Hamburg. Vom Flüchtlingskind zum Bürgermeister und Außenpolitiker: Der Sozialdemokrat wirkte weit über die Hansestadt hinaus. Ein Nachruf.

War nun die Pfeife sein prägendes Markenzeichen? Oder sein unermüdlicher Einsatz für die transatlantischen Beziehungen? Sein eher ungewöhnlicher Aufstieg vom Hamburger Bürgermeister zum hoch angesehenen Außenpolitiker in Berlin? Seine Faible für Lyrik und Malerei? Oder doch seine große Treue zur rauen Elbinsel Wilhelmsburg, wo er auch als bekannter Spitzenpolitiker viele Jahre in einem von Migranten und Hafenarbeitern geprägten Milieu wohnte und bis zuletzt Mitglied im SPD-Distrikt Wilhelmsburg-West war?

Nun, Hans-Ulrich Klose auf einen Nenner zu bringen fällt schwer. Olaf Scholz versuchte es so: „Er liebte die Politik, die Poesie und den Humor“, schrieb der Bundeskanzler, nachdem er erfahren hatte, dass sein langjähriger SPD-Parteifreund und Vorgänger als Hamburger Bürgermeister am Mittwoch im Alter von 86 Jahren friedlich eingeschlafen ist.

Hans-Ulrich Klose: Sein Tod löst Bestürzung aus

Dass Klose in den letzten Jahren an Alzheimer gelitten hatte, wie Ehefrau Anne mitgeteilt hatte, blieb der Öffentlichkeit weitgehend verborgen. Das Matthiae-Mahl im Februar war eine der letzten größeren Veranstaltungen in der Hansestadt, an der das Paar teilgenommen hatte.

Bürgerschaftspräsidentin Carola Veit trägt sich im Rathaus in das Kondolenzbuch für Hamburgs Altbürgermeister Hans-Ulrich Klose ein.
Bürgerschaftspräsidentin Carola Veit trägt sich im Rathaus in das Kondolenzbuch für Hamburgs Altbürgermeister Hans-Ulrich Klose ein. © dpa | Markus Scholz

Da habe der „Uli“, wie ihn die Hamburger Sozialdemokraten nur nennen, sehr aufgeräumt gewirkt, erinnert sich der Bundestagsabgeordnete Metin Hakverdi, der noch um Worte rang angesichts des Todes seines einstigen Förderers.

Die Bestürzung ist auch deswegen so groß, weil Hans-Ulrich Klose eben nicht nur „Hamburg und die Bundesrepublik geprägt“, hat, wie Scholz weiter schrieb, sondern darüber hinaus mehr verkörperte.

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„Immer war Klose nicht nur der smarte Manager und Macher“, schrieb Jürgen Leinemann schon 1978 im „Spiegel“ anlässlich einer beinharten Auseinansetzung zwischen Klose und dem damaligen Bundeskanzler Helmut Schmidt. „Da war zugleich auch der ,Träumer‘ (Klose), eine ,Hamletfigur‘ (Hamburgs CDU-Boss Jürgen Echternach), ,der kleine Prinz‘ (Hamburgs FDP-Chefin Helga Schuchardt)“, so Leinemann. „Klose war stets einer, der auch etwas anderes hätte sein können und mögen – etwa Professor in Amerika oder Pastor auf Sylt.“

Hans-Urich Klose: Von Breslau über Bielefeld nach Hamburg – und dann Amerika

Zunächst einmal war der kleine „Uli“ ein Flüchtlingskind. 1937 in Breslau (jetzt Polen) geboren, floh er zum Ende des Krieges als Achtjähriger gen Westen – in der Hoffnung, nicht den Russen in die Hände zu fallen, sondern zu den Amerikanern zu kommen. „Wer die Amerikaner waren, wusste ich nicht; gute Leute offenbar, auf die wir uns freuen konnten“, schrieb er später. „Die Fahrt endete nach fünf Tagen, inklusive Entlausung, in Bielefeld: britische Besatzungszone. Auch nicht schlecht, aber ...“

Zu den Amerikanern kam er später trotzdem noch – 1954 als einer der ersten Austauschschüler ging es in die Kleinstadt Clinton im Bundesstaat Iowa. Ein Erlebnis, das Hans-Ulrich Klose prägte. „Voller Dankbarkeit“ notierte er 50 Jahre später dazu: „Die Überzeugung etwa, dass man andere Länder kennenlernen, dass man die Probleme der Welt, und auch die eigenen Probleme, mit den Augen der anderen sehen muss – diese für einen Außenpolitiker unverzichtbare Erkenntnis habe ich in Amerika gewonnen.“ Die USA seien „ein ganz kleines Stück Heimat“ für ihn geworden, sagte Klose 2016 der „Welt“ – wobei er stets von „Amerika“ sprach“.

