Hamburg. Der Choreograf Damien Jalet und der bildende Künstler Kohei Nawa bringen auf Kampnagel ihre Kreation „Planet (Wanderer)“ auf die Bühne.

Der französisch-belgische Choreograf Damien Jalet zählt zu den maßgeblichen jüngeren Vertretern des internationalen Gegenwartstanzes. 2019 zeigte er auf Kampnagel das furiose „Omphalos“, in dem er mexikanische Tänzerinnen und Tänzer auf einer gigantischen Satellitenschüssel positionierte und sich bereits als meisterlicher Schöpfer skulpturaler Bildwelten empfahl.

Nun kehrt er mit „Planet (Wanderer)“ auf die große Kampnagel-Bühne zurück. Die Choreografie ist nach „Vessel“ (2015) bereits die zweite Zusammenarbeit mit dem japanischen bildenden Künstler Kohei Nawa – eine düstere Parabel über die menschliche Spezies und den Planeten.

„Planet (Wanderer)“ auf Kampnagel: Jalet vertanzt unsere zerbrechliche Beziehung zur Erde

Aus einem schwarz glänzenden, fast vulkanisch anmutenden Boden schälen sich die Tänzerinnen und Tänzer, wiegen sich, erst ab den Knien aus der Erde ragend wie Schilfgras im Wind. Gleich einer beweglichen Skulptur gleiten die Impulse von einem zum nächsten, eine Geste beeinflusst die andere. So organisch die Bewegungen wirken, erzählen sie doch von der Zerbrechlichkeit der Beziehung zwischen Mensch und Erde. Von einem Leben, das sich auf eine ungewisse Zukunft zubewegt.

Die Atmosphäre ist düster und konzentriert. Die elektronische Musik des Komponisten Tim Hecker fügt organische, mitunter auch sphärische Klänge und Geräusche hinzu. Später finden sich die Tanzenden in einer Landschaft aus schwarzem, fossil anmutendem Staub wieder, der vielleicht von einem Meteoriten stammen könnte, aber auch an einen Zen-Garten erinnert. Schließlich erobern sie sich die Bühne, gewinnen Bewegungsfreiheit jenseits ihrer Gefangenschaft in diesen unterirdischen Höhlen, finden Strategien, an der Oberfläche zu bestehen, bevor sie sich in einem dramatischen Finale weiteren Elementen gegenübersehen.

Auch der bildende Künstler Kohei Nawa arbeitet mit organischen Materialien

Das Duo Jalet/Nawa kreiert bei aller Finsternis grandiose Bilder. Das achtköpfige Ensemble begeistert mit absoluter Körperbeherrschung. Eine Arbeit, die in ihrer Originalität einzigartig in der Tanzwelt steht und sich tief in die Erinnerung des Betrachters einbrennt. Kraftvoll verbindet sie Schönheit, Überwältigung, Abstraktion in einer Art Körperritual, das sich aus Vergangenem speist, aber doch auf die Zukunft verweist.

Das Wort „Planet“ hat im Griechischen übrigens die gleiche etymologische Bedeutung wie das Wort „Wanderer“. Aus dieser Entdeckung heraus entwickelte Jalet die Idee für die Tanz-Performance. Als er Kohei Nawa 2013 begegnete, habe er sogleich die Möglichkeit einer gemeinsamen Sprache gespürt, sagt Damien Jalet. Auch Nawa arbeitet mit organischen Materialien, mit sich verändernden Zuständen. Jalet ist zudem fasziniert vom japanischen Animismus, also dem Glauben, dass die Dinge der Natur beseelt sind. „Planet (Wanderer)“ behandelt vor allem das sich wandelnde Verhältnis des menschlichen Körpers und der Natur – auch und gerade im Angesicht des Klimawandels.

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Jalet, der zunächst Schauspiel in Brüssel studierte und sein Spektrum später um Modern Dance in Brüssel und New York erweiterte, hat als Choreograf, neben seinen eigenen Arbeiten, für Hochkaräter der Branche gearbeitet wie Eastman, Akram Khan, Erna Ómarsdóttir oder Sasha Waltz. Mit Sidi Larbi Cherkaoui und Les Ballets C de la B kreierte er die Produktion „Rien de Rien“, die 2001 zahlreiche Preise gewann. Der vielseitige Künstler schuf außerdem Choreografien für Luca Guadagninos Film „Suspiria“ wie für Madonnas „Madame X“-Tour.

„Planet (Wanderer)“ 7. bis 9.12., jeweils 20.00, Kampnagel. Karten zu 9,- bis 44,- unter T. 27 09 49 49; www.kampnagel.de