabend schon, bevor es losgeht, deutlich zu spüren. Das Publikum ist zum großen Teil weiblich, viele tanzen in selbstbewussten, toll aussehenden Outfits zu dem Support-Act NXN.
Die beiden weiblichen DJs legen nicht nur Hip-Hop und Deutsch-Rap-Tracks auf – sie bewegen sich dazu auch gekonnt. Die Fans singen (fast) alles textsicher mit –, auch als „Atemlos“ von Helene Fischer gespielt wird. „Das Beste kommt zum Schluss, Hamburg!“, ruft Josi, die 20-jährige Rapperin aus Frankfurt, die als weiterer Support-Act auftritt und eine Bühnenpräsenz hinlegt, als wäre sie schon lange und nicht erst seit Kurzem im Business.
Shirin David in Hamburg schwebt im schwarzen Latex-Anzug im Raum
Um 21 Uhr schwebt Shirin David in den Raum – wortwörtlich sitzt sie auf einer Schaukel zehn Meter über der Bühne. Etwas statisch, aber sexy im schwarzen Latex-Anzug rappt sie ihren ersten Song: „Babsy Bars“. „Die deklarier‘n ein‘n Minirock zu maximaler Schande
Doch ‚ne Frau mit Grips im Kopf wird abgetan zu ‚ner Emanze“, singt sie. Ihre „Bad-Bitch-Rolle“ hat sie sich selbstbestimmt erwählt: Gerne freizügig, gerne aufgetakelt, in ihren Texten stets frech und feministisch.
„Moin Hamburg. Ich hab mich so auf euch gefreut“, gesteht Shirin in rührender Stimme. Dann gibt sie erst mal Komplimente an ihre Fans, holt eine Frau sogar auf die Bühne, macht Fotos und umarmt sie. David zieht die Show nicht einfach nur eiskalt durch, sie nimmt sich Zeit, zeigt sich nahbar und authentisch. Während sie singt, spielt sie mit ihrer Mimik, zwischendurch pausiert sie den Gesang, um zu tanzen.
Shirin David hat als Kind schon Klavier, Geige und Oboe gespielt
Die Sängerin aus Hamburg, die mit bürgerlichem Namen Barbara Shirin Davidavičius heißt, ist schon früh in die musikalische Welt eingetaucht. Doch dass sie mal im Rap und Hip-Hop landen wird, ist aus ihrem Werdegang nicht herauszulesen: Als Kind spielte sie Klavier, Geige und Oboe, zudem nahm sie Tanzunterricht an der Ballettschule John Neumeiers.
In ihrem Song „Bramfeld Storys“ beschreibt sie ihre Jugend in der Hansestadt: Wenig Geld, Vater fast nie da, sechsmal die Schule gewechselt, später in ungesunden Beziehungen mit Männern gelandet. 2014 ist sie durch ihren YouTube-Kanal bekannt geworden, anschließend saß sie bei der RTL-Show „Deutschland sucht den Superstar“ in der Jury, in diesem Jahr drückt sie bei „The Voice Of Germany“ auf Sat1 auf den Buzzer.
Barclays Arena: Ihr neuer Song „Lächel doch mal“ polarisiert auf YouTube und Social Media
Ihr letztes Album „Bitches brauchen Rap“ erschien im November 2021 – doch da die Bitches auch im Jahr 2023 noch Rap brauchen, brachte sie im Mai ihren neuen Song „Lächel Doch Mal“ heraus. Der provokante Text und das zugehörige Video schlugen einige Wellen, neben Begeisterung gab es auch viel Kritik. Der Musikclip zeigt Männer, die auf der Straße von Frauen gecatcalled, im Fitnessstudio begafft und begrapscht, und beim Abendessen degradiert werden.
Das Lied thematisiert sexuelle Belästigung – nur dass Shirin David den Spieß umdreht und auf aggressive Art darstellt, wie es wäre, wenn Männer unter dem leiden würden, was Frauen leider immer noch tagtäglich erleben. „Gehst du wie ne Schlampe raus, musst du dich nicht wundern“, heißt es im Text, sowie „Schau nicht böse, lach doch mal“. Eine Anspielung darauf, dass einige Männer die Erwartungshaltung haben, dass Frauen doch bitte immer harmonievoll, lieb, und fürsorglich sein – und dabei natürlich stets gut und fröhlich aussehen sollen.
Shirin David: Kein Widerspruch zwischen Feminismus und Minirock
Pusteblume: Shirin David kann damit so gar nichts anfangen. Sie hat ihren Stil und lebt ihn auch. In roten Latex-Klamotten performt sie den Song, zehn Tänzerinnen unterstützen ihren Auftritt. Einmal mehr macht sie deutlich, dass knappe Kleidung, lange Fingernägel und Schönheits-OPs kein Widerspruch zu einer feministischen Einstellung sind. Warum auch?
Also sorry, aber – wer die Message ihres Songs „Lächle Doch Mal“ nicht versteht und dies als Männerhass oder gar Aufruf zur sexuellen Gewalt gegen Männer versteht – wie leider einige auf Social Media – der ist wohl mit 90-prozentiger Wahrscheinlichkeit keine Frau und hat sich noch nie mit Misogynie oder den Auswirkungen des Patriacharts beschäftigt.
Barclays Arena: Berührender Moment: Heiratsantrag auf der Bühne
Der Song „Gib Ihm“ mit über 105 Millionen Streams auf Spotify darf auf der Tour auch nicht fehlen – die ganze Halle rappt mit. Ohnehin ist der Auftritt von Shirin und alles drum herum nicht gerade bescheiden. Mal kommt sie im Jetski auf die Bühne gefahren, Feuersäulen fauchen hinter ihr auf, nach fast jeder Pause kommt sie in einem neuen ausgefallenen Outfit zurück. Den Fans wird einiges für ihr Geld geboten.
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Doch was ihre Show besonders macht ist die Stimmung: Die Begeisterung des Publikums und die daraus folgende Gerührtheit Davids gehen unter die Haut, wartende Tränen sind schwer zu unterdrücken. Und dann kommt der Moment, in welchem die Tränen nicht mehr zu halten sind: Ein Mitarbeiter aus Shirin Davids Team macht seiner Freundin einen Heiratsantrag vor 12.000 Menschen. „Ich liebe dich mehr als gestern und weniger als morgen“, sagt er und freut sich über ihr Ja-Wort. Viel Emotionalität an diesem Abend.
Shirin David in Hamburg: Die Afterparty zum Konzert steigt im Mondoo
„Ich darf das“ in der Version mit Rapperin Josi ist ihr letzter Song. Es ist gerade mal 22.45 Uhr: Wer sich während des Konzerts die ganze Zeit dachte: „Lieben wir“ und noch absolut nicht nach Hause will – immerhin ist es Donnerstag, wie alle wissen, ist an diesem Wochentag Eskalation durchaus erlaubt – für den gibt es gute Nachrichten: Die Party geht weiter, und zwar im angesagten Club Mondoo auf der Reeperbahn bei der „Official Concert Afterparty“. Und wer Shirin David und ihre Fans kennt, weiß, dass die Party vom Volkspark einfach nur auf den Kiez umgezogen ist.