Klose wird 1974 Hamburgs jüngster Bürgermeister

Doch nach dem Abitur in Bielefeld studierte Klose zunächst Rechtswissenschaften – erst in Freiburg und dann in Hamburg. Hier galt er in der SPD, der er 1964 beitrat, früh als außergewöhnliches politisches Talent, und seine Karriere verlief entsprechend steil. Der Jurist, der als Jugendstaatsanwalt arbeitete, gehörte seit 1970 der Bürgerschaft an und war bereits 1972 Vorsitzender der SPD-Bürgerschaftsfraktion. Ein Jahr später folgte der Wechsel auf die Regierungsbank als Innensenator.

Es war eine Phase des politischen Umbruchs, und die Zeiten, während der die SPD wie selbstverständlich absolute Mehrheiten bei Bürgerschaftswahlen holte, waren vorbei. Bei der Wahl am 3. März 1974 verlor die SPD 10,3 Prozentpunkte und stürzte auf 45 Prozent ab – aus heutiger Sicht ein Traumergebnis. Damals nicht. Viele Sozialdemokraten kreideten dem Ersten Bürgermeister Peter Schulz (SPD) das für damalige Verhältnisse schlechte Ergebnis an. Als Schulz im Oktober 1974 gedrängt von Parteifreunden schließlich entnervt aufgab und zurücktrat, stand Klose als Nachfolger bereit.

Hans-Ulrich Klose vor seinem Gemälde im Hamburger Rathaus.
Hans-Ulrich Klose vor seinem Gemälde im Hamburger Rathaus. © ullstein bild | Rauhe

Mit 37 Jahren wurde er der jüngste Erste Bürgermeister in der jahrhundertelangen Geschichte des Stadtstaats – dieser „Rekord“ hält bis heute. Kloses jugendliches Auftreten sollte über Jahre sein Markenzeichen werden. Diese Jugendlichkeit war gepaart mit einer Nachdenklichkeit, die ihn früh als unabhängigen Kopf auszeichnete. Der passionierte Pfeifenraucher war durchaus der Typus eines intellektuellen, vielseitig interessierten Politikers, der bestens gerüstet war für die zum Teil stürmischen und leidenschaftlichen politischen Debatten der 70er-Jahre des vergangenen Jahrhunderts.

Von Streit gekennzeichnet war auch das sozialliberale Bündnis, das noch Vorgänger Peter Schulz geschmiedet hatte und dem Klose nun als Erster Bürgermeister vorstand. Aber in seine Amtszeit fielen auch wichtige stadtentwicklungspolitische Entscheidungen und Weichenstellungen: Die Technische Universität Hamburg-Harburg wurde gegründet und der neue Elbtunnel eröffnet. Unter Kloses Ägide wurde die Saga durch Fusion mit anderen Wohnungsbaugesellschaften zu einem wichtigen städtischen wohnungsbaupolitischen Instrument ausgebaut.

Kloses Politikstil kam bei den Hamburgerinnen und Hamburgern an. Das Ergebnis war, dass die SPD mit ihm an der Spitze bei der Bürgerschaftswahl 1978 erneut die absolute Mehrheit errang und mithin wieder allein regieren konnte. Vielen Hamburger Sozialdemokraten erschienen die zurückliegenden Jahre als eine Art Betriebsunfall, der nun nicht zuletzt dank des beliebten Ersten Bürgermeisters korrigiert worden war. Klose war auf dem Zenit seiner Macht angekommen.

Innerhalb der SPD, hier Willy Brandt (l.), entwickelte sich Hans-Ulrich Klose zum Parteilinken.
Innerhalb der SPD, hier Willy Brandt (l.), entwickelte sich Hans-Ulrich Klose zum Parteilinken. © picture alliance/AP Images | Roberto Pfeil

Und doch waren die Vorzeichen einer sich stark verändernden politischen Gesamtlage unübersehbar: Mit dem Aufkommen der Vorläufer der Grünen – in Hamburg der Bunten Liste – infolge der Umwelt- und Anti-Atomkraft-Bewegung erwuchs der SPD im linken Parteienspek­trum eine ernst zu nehmende Konkurrenz. Die Hamburger SPD galt in der ersten Hälfte der 70er-Jahre noch als Bollwerk des rechten Parteiflügels und wurde schon mal als „CSU des Nordens” verspottet. Klose war stets Teil des Mitte-Rechts-Lagers gewesen.

