Hamburg. Die Schwedin spielte in der Elbphilharmonie Werke von Skrjabin, Liszt und Catoire – hochvirtuos und hintergründig.

Diese Musik hat nichts von ihrer Sogkraft eingebüßt: Das Sehnen, Schmachten und Schwelgen in Isoldes Liebestod entfacht auch 160 Jahre nach der Entstehung von Wagners „Tristan“ noch ein gewaltiges Suchtpotenzial, selbst ohne Orchester, in der Klavierbearbeitung von Franz Liszt. Zumindest, wenn die Hörer so unwiderstehlich in die Steigerungswellen hinein gezogen werden wie von Maria Lettberg. Die schwedische Pianistin beherrscht die Kunst der kalkulierten Ekstase perfekt, die immer noch ein Stückchen mehr hinausgezögert, noch einen Takt weiter vorenthalten wird, bis endlich, endlich die Erlösung kommt.

Isoldes Liebestod war ein Höhepunkt des Soloabends im Kleinen Saal der Elbphilharmonie unter dem Motto „Eros und Thanatos“, der dem Grenzbereich von Liebes- und Todestrieb nachspürte. Dafür verzahnte Lettberg wenig bekannte Klavierwerke von Alexander Skrjabin, Georgi Catoire und eben Franz Liszt zu einem ebenso sinnigen wie sinnlichen Programm – und tauchte immer wieder in die morbiden Abgründe der Spätromantik hinab.

Die Musik von Skrjabin liegt der Pianistin besonders am Herzen und in den Fingern, das artikulierte sie nicht nur in drei kurzen Zugaben. Maria Lettberg verfügt über genau die Anschlagskultur, die es ihr erlaubt, den Nuancenreichtum des Komponisten abzubilden. Hier ein kolibrizartes Flügelflattern im Diskant, da ein paar huschende Akkorde im Mittelbau des Instruments. Und plötzlich, im düster-dämonischen Grummeln der Sonate Nr. 9 („Schwarze Messe“), ein Ausbruch, in dem sich die angestaute Energie entlädt.

Maria Lettberg geht es nie um den Effekt

Das ist schon hochvirtuos, aber nicht auf die vordergründige Art. Ein Stück wie Liszts „Nuages gris“ („Trübe Wolken“) entzieht sich den Erwartungen an blitzenden Tastenglitzer, mit kargen, teilweise einstimmigen Tonfolgen. Und auch Georgi Catoire – Namenspatron der Catoire Musikinitiative, die ihre Konzertreihe im Kleinen Saal selten aufgeführten Komponisten aus Osteuropa widmet – greift selten in die Vollen.

Seine kurzen Préludes, Etüden und Chants durchstreifen melancholische Stimmungen und die Welt der Zwischentöne. Jenen Bereich also, in dem Maria Lettberg sich besonders wohlfühlt. Auch wenn sie fraglos die Kraft hat, um den Raum mit wuchtigen Klängen zu füllen.

Dabei geht es ihr aber nie um den Effekt. Der Eindruck, dass ihr der glamouröse Teil des Pianistinnendaseins eher fremd ist, wird durch die disziplinierte Körpersprache und den Verzicht aufs ständige Auf- und Abgehen noch bestärkt. Ein stimmiger, ungemein dichter Klavierabend mit einer beeindruckenden Musikerpersönlichkeit.