Hamburg. Das Kunstspiel zum Mitmachen, jeden Montag im Abendblatt. Heute: „Der Zweikampf der Faustkämpfer Entellus und Dares“ von Marco Dente.
Zwei Kämpfer stehen sich Aug in Aug gegenüber, bereit zum Angriff. Beide haben ihre Fäuste erhoben, taxieren sich wie Raubtiere, lassen ihre Muskeln buchstäblich spielen. Gekleidet sind sie in sogenannte Chitons, unmittelbar am Körper getragene Unterkleider, wie sie im antiken Griechenland bei Frauen und Männern üblich waren. Ihre Hände und Arme sind mit Seilen umwickelt, was ihnen Schutz geben soll. Es ist eine dramatische Szene, die direkt vor dem Kolosseum in Rom spielt. Sie hätte es verdient, auf einem großformatigen Gemälde zu erscheinen. Bei „Der Zweikampf der Faustkämpfer Entellus und Dares“ handelt es sich aber um einen Kupferstich aus den Jahren 1520–23, und dieses Blatt ist gerade mal so hoch und breit wie ein schulübliches Lineal.
Laut Inschrift handelt es sich um einen von Vergil in der Aeneis sehr anschaulich geschilderten Wettkampf (Buch 5, 362–484). Diese Geschichte handelt von Aeneas und seinen Gefährten, die auf Sizilien zu Ehren des verstorbenen Anchises Festspiele veranstalten. Bei dieser Feier kämpfte der vor Energie strotzende Dares gegen den älteren und schon gebrechlichen Entellus. Nach einem blutigen Kampf siegte aber der Ältere über den jüngeren. Entellus gewährte Dares das Leben, tötete aber einen Stier, den er als Preis erhalten hatte. Der Kupferstich zeigt nichts von dem grausamen Schlagabtausch und konzentriert sich voll und ganz auf das eher psychologische Vorspiel der Auseinandersetzung.
Kunsthalle Hamburg: Die lebendige und dynamische Komposition spricht für Raffael
Während die Autorschaft von Marco Dente da Ravenna (1493–1527) bei diesem Kupferstich durch seine Signatur gesichert ist, besteht über den Urheber der Komposition Uneinigkeit. „Die Mehrzahl der Forscher schreibt den Entwurf Raffael zu, doch wurden auch Giulio Romano oder gar Baccio Bandinelli in Erwägung gezogen. In Abwägung der Argumente scheint eine Zuweisung des Entwurfs der Kampfszene an Raffael sehr wahrscheinlich. Hierfür spricht grundsätzlich die Komposition, die sehr lebendig und dynamisch, gleichermaßen aber auch kontrolliert und ausgewogen angelegt ist“, schreibt der Kunsthistoriker David Klemm. Der Kurator an der Kunsthalle ist ein ausgewiesener Kenner Raffaels (1483–1520). 2021 wurde die von ihm und Andreas Stolzenburg entwickelte Ausstellung „Raffael. Wirkung eines Genies“ gezeigt.
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In dieser Schau wurden Raffaels Einflüsse auf Zeitgenossen, aber auch nachfolgende Künstlergenerationen sichtbar gemacht und der Fokus auf sein Arbeitsumfeld gelegt. Auch Marcantonio Raimondi (1480–1534) spielte dabei eine große Rolle. Um 1515/30 übertrug dieser eine größere Anzahl von Entwürfen beziehungsweise Vorlagen von Raffael in Kupferstiche und machte auf diese Weise dessen Erfindungen einer breiten Öffentlichkeit bekannt. Der für diesen Stich zuständige Marco Dente zählt zu der kleinen Gruppe von Reproduktionsstechern im Umkreis von Raimondi – was wiederum für die Autorschaft von Raffael spricht.