Die Chronik des berühmten Hotels Vier Jahreszeiten erscheint bald als Buch - das Abendblatt druckt vorab Auszüge. Heute: Aristoteles Onassis als Gast und Geldgeber Hamburgs. Serie, Teil 3.

Aristoteles Onassis überraschte mit unkonventionellen Praktiken. Er verhandelte nicht hinter verschlossenen Türen, er lud seine Gesprächspartner in Fritz Haerlins Weinrestaurant Halali ein, war großzügig bei der Bewirtung, aber knallhart beim Preispoker. Wenn sie sich dann nach dem Menü und vielen Flaschen Champagner seiner Lieblings-Marke Dom Perignon aus den Vorräten von Fritz Haerlin endlich handelseinig geworden waren, fingen die Debatten am nächsten Tag erneut an, weil Onassis mit irgendeiner Vertragsklausel doch nicht einverstanden war.

Der mißtrauische Grieche faßte zu den Hanseaten allerdings soviel Vertrauen, daß er insgesamt 16 Tanker in Hamburg und Kiel bestellte. Er wurde als Lokalheld gefeiert, als der Mann, der den deutschen Schiffbau rettete und die Zuversicht stärkte, daß es in Deutschland wieder mit Macht bergauf gehe.

Sobald das Vier Jahreszeiten wieder eröffnet hatte, wurde es sein Wohnsitz, so oft er in Hamburg war. Und er kam nun häufig, auf jeden Fall zu den Stapelläufen, die jedesmal Anlaß zu großen Festen waren. Der große Stratege erwies sich bei den Vorbereitungen als detailversessener Planer, der mit Wonne Andenken aussuchte - Feuerzeuge, Spitzentaschentücher, Broschen mit Namen und Abbildung des neuen Schiffes.

Die spektakulärste Schiffstaufe fand am 25. Juli 1953 in Hamburg statt. Hier hatte er den größten Tanker der Welt bestellt. Bei den Howaldt-Werken wurde der 236 Meter lange und über elf Meter breite Supertanker gebaut. Kosten damals mehr als 25 Millionen Mark.

Zum Stapellauf war Onassis gemeinsam mit seiner Frau Tina, Sohn Alexander und Tochter Christina an die Elbe gekommen. Die Tochter sollte Taufpatin der "Tina Onassis" sein. Die Familie und der Stab des Reeders hatten mehrere Suiten im Vier Jahreszeiten belegt. Der Stapellauf war nicht nur ein Glanzpunkt für den Wirtschafts- und Schiffbau-Standort Hamburg, er war genauso ein gesellschaftliches Ereignis, bei dem kein Prominenter fehlen wollte.

Onassis genoß das Leben im Vier Jahreszeiten und überraschte das Personal mit seinen Marotten und skurillen Einfällen. Er war ein Nachtmensch, der nie vor Mitternacht in sein Zimmer ging. Mit dem Nachtportier Heinz Reinecker hielt er ab und zu ein Schwätzchen. Reinecker, ein Kieler, der jahrelang auf Jachten reicher US-Amerikaner als Steward gefahren war, sprach perfekt Englisch und war ein großer Spaßvogel. Ein Unikum, der einen guten Draht zu den Gästen hatte und sie mit einem schier unerschöpflichen Vorrat an Witzen amüsierte.

Eines Abends, es war schon nach Mitternacht und das Restaurant hatte geschlossen, saß Reinecker in seiner Loge, hatte es sich gemütlich gemacht und seine Butterstullen ausgepackt. Überraschend tauchte Onassis in der Halle auf. Mit einem Schwung beförderte Reinecker seine Brote unter den Tresen. Essen im Dienst war schwer verpönt, besonders vor den Gästen. Doch zu spät, Onassis hatte etwas mitbekommen und wollte nun wissen, was Reinecker da vor ihm versteckte. Der holte mit roten Ohren sein Brotpaket hervor. Der Grieche, der in die Halle gekommen war, um irgendwo noch etwas zu essen, fragte: "Darf ich mal beißen?" Er durfte und war begeistert: "Sag deiner Frau, solange ich in Hamburg bin, möchte ich jeden Abend auch so ein Brot für mich." Der Wunsch wurde selbstverständlich erfüllt.

1959 hatte sich eine große Liebesgeschichte im weißen Haus an der Binnenalster abgespielt. Ein Weltstar besuchte Hamburg - die Diva aller Diven, die göttliche Maria Callas. Der Start ihrer Deutschlandtorunee. Sie wohnte im Hotel Atlantic.

Zur gleichen Zeit reiste Aristoteles Onassis an, obwohl kein Schiff vom Stapel lief. Die gewitzten Portiers registrierten, daß Onassis auch keinen Konferenzservice für vertrauliche Besprechungen in seiner Suite buchte und auch keinen kleinen Saal für ein Arbeitsessen mit Geschäftsfreunden.

Plötzlich tauchte die Callas am Neuen Jungfernstieg auf. Den guten Beobachtern in der Loge wurde klar, welches Stück auf der großen Bühne des Hotels gerade gegeben wurde: Grieche sucht Griechin.

Kurz zuvor hatten sich die beiden auf dem Ball der Gräfin Castelbanco in deren venizianischem Palast kennengelernt. Maria Callas war der Ehrengast des Abends gewesen, und Aristoteles Onassis, der mit Frau Tina geladen war, hatte sie nicht aus den Augen gelassen.

Das Konzert in der Hamburger Musikhalle mit dem NDR-Symphonie-Orchester wurde zum Triumph für die Callas. Bei ihrem "Una voce poco fa" aus Rossinis "Der Barbier von Sevilla" hielt es die Hanseaten nicht mehr auf den Sitzen. Wie sehr Onassis seine Freundin hier noch feierte, blieb, jedenfalls für die Öffentlichkeit, geheim. [GROSSES GEFÜLLTES STERNCHEN] Das Buch erscheint bei Wunderlich / Rowohlt Verlag, Reinbek bei Hamburg, 1999 [GROSSES GEFÜLLTES STERNCHEN] Lesen Sie morgen: Berühmte Gäste