Die Staatsoper feiert mit den Belcanto-Wochen ein Fest des verschwenderischen vokalen Wohlklangs
Was für ein tolles Wort: Belcanto! Das muss man sich mal so richtig auf der Zunge zergehen lassen. Belllcannnto. Aaaah, herrlich! Schmeckt irgendwie sinnlich, südlich, süffig. Und damit sind wir auch schon auf der richtigen Spur - denn der Begriff, zu Deutsch etwa "Schöngesang", beschreibt ja ein spezielles Klangideal der Musik (genauer gesagt: der Oper), das aus dem Süden stammt und die Sinne mit seinem süffigen Sound anspricht. Dieses Klangideal ist eng mit einer bestimmten Technik verknüpft. Laut Stimmpapst Jürgen Kesting sind es vor allem vier Merkmale, die den Belcanto-Gesang auszeichnen: "Die Reinheit und Feinheit des Tons, der gleichmäßig strömende Fluss des Legato, die dynamische Flexibilität und die Agilität für die Ausführung von Verzierungen."
Mit anderen Worten: Echte Belcantisten haben nicht nur ein wohlklingendes Timbre, sondern müssen ihre Stimme außerdem so beherrschen wie die besten Virtuosen ihr Instrument - und dabei bitte immer schön geschmeidig bleiben. Das ist wirklich viel verlangt. Deshalb gibt es auch nur eine eher überschaubare Anzahl an Sängern, die dieses Anforderungsprofil wirklich voll erfüllen. Sie zu erleben ist etwas Besonders - zumal, wenn es in geballter Form passiert, wie gleich zu Anfang der Saison in Hamburg: Da eröffnet die Staatsoper ihre neue Spielzeit mit den "Belcanto-Wochen", in denen sie italienische Opernklassiker des 19. Jahrhunderts mit internationalen Stars des Belcanto präsentiert.
Dazu gehört etwa Vesselina Kasarova: Die bulgarische Wahlschweizerin mit dem dunkelwarmen Mezzo-Klang ist ein Dauergast auf den wichtigsten Opern- und Konzertbühnen zwischen London, New York, Wien und ihrer Heimatstadt Zürich. Als ihre besondere Paraderolle gilt die Rosina in Rossinis "Barbier", die Kasarova auch bei ihren zwei Auftritten in Hamburg (16. und 18.9.) geben wird: Dann ist die privat eher zurückhaltende Sängerin als aufmüpfig-freches Mündel zu erleben.
Nahezu zeitgleich kommt eine Goldkehle der jüngeren Generation an die Staatsoper: die albanische Sopranistin Ermonela Jaho, die unter anderem am Londoner Covent Garden regelmäßig die Violetta in Verdis "Traviata" singt - und die nun in dieser Partie auch in Hamburg debütiert. Bei ihrem bittersüßen Bühnentod sinkt sie dann ihrem ebenfalls noch ziemlich jungen, aber bereits international renommierten Tenorkollegen und Landsmann Saimir Pirgu als Alfredo in die Arme (8. und 24.9.).
Für drei Traviata-Vorstellungen im November wird der Staatsopern-Starfaktor noch weiter erhöht: Da kehrt dann die "slowakische Nachtigall" Edita Gruberova an die Dammtorstraße zurück, um ihre Interpretation der Violetta zu singen, mit dem Mexikaner Ramon Vargas in der männlichen Hauptrolle (4., 8. und 12.11.).
Bei einem Programmschwerpunkt mit dem Titel "Belcanto-Wochen" darf natürlich Gaetano Donizetti nicht fehlen - seine "Lucia di Lammermoor", deren neue Inszenierung im Januar Premiere feierte, eröffnet die neue Spielzeit der Staatsoper Hamburg. Die Titelrolle der dreiaktigen Oper gilt als eine der schwierigsten Partien für dramatische Koloratursoprane, in der Sängerinnen wie Maria Callas, Joan Sutherland oder Renata Scotto geglänzt haben. Zu den herausragenden Lucia-Darstellerinnen der Gegenwart zählt Elena Mosuc. Die rumänische Sängerin ist dem Hamburger Publikum unter anderem aus ihren gefeierten Auftritten als Königin der Nacht, Musetta oder Gilda bekannt und hat die Lucia bereits unter anderem an der Deutschen Oper Berlin, in Zürich und München gesungen. In Hamburg steht ihr dabei mit dem polnischen Tenor Piotr Beczala als Edgardo ein nicht minder renommierter Partner zur Seite. (5., 11., 17.9.). Mosucs Landsmann Alexandru Agache ist ebenfalls Stammgast und präsentiert sein kerniges Timbre in zwei Vorstellungen als Verdis "Rigoletto" (6. und 16.11.).
In Donizettis "L'Elisir d'Amore" gibt der junge Tenor Stefan Pop als Nemorino sein Hamburger Debüt. Der Rumäne gilt europaweit als hochtalentierter Nachwuchstenor (7. und 22.9., 20.10.). Und für "La Fille du Regiment" kommt die Slowakin L'ubica Vargicova, die in Hamburg schon als Marie beeindruckte (19., 23. und 26.10.).
Bulgarien, Slowakei, Rumänien und Litauen: In östlichen Gefilden scheinen Belcanto-Stimmen besonders gut zu gedeihen - und das gilt erst recht für Sumi Jo aus Südkorea, die dreimal in Rossinis "Il Turco in Italia" zu erleben sein wird (5., 7. und 15.10.).
Am Ende der Festwochen werden die Opernfans dann wahrscheinlich durch die Stadt schweben und, von allerschönsten Klängen beseelt, "Belcanto" säuseln. Was für ein tolles Wort!
Belcanto-Wochen 5.9. bis 16.11., Staatsoper. Karten unter T. 35 68 68