Hamburg. Zum 100. Geburtstag der wohl berühmtesten Opernsängerin aller Zeiten richtet Gesangsspezialist Jürgen Kesting ihr einen Abend aus.

Das Phänomen Maria Callas ist eines des 20. Jahrhunderts. Die Frau mit dem einzigartigen Ausdrucksfuror, der faszinierend facettenreichen Stimme und dem verfilmungswürdigen Privatleben kam zur rechten Zeit. Ihre Karriere fiel mit dem Siegeszug der Langspielplatte zusammen.

Jeder konnte die Primadonna assoluta nun in seinem Wohnzimmer leiden, lieben und triumphieren hören. Bis heute überbieten einander Fans und Fachleute in Superlativen, stürzen sich die Aficionados auf jede Raubkopie und die Klatschmäuler auf jedes Gerücht.

Staatsoper Hamburg: Jürgen Kesting bringt Maria Callas besonderes Geburtstagsständchen

Wenige sind mit Callas‘ Stimme so vertraut wie Jürgen Kesting, langjähriger Musikkritiker und Autor des vierbändigen Werks „Die großen Sänger“. Sänger – und natürlich Sängerinnen – sind sein Lebensthema. Anlässlich Callas‘ am 2. Dezember bevorstehenden 100. Geburtstag widmet er ihr einen Abend auf der Probebühne 1 der Staatsoper, an dem er dem Geheimnis ihrer Kunst, aber auch ihrer Biografie anhand historischer Tonaufnahmen nachspürt.

„Casta Diva“ ist die Veranstaltung überschrieben, nach der berühmten Arie der Norma aus Vincenzo Bellinis gleichnamiger Oper. Das war Callas‘ Paraderolle, sie hat sie 89-mal auf der Bühne gesungen. Beim Blick auf heutige Spielpläne ist es kaum vorstellbar, dass der italienische Belcanto, der Ziergesang mit all seinen Stauungen, Rückungen und Seufzern, mit seinen Kadenzen und Arabesken im Dornröschenschlaf lag, bevor Callas die Bühne betrat. Sie hat dieses Repertoire wachgeküsst, all die Donizettis und Rossinis in ihrer Diskografie spiegeln es wider.

Maria Callas‘ Kräche mit selbstbewussten EMI-Produzenten Walter Legge sind Legende

Kesting kann auf eine üppig dokumentierte Künstlerbiografie zugreifen. Ihre Aufnahmen erschienen bei EMI; ihre Kräche mit dem berüchtigt selbstbewussten Produzenten Walter Legge sind Legende. Das Label ist untergegangen, die Klassiksparte wurde verkauft, aber die Backlist ist noch vorhanden. Selbst die entlegensten Aufnahmen sind inzwischen in digitaler Aufbereitung erhältlich, darunter Kuriosa wie der „Liebestod“ aus Wagners „Tristan und Isolde“ in italienischer Sprache. Das war eine Jugendsünde. Callas sollte zeitlebens keine Wagner-Sängerin werden.

Ihr weites Vibrato hat Kritiker und Spötter schon früh auf den Plan gerufen. In ihren späteren Jahren nahm es auf Spitzentönen mitunter einen beängstigenden Ausschlag an. Wobei, „spät“ ist relativ. Bei der „Norma“-Aufnahme von 1960 war sie noch keine 40 Jahre alt. Das ist selbst für eine Sopranistin noch kein Alter. Doch Callas’ Stimme hatte ihren Zenit hörbar überschritten.

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Dafür lotete ihre vokale Figurendarstellung tiefer als je zuvor. Ihr Stimmklang, wie scharf oder unausgeglichen er damals gewesen sein mag, war unverwechselbar. Callas‘ Kunst, einem Text durch einen beständigen subtilen Wandel der Klangfarbe bis in jede Nuance Gestalt zu verleihen, ist unerreicht geblieben. Zu Herzen geht eben nicht Perfektion, sondern der persönliche Ausdruck. Und dem hat Maria Callas alles andere untergeordnet, ohne sich zu schonen. Nur diese Unbedingtheit kann die andauernde Faszination erklären.

Wohl niemand wird umhinkönnen, durch die kompromisslose Hingabe an das Seelenleben ihrer Figuren hindurch Callas‘ eigenes Schicksal zu hören. Ihr Leben spielte sich zwischen Jetset und tiefer Einsamkeit ab. Die Tragik ihrer Liaison mit dem Reeder Aristoteles Onassis kommt der einer Verdi-Oper nahe: Onassis spannte Callas erst ihrem Ehemann aus und verließ sie dann für Jackie Kennedy, die Witwe des ermordeten US-Präsidenten. Zwischendurch wäre er aber wohl doch ganz gern mal zurückgekommen. Sie soll ihn abgewiesen haben. Er starb 1975, sie nur zwei Jahre später mit 53 Jahren.

„Casta Diva: Zum 100. Geburtstag von Maria Callas“: 21.11., 19.30, Staatsoper (Probebühne 1). Karten zu 7,- unter T. 35 68 68; www.staatsoper-hamburg.de