Hamburg. Mit 21 Bands zurück in der Spur: Das Überjazz Festival auf Kampnagel begeisterte sein Publikum mit großer stilistischer Vielfalt.
Es ist schon weit nach Mitternacht am Sonnabend als die Menge in der mittleren Kampnagel-Halle noch immer im Rhythmus groovt. Lokalmatador Carsten „Erobique“ Meyer setzt in einer unverhofften musikalischen Begegnung den mitreißenden Schlusspunkt des diesjährigen Überjazz Festivals. Vor drei Jahren urlaubte er in Kumasi in Ghana, besuchte einen Schlagzeuger und Produzenten – und traf dabei auf die Frafra-Gospelsängerin Florence Adooni. Das Ergebnis: Eine rasch anberaumte Kollaboration mit großer Band, die euphorisch arrangierten Afro-Jazz und Soul der nord-ghanaischen Savanne mit Erobiques sanft orgelnden Retro-Disco-Hymnen verbindet. Vor allem der gemeinsame Hit „Mam Tola“ reißt die Menge mit. Damit endet ein Festival, das sich nach einer verkleinerten Clubversion im vergangenen Jahr überraschend lebendig wiedergefunden hat.
Sorgfältig kuratiert von Heiko Jahnke weiß es um seine musikalische Nische, die noch zu entdeckenden, weniger am Mainstream orientierten Spielarten des Jazz und eine feine, erfreulich diverse, generationenübergreifende und oft sehr zugewandte Zuhörerschaft von immerhin 900 Besuchern. Bis auf die Auftritte von kleineren Bands des Münchner Labels Squama im Kampnagel-Club sind alle Konzerte gut gefüllt, das Publikum flaniert durch die drei Säle. Am Sonnabend bilden sich sogar kurzzeitige Einlass-Warteschlangen.
Überjazz Festival: Kampnagel hat seinen Überjazz-Groove zurück
21 Bands geben sich an zwei Tagen die Ehre. Das musikalische Spektrum könnte dabei kaum breiter sein. Die innovativsten Bands waren am Freitag zu erleben. Der Hamburger Silvan Strauss weiß am Schlagzeug mit Virtuosentum und innovativen Sounds zu überzeugen. Eine verführerische Mischung aus Jazz und Hip-Hop legt der US-Musiker Kassa Overall hin. Für die absolute Entdeckung des Abends sorgt dann aber Alabaster DePlume. Der Brite aus der aktuell angesagten Jazz-Metropole London, der erst zu einer eigenwilligen Publikumsbeschwörung anhebt, dann seine sehr originelle Mischung aus Saxofon, Schlagzeug und Bass abliefert, wandelt zwischen elegischen, meditativen Sounds und gesanglicher Spoken-Word-Performance. Wie ein Schamanenpriester hebt er sein Instrument und entlockt ihm unerhört zart hingetupfte Klänge, die nicht ganz von dieser Welt scheinen, während er lässig vor- und zurücktänzelt. DePlume huldigt seinem Ruf als Exzentriker des Jazz auch in Hamburg.
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Am Sonnabend präsentiert sich das Programm deutlich gefälliger und konventioneller. John Carrol Kirby berührt dabei immerhin mit „Forbidden Colours“ in Erinnerung an seinen Einflussgeber, den kürzlich verstorbenen Musiker Ryuichi Sakamoto. Web Max, eine Verbindung aus dem Pianisten Roberto Di Gioia alias Web Web und dem Rapper Max Herre, liefert einen euphorischen, mit wuchtigen Pianoklängen und elegantem Kontrabass gespickten, am Ende aber doch eher klassischen Jazz ab. Und als Headliner trumpft zu später Stunde der britische Trompeter Matthew Halsall mit einem sehr fein und hintergründig arrangierten und akkurat gebotenen Jazz auf.
Übrigens, der Termin für das nächste Überjazz Festival für 2024 steht. Der Vorverkauf hat bereits begonnen.