Hamburg. Der erste Thriller Sebastian Fitzeks als Sechsteiler: „Die Therapie“ erzählt von Vaterschaft. Und bizarren Ereignissen am Meer.
Verfilmungen sind für den erstaunlichen deutschen Thriller-Giganten Sebastian Fitzek nichts Besonderes. Ist ihm schon fünf Mal passiert mit seinen Romanen. Jetzt steht die bislang größte Adaption an. Auf Amazon Prime ist als Mini-Serie die Leinwandversion von Fitzeks Debütroman „Die Therapie“ zu sehen. Es ist der zweite deutsche Mystery-Stoff in kurzer Zeit, seit September ist auf Netflix „Liebes Kind“ abrufbar, auch dies eine Bestsellerverfilmung.
Mit „Die Therapie“ begann die märchenhafte Karriere des literarischen Goldjungen Fitzek, der als promovierter Jurist zunächst Radiojournalist wurde und dann Erfolgsautor. Fitzeks Auftritte sind keine 08/15-Lesungen, sein Sinn für Selbstvermarktung ist groß. Sind die Bücher des Mannes, der als Rockstar unter den Thrillerautoren gilt, eigentlich wirklich so gut? Im Zweifel gibt ihm der Erfolg recht. Gerade erst stellte er gemeinsam mit Schauspieler Stefan Kampwirth die Mini-Serie im Schauspielhaus vor.
Amazon-Serie „Die Therapie“: Auf einmal ist die zwölfjährige Josy verschwunden
Für die hat nun ein Autorenteam den 2006 erschienenen Roman auseinandergenommen und neu zusammengesetzt – nach den Regeln des Fernsehens eben. Gedreht wurde „Die Therapie“ in Berlin und in weiten Teilen auch auf Amrum und auf Föhr. Warum die literarische Vorlage unter Fitzek-Fans immer noch als bester Thriller seiner Karriere gilt, erschließt sich leicht allein schon in der Themenwahl. Es geht um ein verschwundenes Mädchen. Zwei Jahre ist es her, dass die zwölfjährige Josy („Systemsprenger“-Entdeckung Helena Zengel) verschwunden ist. Ihr Vater, der namhafte Psychiater Viktor Larenz (Stephan Kampwirth) zieht sich auf die fiktive Insel Parkum zurück.
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Dort kommt es zu bizarren Ereignissen – ein toter Hund, eine junge Frau, die seltsame Träume hat, die mit dem Schicksal des Einsiedlers irgendetwas zu tun habe müssen. Und irgendwann hat Larenz eine Kugel im Bauch. Vorher ist er schon halb verrückt geworden; wenn er es nicht schon war vor Schmerz über den Verlust seines Kindes. Der Sechsteiler arbeitet mit vielen Rückblendungen und Szenenwechseln, er ist angemessen atmosphärisch und ruft hie und da Grusel hervor. Vor allem den elterlichen Grusel. Welche Vorstellung wäre so schlimm wie diejenige vom Verlust des Kindes? Und wie schlimm sind eigentlich die Qualen der Pubertät, auf beiden Seiten, die hier ausführlich Raum einnehmen?
„Die Therapie“ auf Amazon Prime: Drogentrip und Fiebertraum
Das ist im Kern die Story dieser Erzählung: Entfremdung zwischen Eltern und Kind, Eheprobleme, Liebe und Distanz, Väter und ihre Töchter. Auch der leicht autistisch wirkende Neurologe Martin Roth (Trystan Pütter) hat mit seiner Tochter so seine Probleme. Die ist wiederum mit Josy befreundet gewesen. Roth ist der Mad Professor in dieser Geschichte, ein faustischer Typ, der nachts tote Labormäuse in den Müll kippt.
Die Grenzen zwischen Realität und Imagination verschwimmen immer mehr. „Die Therapie“ ist ein Thriller, der sich im Unbewussten abspielt, ein Drogentrip und Fiebertraum. Wie sich im Verlaufe der Handlung, die durchaus ein paar Längen hat, herausstellt, leidet der vom Hamburger Schauspieler Stephan Kampwirth („Dark“) mit gehetzter Panik gespielte Schmerzensdaddy Larenz unter einem Kindheitstrauma. Der Psychothriller ist auch im Film insgesamt geschickt inszeniert (Regie: Thor Freudenthal, Ivan Sainz-Pardo), auch wenn man als HBO-Serien-erprobter Betrachter („Sharp Objects“) die eine große Wendung deutlich kommen sieht.
Unbedingt plausibel ist, wie immer in diesen Fällen des hochtourigen Entertainments, nicht alles. Warum wohnt ein Psychiater mit seiner Familie eigentlich in so einem Schloss von Haus? Ausbaufähig sind wieder einmal manche Dialoge, sie sind sprachlich und inhaltlich („Es gibt Dinge, die haben die Eigenart, einen einzuholen und dann doppelt heftig einzuschlagen“) so schlaff wie, nun denn, ein durchschnittlicher Fitzek-Thriller. Der Clou des Stoffes liegt im unzuverlässigen Erzählen: Als Zuschauer sollte man seine Sympathien und Abneigungen nicht leichtfertig verteilen.
Die Bildsprache überzeugt. Besonders die Teile, die auf der Nordseeinsel spielen, sind fesselnd: Dunkle Nächte am Wasser sind das Setting, in dem sich die Verschattungen der Seele trefflich spiegeln.
„Die Therapie“ ist ab 26. Oktober auf Amazon Prime abrufbar