Hamburg. Die US-amerikanische Harfenistin gab ihr Hamburg-Debüt in der Elbphilharmonie und verbeugte sich vor großen Vorbildern.

Es sind riesige Fußstapfen, in die Brandee Younger tritt: die von Alice Coltrane (1937–2007) und Dorothy Ashby (1932–1986) – zwei Frauen, die den Jazz geprägt und die Harfe zu dem gemacht haben, was sie für die Younger Generation heute ist: ein vollwertiges Soloinstrument.

Doch in den seit Wochen restlos ausverkauften Kleinen Saal der Elbphilharmonie ist die 40 Jahre alte Amerikanerin nicht allein gekommen, sondern mit Bassist Rashaan Carter und Schlagzeuger Allan Mednard, der Triobesetzung, mit der sie im Sommer bereits bei den großen europäischen Jazzfestivals abräumte. Etwas, was an diesem Mittwochabend auch in Hamburg mühelos gelingt.

Brandee Younger: Dem Elbphilharmonie-Publikum wurde ganz warm ums Herz

Mit einer weniger bekannten Alice-Coltrane-Nummer steigt sie ein; Verbeugung vor einer Legende, aber nie als bloße Kopie, sondern mit ganz eigenem, lyrischem Ton. Mit großer Gelassenheit lässt Brandee Younger die Töne in den Saal perlen, ihre Begleiter sind zunächst einmal: Begleiter.

Das ändert sich aber schon mit „Love & Struggle“, der zweiten Nummer. Jetzt setzt vor allem Mednard am Schlagzeug ganz eigene Akzente, geradezu in einen Rausch spielt er sich beim folgenden „Unrest“, einer Komposition, die Younger zu Beginn der Corona-Pandemie schrieb, als in der Nähe ihrer Wohnung in New York immer wieder Demonstrationen stattfanden. Dazu liefert Carter die pulsierende Grundierung, erst am Stand-, später auch am E-Bass.

Doch bei aller temporären Aufgewühltheit strahlt dieses Konzert vor allem eine enorme Wärme aus, wozu auch die Lichtregie (der Saal ist halbdunkel) beiträgt. Man fühlt sich geradezu umarmt von den transparenten Harfenklängen, schwelgt in Coltranes „Turiya and Ramakrishna“ vom 1970er-Album „Ptah, The El Daoud“ oder in Ashbys „You‘re A Girl For One Man Only“, einem Archivfund, den die legendäre Harfenistin selbst nie eingespielt hatte.

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Zwischendurch erzählt Brandee Younger etwas zu den Stücken, bedankt sich für die Sympathiewellen, die sie bei ihrem ersten Hamburg-Besuch umspülen, und gibt dann mit starken Coverversionen noch zwei weiteren Vorbildern Raum: Stevie Wonder („If It‘s Magic“) und Marvin Gaye („I Want You“). Standing Ovations, als sie zum letzten Mal die Hände flach auf die Saiten der Harfe legt, um die Schwingungen zu stoppen und das Stück zu beenden.

Keine Frage, Brandee Younger hat mit ihrer Musik und ihrer Ausstrahlung auch die Herzen des Hamburger Publikums erobert. Wenn sie das nächste Mal kommt, dürfte sie ihr Weg wohl nicht mehr in den Kleinen, sondern in den Großen Saal der Elbphilharmonie führen.