Doch nun geschah Bemerkenswertes: In der Phase des sich verstärkenden innerparteilichen Streits zwischen dem rechten und dem aufkommenden linken Parteiflügel der SPD entwickelte sich der Bürgermeister mehr und mehr zu einem Parteilinken. Ein Beispiel liefert die damals hoch emotional geführte Debatte um den sogenannten Radikalenerlass. Nicht zuletzt in der Folge des RAF-Terrorismus hatten sich die Länder 1972 darauf verständigt, „Personen, die nicht die Gewähr bieten, jederzeit für die freiheitlich-demokratische Grundordnung einzutreten“, aus dem öffentlichen Dienst fernzuhalten oder zu entlassen.

Unter Klose schaffte Hamburg als erstes Bundesland den Radikalenerlass ab

Kernpunkt des Radikalenerlasses war eine Regelanfrage beim Verfassungsschutz für jeden Bewerber für den öffentlichen Dienst. Ins Visier des Staates gerieten Lehrer und Sozialarbeiterinnen, aber auch Lokführer und Briefträgerinnen. Hamburg war sogar Vorreiter der Gesinnungs-Überprüfung gewesen und hatte einen entsprechenden Erlass bereits 1971 in Kraft gesetzt.

Klose stellte sich nun gegen die von ihm einst mitvertretene Linie, die sich in erster Linie gegen das linksextreme politische Spektrum richtete. Auf Betreiben Kloses schaffte Hamburg den Radikalenerlass 1979 als erstes Bundesland wieder ab. „Lieber stelle ich 20 Kommunisten ein, als dass ich 200.000 junge Menschen verunsichere”, lautete Kloses Begründung damals, die bald zum geflügelten Wort wurde.

Noch einschneidender war Kloses Sinneswandel im Streit über die friedliche Nutzung der Atomkraft. Ursprünglich war er Befürworter dieser Form der Energieerzeugung gewesen, änderte aber seine Meinung, weil er nicht mehr an eine sichere Endlagerung glaubte. Er wandte sich gegen eine Beteiligung der Hamburgischen Electricitätswerke (HEW) an dem entstehenden Atomkraftwerk Brokdorf. Der Kampf gegen diesen Meiler war geradezu das Symbol der Anti-Atom-Bewegung.

Atomkraftwerk Brokdorf spaltete die Hamburger SPD

Die Kernenergie-Frage spaltete auch die Hamburger SPD, wobei Klose für seine Haltung durchaus eine Mehrheit in der SPD hatte. Allerdings hielten einflussreiche Sozialdemokraten strikt am Atom-Kurs fest. Dass sich die Stimmung in der Stadt gewandelt hatte und Klose nun auch mit medialem Gegenwind verstärkt rechnen musste, zeigte die eigentlich nachrangige Debatte um die Neugestaltung des Rathausmarktes.

Lange Zeit war der zentrale städtische Platz ein wenig ansehnlicher Verkehrsknotenpunkt mit Straßenbahnen und Autoverkehr gewesen. Nach dem Aus für die Straßenbahn hatte der Rathausmarkt einen Teil seiner Funktion eingebüßt. Klose griff den Wunsch vieler Hamburger nach einer Umgestaltung des Platzes auf. Der Rathausmarkt sollte weitgehend autofrei werden und durch Treppen und Abstufungen mehr Aufenthaltsqualität erhalten. Statt einer öden Asphaltfläche sollten unterschiedliche Pflaster aufgelegt werden. Daraus wurde wegen der Farbgebung schnell „Kloses Roter Platz“.

Auch die beiden verglasten Arkaden stießen auf erhebliche öffentliche und mediale Kritik. Als bekannt wurde, dass auch noch die Kosten aus dem Ruder liefen, drohte die Stimmung zu kippen. Eingeweiht wurde der neu gestaltete Rathausmarkt im Mai 1982 – von Kloses Nachfolger Klaus von Dohnanyi (SPD). Im Mai 1981 hatte Klose zermürbt aufgegeben und seinen Rücktritt erklärt – durchaus überraschend.

