Hamburg. Die Londoner Neo-Soul-Band brachte 3500 Fans mit einem kompakten Konzert zum Tanzen. Das hätte durchaus mehr Publikum verdient gehabt.
Das Londoner Neo-Soul-Duo Jungle hat immer ein gutes Timing, wenn es Hamburg besucht. Ob im Mai 2022 in der ausverkauften Fabrik oder am Montag in der Sporthalle: Wenn es draußen richtig fies ungemütlich ist, windig, nass und klamm, dann zaubern Josh Lloyd-Watson und Tom McFarland mit ihrer Band und Co-Sängerin Lydia Kitto den Sommer in Hallen und Herzen. So geht das bereits seit zehn Jahren und auf vier Alben, im August erschien der aktuelle Langspieler „Volcano“.
Sommer, Sonne, Partystimmung. Das ist gar nicht so einfach zu erwecken in einer nur halb gefüllten Sporthalle mit schwarz abgehängten Sitzrängen. 3500 Fans sind gekommen, ertragen das affektierte Gedudel von Gitarren-Playback-Alleinunterhalter LA Priest (gilt für alle Artverwandten: sucht euch eine Band, verdammt!) und vertreiben sich die Zeit. Einer der wenigen Gäste ohne Hipster-Schiffermütze trocknet seine regennassen langen Haare auf den Toiletten im Händetrockner. Dann kann es losgehen.
Jungle-Konzert: 85 kompakte Minuten in der Sporthalle Hamburg
„Us Against The World“, „Candle Flame“ und „Dominoes“ eröffnen den kompakten, 85 Minuten langen Abend. Und wie schon in der Fabrik klingen Jungle mal wie ein DJ-Set mit Bandbegleitung, mal wie eine Band mit DJ. Zackige Übergänge, schnellstmögliche Ansagen, und weiter geht es im Beat, Beat, Beat. Disco, House, Italo-Pop, Soul, Funk, Acid werden mal mehr, mal weniger durcheinanderkombiniert. Die Falsettgesänge von Josh Lloyd-Watson und Tom McFarland führen zurück zu den Bee Gees, während Lydia Kitto die klassische Disco- und Soul-Chanteuse gibt.
So gerät die Sporthalle ziemlich schnell in Bewegung. Palmenohrringe baumeln vor den eingeblendeten 80er-Jahre-Mustern entweder in Rot, Orange und Gelb oder in Schwarz-Weiß. Ibiza trifft „Miami Vice“ oder auch Los Angeles, wenn Rapper Channel Tres – straight outta Compton – bei „I‘ve Been In Love“ auf der Leinwand erscheint. Aber retro ist doch schöner bei „Back On 74“, „Casio“ oder der James-Bond-Nummer „Time“.
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Bei „Coming Back“ fliegen Wasserbälle und Aufblastiere über die Hände des Publikums, und Jungle zieht das Tempo immer mehr an. „All Of The Time“, „Holding On“ und „Good Times“ sind schon beinahe am Raven, und als vor den Zugaben „Keep Moving“ und „Busy Earnin‘“ die Ersten gehen, freuen sich die Verbliebenen: Jetzt ist noch mehr Platz da, um die besten, verrücktesten oder ambitioniertesten Tanzschritte und -figuren auszuprobieren und ins Schwitzen zu geraten. Da wird noch der eine oder andere Kopf, die eine oder andere Wollmütze in den Händetrockner gehalten werden.