Hamburg. Vor dem Konzert in der Laeiszhalle richtete Symphoniker-Dirigent Sylvain Cambreling aus aktuellem Anlass einige Wort an das Publikum.
Die Welt steht in Flammen, Wahnsinnige in Russland und im Nahen Osten lassen ihrem Hass freien Lauf. Wenn in diesen Zeiten ein exzellenter Pianist aus Israel in Hamburg gastiert, kann nicht einfach mit der „Tagesordnung“ begonnen werden. Beim Konzert der Symphoniker Hamburg in der Laeiszhalle richtete Chefdirigent Sylvain Cambreling daher vorab einige kluge Worte ans Publikum und führte zugleich ein wenig ins trefflich gestaltete Programm ein.
Symphoniker Hamburg: Warum das Zusammenkommen jetzt so wichtig ist
Musik sei Emotion, sagte Cambreling, an sich nichts Neues. Gerade in Momenten der allgemeinen Anspannung sei aber das Zusammenkommen in einem Livekonzert immens wichtig. Emotionen sind in der Musik immer verarbeitet und meist nicht roh oder gewalttätig.
Die Emotionen der Musik waren bei den drei gebotenen Werken sehr unterschiedlich. Aus seiner Oper „Erdbeben. Träume“ destillierte Toshio Hosokawa eine instrumentale Suite heraus. Ein meist meditatives Stück, viel leises Schlagzeug: reiben, klappern, fiepen, aber auch mit sich aufbäumenden Klangwallungen, Melodiefetzen im Cello, Klagegesten in den Bläsern.
Unprätentiös, aber präzise formte Cambreling den Orchesterklang
Ein guter Kontrast dazu Beethovens 4. Klavierkonzert, ein Klassiker, mit der Besonderheit, dass das Soloklavier und nicht das Orchester das erste Wort hat. Pianist Shai Wosner zwang mit einem faszinierenden Pianissimo gleich zur Konzentration. Unprätentiös, aber präzise im vorwärtsdrängenden Rhythmus formte Cambreling den Orchesterklang. Der strahlte Homogenität aus, bedingt auch durch die warme Akustik der Laeiszhalle.
Shai Wosner kristallisierte mit sicherer Hand das Poetische dieses Konzerts heraus, aber auch Beethovens Energie, der Wille, mit perfekter Form einen Gegenpol zum Chaos der Welt zu schaffen. Das ist nicht ohne Mühe zu haben, man hört es im kontrastierenden Dialog im zweiten Satz: lyrisch, sanftes Soloklavier, mürrisch unterbrechendes Orchester. Entspannung im spritzigen Finale. Begeisterter Applaus für Orchester und Pianist. Wosner bedankte sich mit einem israelischen Volkslied (Erev Shel Shoshanim/Ein Abend der Rosen): wieder voller Poesie!
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Nach der Pause setzten die Symphoniker mit Haydns (103.) „Sinfonie mit dem Paukenwirbel“ noch ein i-Tüpfelchen. Wie Cambreling den hintergründigen Witz und die vielen sprechenden Motive mit Akkuratesse, aber auch viel Charme formte, bereitete, wie man sehen konnte, den Musikern und damit auch dem Publikum ein riesiges Vergnügen. Dabei ging aber auch der Ernst, durch die immer wieder nachdenklich stimmenden harmonischen Eindunklungen und bedrohlichen Paukenwirbel, nicht verloren. Ein besonderes Konzert.