Klaus von Dohnanyi (l.) und sein Vorgänger Hans Ulrich Klose.
Klaus von Dohnanyi (l.) und sein Vorgänger Hans Ulrich Klose. © Andreas Laible | Andreas Laible

Entscheidend für seine Demission war vor allem der Streit um das AKW Brokdorf, aber auch die Folgen des Giftmüll-Skandals auf dem Gelände der Chemischen Fabrik Hugo Stoltzenberg in Eidelstedt spielten eine Rolle. Damals war ein Junge getötet und zwei weitere verletzt worden. Doch Kloses politische Karriere war mit dem Auszug aus dem Rathaus nicht beendet. Nach zwei weiteren Jahren in der Bürgerschaft wechselte der Sozialdemokrat in die Bundespolitik.

Im Bundestag machte sich Klose einen Namen als Außenpolitiker

Seit 1983 war er direkt gewählter Bundestagsabgeordneter für den Wahlkreis Harburg, später Harburg-Bergedorf, und blieb es 30 Jahre lang. Klose trat nicht nur die direkte Nachfolge des legendären SPD-Bundestagsabgeordneten Herbert Wehner an, der den Wahlkreis seit 1949 vertreten hatte, sondern wurde wie dieser auch Fraktionsvorsitzender – nach dem Rücktritt von Hans-Jochen Vogel 1991.

Hans-Ulrich Klose gehörte 30 Jahre lang dem Deutschen Bundestag an.
Hans-Ulrich Klose gehörte 30 Jahre lang dem Deutschen Bundestag an. © imago images/Rainer Unkel | via www.imago-images.de

Für Kloses Verhältnisse blieb dies jedoch eine kurze Epoche, denn schon 1994 gab er dieses Amt an den SPD-Bundesvorsitzenden und gescheiterten Kanzlerkandidaten Rudolf Scharping ab. Klose wurde Vizepräsident des Bundestages und konnte sich nun stärker der Außenpolitik widmen, wobei er seine Leidenschaft für und seine guten Kontakte nach Amerika zu nutzen wusste. 1998 übernahm er den Vorsitz des Auswärtigen Ausschusses des Bundestages, von 2002 bis 2013 war er dessen stellvertretender Vorsitzender und zudem viele Jahre Vorsitzender der Deutsch-Amerikanischen Parlamentariergruppe.

Klose griff Schröder wegen des Nein zum Irakkrieg scharf an

„Klare Haltung und klare Worte“, die Bundeskanzler Scholz am Donnerstag als Kloses „Markenzeichen“ bezeichnete, zeichneten ihn auch in dieser Zeit aus. So galt er er als einer der schärfsten Kritiker des damaligen Bundeskanzlers Gerhard Schröder (SPD) und dessen Nein zum Irak-Feldzug der USA.

Dass er dessen Kurs unter anderem im Abendblatt als „handwerklich fehlerhaft“ kritisierte, schlug große Wellen. Aber Klose war ehrlich erbost, „dass der Kanzler dieses Nein verkündet hat, ohne irgendjemanden zu konsultieren, keinen europäischen Partner, auch die Franzosen nicht, auch nicht die Amerikaner“.

Mit dem späteren Bundeskanzler Gerhard Schröder (l.) scheute Hans-Ulrich Klose nicht den Konflikt.
Mit dem späteren Bundeskanzler Gerhard Schröder (l.) scheute Hans-Ulrich Klose nicht den Konflikt. © imago stock&people | imago stock&people

Dafür gab es mehr als einen Rüffel von der Basis. „Die Überzeugung der SPD Bergedorf ist klar: Deutschland darf sich an einem Krieg gegen Irak nicht beteiligen. Wir wünschen uns, dass unser Bundestagsabgeordneter diese Überzeugung in Berlin mit Nachdruck zum Ausdruck bringt“, erklärte der Bergedorfer SPD-Kreisvorsitzende, ein gewisser Ties Rabe – seit 2011 besser als Schulsenator bekannt. Es war nicht der letzte Konflikt der beiden.

Selbst die schwarz-gelbe Regierung setzte auf Klose

Auf Bundesebene war Kloses Ansehen als Außenpolitiker hingegen ungebrochen, und zwar überparteilich. 2007 berief der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses, Ruprecht Polenz (CDU/CSU), eine Sondersitzung ein. Zusammen mit SPD, FDP, Linken und Grünen sollte ein Antrag beschlossen werden: „Gratulation zum 70. Geburtstag von Hans-Ulrich Klose“.

