Hamburg. 81 Jahre altes brasilianisches Nationalheiligtum lockt Exilantenszene der Stadt an – und die nimmt deutliche Sound-Schwächen gelassen hin.

Ganz kurz wendet sich Caetano Veloso auf English ans Publikum. „Ich muss ein paar Worte an die wenigen Leute hier richten, die kein Portugiesisch verstehen“, lächelt der große, alte Mann des Tropicalimso: „Thank you!“ Und das war es schon fast, mit den sparsamen Zwischenansagen (später wird Veloso noch ein paar wichtigen Weggefährten danken), die meisten Zuhörer im ausverkauften Großen Saal der Elbphilharmonie verstehen die Songtexte ja ohnehin.

Anscheinend hat die gesamte brasilianische Exilantenszene der Stadt am Mittwochabend den Weg in das Konzerthaus gefunden (so war es schon, als vor zwei Jahren sogar vor den Orgelpfeifen getanzt wurde): In den Foyers hört man fast kein deutsches Wort, sobald Veloso die ersten Strophen des erst vor zwei Jahren veröffentlichten „Meu Coco“ singt, mit sanfter, hoher Stimme, erweist sich der Saal als textsicher.

Und wenn gegen Ende in den Reihen getanzt wird, wenn die vertrackten Rhythmen mitgeklatscht werden, ohne in das in Deutschland beliebte „Auf die zwei!“ zu verfallen, dann ist ohnehin klar, dass man es hier mit einem Publikum zu tun hat, das sich intensiv auf den Abend vorbereitet hat.

Caetano Veloso: Elbphilharmonie zeigt ihre elektrische Achillesferse

Da stört auch nicht, dass die Elbphilharmonie wieder ihre Achillesferse bei elektrisch verstärkten Konzerten zeigt: Als Veloso zu Beginn alleine zur Akustikgitarre singt, klingen die gezupften Akkorde noch gestochen scharf, als dann Alberto Continentinos Bass dazukommt, wummert der Sound schon ziemlich dumpf, und als schließlich die fünfköpfige Band einsetzt, verschwimmt alles im undefinierten Klangbrei.

Drei, vier Songs lang, spätestens bei „Não Vou Deixar“ hat der Mischer den Sound im Griff, aber für den Einstieg muss man man schon sehr wohlwollend hinhören. Was das Publikum zweifellos macht.

Caetano Veloso in der Elbphilharmonie: Ein frischer, kreativer Geist

Veloso ist mittlerweile 81 Jahre alt, wie viele Europatourneen der Musiker noch absolviert, steht in den Sternen. In der Elbphilharmonie erweist er sich aber als frischer, kreativer Geist, der auch schwer zugängliche Teile seines Katalogs spielt, das abstrakte „Pulsar“ etwa, oder das harsche, von Punk und New Wave beeinflusste „A Bossa Nova É Foda“.

Seine Band, bestehend aus den Perkussionisten Kainã do Jêjê und Pretinho da Serrinha, dem Gitarristen Lucas Nunes und dem Keyboarder Rodrigo Tavares, geht alle Stilwechsel begeistert mit. Und beweist, dass Velosos Musik trotz einer mittlerweile 56-jährigen Karriere weiterhin aktuell ist.

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Dass die sozialkritischen Texte sich für ein deutschsprachiges Publikum kaum erschließen – egal. Der Reiz dieser Songs ist dennoch da, und, wie gesagt: Der Großteil der Zuhörer versteht ohnehin Portugiesisch.