Hamburg. Der Geiger Joshua Bell spielte mit dem NDR Elbphilharmonie Orchester unter Alan Gilbert am Freitag im Großen Saal der Elbphilharmonie.
Dass man Tschaikowskys oft gespieltes Violinkonzert D-Dur op. 35 mit dem Artist in Residence des NDR Elbphilharmonie Orchesters Joshua Bell am Freitag einmal so grundlegend anders, so frisch und in jedem Takt von Neuem inspiriert zu hören bekam, war eine echte Überraschung.
Völlig mühelos und mit vielen agogischen und dynamischen Kontrasten gespickt flossen die klippenreichen Soli dem amerikanischen Geiger über die Saiten. Alan Gilbert am Pult ließ die Eleganz von Joshua Bells Spiel auf das ganze Orchester überspringen, ging bei den entschlossenen, das Tempo anziehenden Accelerandi der Solostimme vor allem vor der Solokadenz des Kopfsatzes zügig mit und nahm das groß besetzte Orchester bis hin zu einem hauchzarten Pianissimo kurz vor Satzende delikat zurück, um den herrlichen Ton Bells nie zuzudecken. Als der Zwischenapplaus dann schon nach dem ersten Satz losbrach, nutzte der Solist die Gelegenheit zu einer kurzen Pause und wischte sich bei all der Anstrengung mit einem Tuch die Schweißtropfen von der Stirn.
Elbphilharmonie: Joshua Bell brilliert mit dem NDR Orchester
In der Canzonetta hatten die Solo-Hornistin Claudia Strenkert sowie die erst seit August beim NDR Elbphilharmonie Orchester beschäftigte neue Solo-Flötistin Yeojin Han im Dialog mit Bell ihre großen Auftritte, die sie in Mahlers 5. Sinfonie Nr. 5 im zweiten Teil dann noch beeindruckender ausbauen konnten.
Als Konzertmeisterin hatte der NDR die Erste Konzertmeisterin des Gürzenich-Orchesters Köln, Natalie Chee, ausgeliehen, weil eine der exponierten Konzertmeisterstellen beim NDR noch immer nicht besetzt ist. Joshua Bell zögerte keine Sekunde, Chee später um Unterstützung bei der Zugabe zu bitten und beide spielten ein Prelude von Schostakowitsch, das in seinem ruhigen Verlauf einen wunderbaren Kontrast zum virtuosen Konzert-Parcours davor setzte.
Dirigent Alan Gilbert lässt Bells Eleganz auf das Orchester überspringen
Nach dem hochgelungenen Trompetensolo von Guillaume Couloumy im einleitenden Trauermarsch von Mahlers Fünfter holte Alan Gilbert mit dem Orchester zum ersten satten Fortissimo aus. Aber trotz der vielen Ausbrüche in diesem Werk nahm der Chef des Orchesters von allzu großer Schwere Abstand und reduzierte auch die für Mahler oft so typischen, jede vermeintliche Idylle negierenden Schärfen.