Hamburg. Im Literaturhaus gab es einen Bestsellerautor zu bestaunen. Und Simone Buchholz. Es ging um spezielle Dates, Cognac, Heringe. Wow.

Hallgrímur Helgason. Ein Name wie Donnerhall. Könnten tatsächlich die Freundinnen und Freunde der nordeuropäischen Literatur gedacht haben, als sie ins diesjährige Programm der Nordischen Literaturtage geschaut haben. Der klingt so schön nach Geysiren und heißen Quellen, nach nordmännischer Kernigkeit. Apropos, vielleicht fiel bei der Durchsicht der Lesungen im Literaturhaus aber auch auf, dass der weibliche Anteil der Gäste aus Dänemark, Schweden, Norwegen, Finnland und Island stark überwog.

Es war nicht zum Nachteil der von Lena Dircks und Carolin Löher kundig kuratierten Veranstaltungsreihe. Das kleine Festival gibt es seit 1986, es ist ein Schmuckstück im kulturellen Veranstaltungskalender der Stadt. Eines der übersichtlichen Formate, auf das sich das Literaturhaus so gut versteht. Augenscheinlich – der Eddy-Lübbert-Saal war an allen vier Veranstaltungstagen voll. Auch beim isländischen Starautor Hallgrímur Helgason, dem der Abschluss der Nordischen Literaturtage vorbehalten war.

Nordische Literaturtage: Das Literaturhaus brummte an allen vier Tagen

Er war nicht zum ersten Mal auf der Literaturhaus-Bühne, im Gegenteil. Der nach Björk zweite Abgesandte isländischer Kultur in dieser wieder hochtourigen Hamburger Entertainment-Woche war schon ein paar Mal am Schwanenwik. Man weiß, dass dieser Mann hier gut ankommt. Helgason war auch nicht allein auf der Bühne, Simone Buchholz leistete ihm Gesellschaft. Was die Hamburger Literatur-Institution dafür qualifizierte?

Hallgrimur Helgason trägt auf Isländisch vor, Simone Buchholz (r.) liest auf der Leinwand die Übersetzung.
Hallgrimur Helgason trägt auf Isländisch vor, Simone Buchholz (r.) liest auf der Leinwand die Übersetzung. © Literaturhaus | Daniel Müller

Sie hat zuletzt einen höchst unterhaltsamen Roman über eine surreale Fahrt mit einer Nordatlantikfähre vorgelegt. Buchholz hatte im Abendblatt bereits vor der Veröffentlichung von „Unsterblich sind nur die anderen“ von ihren Recherchen erzählt. Im Literaturhaus tat sie das erneut und noch elaborierter; zur Pläsier des Publikums. Buchholz bestieg, so berichtete sie, eine Fähre nach Island. Die Wellen: neun Meter hoch. Die Rettung: stark dosierte Pillen. Eigentlich eine Art von Antidepressivum, so Buchholz, auf höchster See aber dem Anschein nach vor allem ein extrem relaxender Stoff, der für beste Stimmung sorgte.

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Hallgrímur Helgason war genauso gut, als es um wackelige Fahrten über das Nordmeer ging. Und mit noch mehr Körpereinsatz dabei. Das gefiel dem Publikum fast so gut wie Helgasons überaus engagierte Lesung aus dem isländischen Originaltext. Der 64 Jahre Autor mit dem Talent für spezielle Buchtitel („Zehn Tipps, das Morden zu beenden und mit dem Abwasch zu beginnen“) stellte diesmal den zweiten Band seiner Island-Trilogie vor. „60 Kilo Kinnhaken“ hat wie sein Vorgänger „60 Kilo Sonnenschein“ den wichtigsten isländischen Literaturpreis abgestaubt. Der Schriftsteller und Künstler Helgason hat mal in München gelebt. Was bedeutet, dass ihm die deutschen Sätze von Buchholz nicht übersetzt werden mussten.

Island-Fan Buchholz pries die Fortschrittlichkeit des kleinen Landes

Die fröhliche Schweizer Skandinavistin Ursula Giger schaffte es an einem fröhlichen Abend, beide Autoren gleichermaßen ins helle Licht zu rücken. An einem dunklen, stürmischen Abend versetzte man sich als Zuhörender gerne in die Romanwelten. Bei Helgason geht es vordergründig um Heringe in Segulfjörður und tatsächlich um den Prozess der Moderne, der in Island spät, aber gewaltig einsetzte. Island, rückständig? Lange her. Island-Fan Buchholz pries die Fortschrittlichkeit des kleinen Landes. Ein idealer Ort! So hoch entwickelt, so wenig Morde zum Beispiel, kaum Kriminalität.

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Eine Vorlage für Helgason („Wir sind so wenige, wir dürfen uns nicht töten“) und Giger, die nun beim amüsierten Publikum grundsätzliche Aufklärung und Landeskunde betrieben. Demnach gibt es in Island zum Beispiel eine App für den Vorgang des Paarens. Alle sind irgendwie miteinander verwandt, da muss man erst mal überprüfen, ob diese Verwandtschaft nicht zu groß ist. Dating-Regeln, wichtige Sache.

Nordische Literaturtage: Am Ende gab‘s den Cognac-Tipp

Simone Buchholz sprach übrigens irgendwann tatsächlich vom „Durchdrehen“. Meinte aber diesmal nicht ihre Begeisterung für die kleine Insel, sondern den Freistil beim Verfassen ihres Romans. Endlich keine Krimis mehr, das war ja die Losung, zehn Chastity-Riley-Fälle sind genug. „Ermitteln wird irgendwann langweilig“, teilte Buchholz lapidar mit und verwies auf ebenjenes formale und inhaltliche „Durchdrehen“, das sie sich beim Verfassen von „Unsterblich sind nur die anderen“ gestattet habe. Das Buch, an dem sie gerade arbeite, werde übrigens „aufgeräumter“ sein, berichete Buchholz dann noch.

Hallgrimur Helgason zählt zu den wichtigsten isländischen Autoren.
Hallgrimur Helgason zählt zu den wichtigsten isländischen Autoren. © picture alliance/dpa/CTK | Roman Vondrous

Am Ende der Nordischen Literaturtage, die mit Erzählungen aus dem Norden dieses Erzählen kurzweilig und, aber ja, exzessiv feierten, kam noch Hochprozentiges ins Spiel. Moderatorin Giger empfahl für die Buchholz-Lektüre eine Bar „mit knackigen Menschen“. Und für Hallgrímur Helgason Sofa, Socken, isländischen Moos-Tee. Außerdem unbedingt Cognac. Lesen braucht manchmal tatsächlich ein geeignetes Setting, dachte man, verließ das Literaturhaus in die dunklen Sturmböen und fühlte sich nordischer als sonst.