Hamburg. „Das 13. Jahr“ im Schauspielhaus: Performance-Duo führt in Theaterinstallation die hellen und dunklen Seiten der Gesellschaft vor.

Manch einer wäre sicher gerne noch einmal zwölf Jahre alt. Aber vielleicht nicht unbedingt in dem Dorf, das das dänisch-österreichische Performance-Duo Signa, bestehend aus Signa und Arthur Köstler, für das Schauspielhaus errichtet hat. In seiner neuen Theaterinstallation „Das 13. Jahr“ gelangen 40 Teilnehmende über den Hof eines alten Fabrikgeländes zunächst in einen Seminarraum, wo drei in graue Arbeiterkleidung gewandete Mitarbeiter mit Klemmbrett von „Lethe Simulationswelten“ auf das Kommende einstimmen.

Theater Hamburg: Mit Signa eintauchen in eine perfekt simuliere Welt

Ein kurzer Film führt eine Gruppe Jugendlicher auf einer Bustour zu einem Ferienausflug in den „Hasenhof“. Malerisch ruht er in sattgrünem, von Nebelschwaden umringten Gebirge. Doch der Bus bleibt irgendwann stehen, der Fahrer ist weg, und die Jugendlichen – zu denen man nun selbst gehört – müssen sich allein durchschlagen.

Durch einen Tunnel gelangen sie in ein Dorf mit zehn detailgetreu errichteten Häusern (Bühne: Lorenz Vetter, Signa Köstler, Tristan Kold). Zu viert werden sie von einer der hier lebenden Familien aufgenommen.

„Das 13. Jahr“, eine Performance-Installation der Gruppe Signa, wird nicht auf der Bühne, sondern auf einem Gelände in Altona gezeigt.
„Das 13. Jahr“, eine Performance-Installation der Gruppe Signa, wird nicht auf der Bühne, sondern auf einem Gelände in Altona gezeigt. © Funke Foto Services | Michael Rauhe

Die Familien sind bemüht, das Wenige, was sie zum Leben haben, mit den Neuankömmlingen zu teilen. Aber im Hinterzimmer sitzt ein blasses krankes Kind – als lebensecht gestaltete Puppe –, das ab und zu laut aufstöhnt. Der Raum ist eng, man trinkt Tee, kocht eine wässrige Suppe, malt Tiere oder vertreibt sich die Zeit mit einem Brettspiel.

Theater Hamburg: Erstmals arbeitet Signa mit Mitgliedern des Schauspielhauses zusammen

Diesem entbehrungsreichen Mangelleben ausgesetzt, mischen sich eigenes früheres Erleben mit einer sozial fremdartigen Erfahrung. Und führen direkt zu aktuellen gesellschaftlichen Fragen. Diese Bewohner sind, wie die von Ute Hannig mit Hingabe gespielte Mutter, bereit zu teilen. Eine ideale Utopie der Mitmenschlichkeit ist es dennoch nicht.

Bald häufen sich unheimliche Begegnungen. Zur Nacht zwängt man sich in ein enges Hinterzimmer – doch da draußen rumort es bedrohlich. Ein strenger Handelsmann hat die Hoheit über die Lebensmittel. Eine Hausiererin heilt Magenbeschwerden mit dunkler Magie. In Kleingruppen nimmt man an Besuchen in der Nachbarschaft teil. Erstmals arbeitet Signa hier auch mit Mitgliedern des Schauspielhaus-Ensembles zusammen. Bald offenbart sich: Es gibt Streit in der Familie. Der Sohn wird gemobbt, der von Hans-Günter Brünker gegebene Vater geht anderen Dorfbewohnerinnen an den Rock. Die Mutter ertränkt ihre Verzweiflung im Alkohol.

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Und irgendwann erfährt man, dass auch die Dörfler hier unfreiwillig in dem klammen, trübsinnigen Ort gestrandet sind, von dem es offenbar keine Wiederkehr gibt. Möglicherweise ist der „Fluch“ eines frühen Dorfbewohners schuld.

Wer will, kann in „Das 13. Jahr“ über einen langen Abend tief eintauchen in eigene Erinnerung und neue Erfahrung. Er durchlebt das eigene Ausgeliefertsein und muss sich in ungewohnter Umgebung behaupten. Letztlich steht dieses Dorf exemplarisch für die helle wie auch die dunkle Seite menschlicher Gesellschaft. Empathie und Fürsorge, Neid, Missbrauch, Gewalt, alles wird wie in einem Katalysator einmal durchexerziert. In einer perfekt simulierten Welt, wie wohl nur Signa sie erschaffen kann.

„Das 13. Jahr“ ab 16 Jahren, Aufführungen bis 20.12., Halle 7, Waidmannstraße 26, derzeit ausverkauft; www.Schauspielhaus.de