Hans-Ulrich Klose mit Ehefrau Elke, Tochter Elisa und Sohn Johannes.
Hans-Ulrich Klose mit Ehefrau Elke, Tochter Elisa und Sohn Johannes. © ullstein bild | dpa

2010 ernannte Bundesaußenminister Guido Westerwelle (FDP) den damals 72-Jährigen zum Koordinator für die deutsch-amerikanische Zusammenarbeit im Auswärtigen Amt. Eine schwarz-gelbe Regierung setzt auf einen Sozialdemokraten – das sagt viel über Kloses Wirken. Ebenso sein Verzicht auf das Amt nur ein Jahr später: Seine 39 Jahre alte Stieftochter sei so schwer erkrankt, dass sie zu Hause von seiner Frau, einer Ärztin, betreut werden müsse. „Und das macht für mich längere Reisen unmöglich“, sagte Klose, der viel Respekt für diesen Schritt erfuhr.

Zwei Jahre später sollte dann endgültig Schluss mit der aktiven Politik sein: Zur Bundestagswahl 2013 trat Klose nach 30 Jahren nicht wieder an – nicht ohne vorher den Wilhelmsburger Bürgerschaftsabgeordneten Metin Hakverdi dezent anzustupsen, sich doch um das Mandat zu bewerben. Hakverdi hielt das zunächst für einen Scherz, schließlich wollte die Harburger SPD ihren Kreisvorsitzenden Frank Richter ins Rennen schicken, und die Bergedorfer um Ties Rabe unterstützten den früheren SPD-Landesvorsitzenden Ingo Egloff.

Klose wohnte viele Jahre in Wilhelmsburg – und kam immer wieder

Doch Hakverdi setzt sich durch – und hat das Mandat bis heute verteidigt. „Ich bin Hans-Ulrich Klose sehr dankbar für seine Arbeit als Bürgermeister und Abgeordneter und seine Treue zur Wilhelmsburger SPD“, sagte Hakverdi am Donnerstag, nachdem er vom Tod seines Förderers erfahren hat. „Ohne ihn wäre ich politisch nicht da, wo ich jetzt bin.“

Überhaupt Wilhelmsburg: Auch nachdem er 2008 seinen Hauptwohnsitz nach Berlin verlegt hatte, ließ sich Klose regelmäßig in seinem Wahlkreis blicken, mal bei Protesten gegen die drohende „Autobahnisierung“ Wilhelmsburgs, mal bei kleinen Diskussionsrunden. Viel Aufhebens machte der große Sozialdemokrat dabei nicht um seine Person – oft stand er nachdenklich am Rande, das Pfeifentäschchen unterm Arm. Anders beim Hamburger Presseball, bei dem das Ehepaar Klose regelmäßig zu Gast war – und sich als ausdauernde Tänzer präsentierten.

Scholz klebte 1978 Wahlplakate für Klose

Dass der Senat zu den runden Geburtstagen des Ex-Bürgermeisters jeweils einen Empfang organisierte, schien dem Jubilar eher unangenehm zu sein, dabei ging es mitunter launig zu. So erzählte Olaf Scholz 2012 zu Kloses 75. im Gästehaus des Senats, wie er im Wahlkampf 1978 als junger Sozialdemokrat Plakate mit dem Slogan „Wir lieben Hamburg und wählen Klose!“ geklebt habe.

Anlässlich seines 80. Geburtstages sagte Klose dem Abendblatt: „Mein Zuhause ist Berlin – meine Heimat ist Hamburg. Immer wenn ich von Berlin nach Hamburg fahre, denke ich, was für eine reiche und schöne Stadt Hamburg doch ist“ – und fügte hinzu: „Die Stadt hat sich enorm entwickelt. Es ist gut geworden.“ Dass er seinen Teil dazu beigetragen hat, sagte er nicht.

Auch dem Rat von Altkanzler Helmut Schmidt, der ihm zum 75. empfohlen hatte, es sei Zeit, ein Buch zu schreiben, folgte er nicht. Auf die Frage des Abendblatts, warum er keine Autobiografie plane, entgegnete Klose: „Da wird mir zu viel geschwindelt.“

Stattdessen verfasste er Lyrik und malte. In einem seiner Gedichte hieß es: „Jetzt, bitte, will ich selbst entscheiden, jetzt bin ich alt und endlich frei.“ Der Titel lautete: „Goodbye“.