Hamburg. Das Ravi Coltrane Quartet im Großen Saal der Elbphilharmonie: ein bewegender Jazzabend voller Tiefe und Respekt.
Fast 60 Jahre liegt es zurück, dass John Coltrane zum letzten Mal in Hamburg auftrat. Am 25. November 1962 war das, in der Musikhalle. Aber selbst die akribischsten Archivare (und von denen gibt es bei Coltrane sehr viele!) haben bisher nicht herausfinden können, was damals gespielt wurde. Sogar das mehr als 800 Seiten starke Kompendium „The John Coltrane Reference“ muss in diesem Fall passen. Selbst Ravi Coltrane weiß das wohl nicht; erst drei Jahre später wurde der heute 57-Jährige geboren, kurz vor seinem zweiten Geburtstag starb sein Vater, der Mann, der den modernen Jazz prägte wie vielleicht kein anderer.
In den Großen Saal der Elbphilharmonie ist Ravi Coltrane nun gekommen, um nicht nur die Musik seines Vaters, sondern auch die seiner Mutter Alice Coltrane zu präsentieren. Ihre „Cosmic Music“, die so viel mehr ist als bloße Unterhaltung. Eine Musik, die in spirituelle Sphären vordringt, die bewusstseinserweiternd wirkt – bis heute. Und so beginnt dieses Konzert sehr passend mit Alice Coltranes „Los Caballos“ vom Album „Eternity“, erschienen 1975, dem Jahr, in dem sie in San Francisco ein hinduistisches Meditationszentrum eröffnete.
Elbphilharmonie: Ravi Coltrane ein herausragender Saxofonist
Die Wurlitzer-Orgel, die sie spielte, ersetzt Ravi Coltrane durch das Saxofon und es ist ein wilder Ritt, ein fast atemloses Dauerfeuer – bis dann Keyboard (Gadi Lehavi), Bass (Rashaan Carter) und Schlagzeug (Elé Howell) die Führungsrolle übernehmen und Coltrane dafür sogar von der Bühne geht. Das erste Mal, dass Howell sein Können aufblitzen lassen kann, und was er im Laufe der folgenden anderthalb Stunden spielt, ist so vielfältig und furios, dass es das Publikums zu wahren Begeisterungsstürmen hinreist. Seine Familie sei an diesem Abend auch im Saal, erzählt er später – sie wird sehr stolz auf ihn sein!
So wie John (1926-1967) und Alice Coltrane (1937-2007) stolz auf ihren Ravi wären. Nicht nur, weil aus ihm ein herausragender Saxofonist geworden ist, sondern auch, weil er ihr Material einerseits mit großem Respekt behandelt, andererseits aber nicht darauf aus ist, zu kopieren, was sich ohnehin nicht kopieren lässt. Er hat seinen eigenen Ton gefunden, mit dem er Klassiker wie „Alabama“ oder „Wise One“ interpretiert. Sein „Giant Steps“ ist nicht nur etwa dreimal so lang wie das Original seines Vaters, die berühmte Melodie ist auch nur ein Wegpunkt in einer langen Reise, bei der die Mitglieder seines Quartetts zu markanten Begleitern werden.
Elbphilharmonie: Als Zugabe gibt es „Expression“
Als Zugabe gibt es dann ein Stück, das zu den allerletzten gehört, die John Coltrane aufgenommen hat: „Expression“ aus dem Februar/März 1967, nur wenige Monate vor seinem Tod. Auch dies eine Verbeugung vor der geradezu mystischen Tiefe der Musik seiner Eltern (Alice Coltrane spielte damals Piano in der Band ihres Mannes) und erhebender Abschluss eines bewegenden Konzerts.
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Einen großen Namen zu tragen, kann eine enorme Bürde sein. Doch Ravi Coltrane zeigt, dass es möglich ist, sich von den Eltern zu emanzipieren. Und sie gleichzeitig zu feiern.