Hamburg . Der belgisch-französische Choreograf Damien Jalet zeigt seine erste große Solo-Arbeit in Hamburg. Publikum feiert tänzerische Reise.
Mit einem Lichtstrahl fängt es an. Er scheint aus einem Loch der gigantischen Teleskopschüssel (Bühne: Jorge Ballina) zu strahlen, die langsam auf der Bühne der großen Kampnagel-Halle ihre Kreise zieht. Mit der nächsten Drehung stehen vier zottelige, farbig gewandete Adlerwesen in dem Halbrund. Bald ziehen sie archaische, am Kopf an langen Schläuchen hängende Wesen wie an einer Nabelschnur aus dem Loch.
Mit kleinen Erzählungen oder L’Art pour l’Art gibt sich der belgisch-französische Choreograf Damien Jalet in seiner ersten großen Solo-Arbeit nicht ab. Er zelebriert in der Europapremiere von „Omphalos“ gleich einen kosmischen Menschheitsreigen. Frei nach jener griechischen Erzählung, in der Zeus zwei Adler zu einem „Nabel der Welt“ sendet. Weil die Produktion in Mexiko-Stadt mit den famosen Tänzerinnen und Tänzern des Ensembles Ceprodac entstand, hat Jalet tief in präkolumbianischen Mythen geforscht. Bald stieß er darauf, dass Mexiko „Nabel des Mondes“ bedeutet. Und Jalet hatte den Ausgangspunkt für seine eindringlichen, schlüssigen Bilder gefunden.
Tänzer dürfen ein ganzes buntes Menschenleben durchleben
Die achtzehn archaischen Wesen häuten sich zu blau-rot bemalten Schlangenmenschen, die rhythmisch atmend zu den hypnotischen Klängen von Ryuichi Sakamoto und Marihiko Hara spiralförmig und scheinbar gegen die Gesetze der Schwerkraft antanzen. Die Bewegungen fließen dabei organisch ineinander, die Körper bilden mal ein taumelndes, mal ein vibrierendes Gebilde. Sie erzählen auch von Zusammenhalt, von gegenseitigem Halt im Kampf gegen die Gravität. Die vier Adler verkörpern, an der Teleskopschüssel hängend, die vier Himmelsrichtungen.
In den tollen Streetwear-Kostümen von Jean Paul Lespagnard dürfen die acht Tänzerinnen und Tänzer zunächst ein ganzes buntes Menschenleben durchleben. Bevor sie sich den Gesetzen des Kosmos am Ende ergeben müssen und in den Nabel der gigantischen Schüssel regelrecht eingesogen werden.
Damien Jalet, empfiehlt sich mit großer Präzision
„Omphalos“ ist eine faszinierende, vom Premierenpublikum euphorisch gefeierte tänzerische Reise. Sie entfaltet stellenweise eine Magie vergleichbar mit Stanley Kubricks Filmklassiker „2001 – Odyssee im Weltraum“, vor allem deshalb, weil die Choreografie die entscheidenden Fragen stellt und eine Vielzahl an Assoziationsräumen öffnet. Damien Jalet, der bereits mit Größen wie Sidi Larbi Cherkaoui und Marina Abramovic gearbeitet hat, empfiehlt sich mit starken Kollaborateuren, großer Präzision und einem ganz eigenen Bewegungsrepertoire für weitere große Solo-Arbeiten.