Hamburg. In der Opera stabile der Staatsoper Hamburg hatte Adriana Altaras Inszenierung von „Händel‘s Factory“ mit dem Schauspieler Premiere.
Dass Gustav Peter Wöhler in der Rolle des Georg Friedrich Händel bei der Neuproduktion „Händel’s Factory“ an der Opera stabile nun einmal eine Idealbesetzung war, steht außer Frage. Dass er sein Potenzial aber kaum in ganzer Fülle ausschöpfen konnte, war eher dem brüchigen Konzept des Librettisten Christoph Klimke und der Regisseurin dieser Uraufführung,, Adriana Altaras, geschuldet. Beide hatten sich vorgenommen, aus der Erzählung „Georg Friedrich Händels Auferstehung“ von Stefan Zweig ein Bühnenstück für wenige Darsteller unter Verwendung originaler Instrumental- und Vokalmusik Händels mit neuen Texten zu machen.
Es geht darin um den in seinen letzten Lebensjahren todkranken Händel in seiner Londoner Zeit, dessen Schaffenskraft und Ruhm wegen nachlassender Kräfte zu schwinden drohten. Die Arbeit an seinem Oratorium „Messiah“ ließ ihn aber wieder aufleben und schließlich, nicht zuletzt wegen des „Hallelujah“-Chores, seinen Weltruhm begründen. Klimke und Altaras wollten es dabei aber nicht belassen und suchten nach einer Möglichkeit, die Unsterblichkeit Händels und die Zeitlosigkeit seines Werkes auf irgendeine Weise mit der Moderne zu verbinden. Wegen Händels für seine Zeit außergewöhnlich geschäftstüchtigen Wirkens als Unternehmer im Namen der Kunst verwandelten sie für ihren Plot daraufhin Händels ehemaligen Sekretär Johann Christoph Schmidt in die Pop-Art-Ikone Andy Warhol, der vergleichbar dem Star des Barockzeitalters auf der Suche nach Freiheit und Unabhängigkeit, aber eben auch nach guten Einnahmen war.
Opera stabile: Treffen sich Händel und Warhol im Opernhaus …
Für Händel hatten sie mit Wöhler und für Johann Christoph Schmidt mit dem ebenso toll spielenden Andreas Seifert Schauspieler besetzt, die zwischendurch auch ein wenig mitsangen. In den übrigen Rollen, die verschiedene Personen aus Händels und Warhols Zeit darstellten, waren neben der an der Opera stabile immer wieder gern auftretenden Sopranistin Gabriele Rossmanith die neue, aus Wien nach Hamburg gekommene Altistin Celine Mun, Ida Aldrian (Tenor) und die beiden Mitglieder des Internationalen Opernstudios Aaron Godfrey-Mayes (Bariton) und Grzegorz Pelutis (Bassbariton) zu bewundern.
Die Bühnenbildner „Georg&Paul“ arbeiteten mit einer langen Tafel, an der gespeist, dirigiert, gesungen, krank dahingesiecht und am Ende das Hallelujah gesungen wurde, während von oben Glasmosaike heruntergelassen wurden, auf denen die Worte „Triumph of Time and Truth“ zu lesen waren. Als besonderer Gag wurde diese Tafel zwischendurch auch mal auseinandergezogen, wodurch eine altertümliche Badewanne sichtbar wurde, in der verschiedene Personen, vor allem aber Händel, sich immer mal wieder erholen mussten. Alle Figuren waren in opernhafte Kostüme der Barockzeit gehüllt, und der Zuschauer wurde Zeuge von Händels Überarbeitung, seinen Auseinandersetzungen mit Sängerinnen und Sängern und schließlich seinem Zusammenbruch aufgrund eines Schlaganfalls.
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Johannes Harneit, der musikalische Leiter des Ganzen und Arrangeur der vielen von Mitgliedern des Philharmonischen Staatsorchesters gespielten Händel-Musiken, zitierte aus der Chaconne in C, Ouvertüre und Passacaille in g, Sarabande in A für Tasteninstrumente, aber auch aus „Judas Maccabäus“, dem Ohrwurm „Lascia, ch´io pianga“ und dem Kammerduett „Ahi, nelle sorti umane“, die aber mit komplett neuen Texten versehen waren.
Opera stabile: Am Ende fiel Händel so ganz aus seiner Zeit
„Die Farben und Aggregatzustände der Musik folgen“, so beschrieb es Harneit, „den szenischen Verläufen. Wir hören auch Proben von Musik, unfertige Stücke, Änderungen während des Komponierens, Träume und Visionen.“ All das war gut positioniert, aber dass Händel am Ende so ganz aus seiner Zeit fallen musste, plötzlich von Beethoven zu faseln begann, den er ja niemals kennen konnte, und dann in die bunte und Drogen konsumierende Welt Andy Warhols eintauchte, war dann aber kaum mehr nachvollziehbar.
Hinreißend war wieder einmal die Schlagzeugerin Lin Chen, die trommelnd in die Szene eingebunden war und wie Robin Hood um den Leib gegürtet einen Köcher trug, in dem sie anstelle der Bogenpfeile ein Arsenal an Schlagzeugschlegeln mit sich führte und damit auf Wände, Tische, aber auch die Rücken einzelner Mitspieler schlug.
Weitere Termine: 5. / 7. / 8. / 10.–12.11. Infos: www.staatsoper-hamburg.de