Hamburg. Riesen-Zahlung in den Länderfinanzausgleich: Wie Hamburgs Nachbarn davon profitieren und warum der Finanzsenator dennoch warnt.

Die gute finanzielle Lage der Stadt hat für den Hamburger Senat auch eine Kehrseite: Mit 814 Millionen Euro hat die Hansestadt für 2022 so viel in den Länderfinanzausgleich eingezahlt wie nie zuvor. Größte Profiteure dieses Ausgleichssystems waren die Bundesländer Berlin (erhielt 3,6 Milliarden Euro) und Sachsen (3,3 Milliarden). Auch Hamburgs Nachbarn Niedersachsen (erhielt knapp 1,8 Milliarden) und Schleswig-Holstein (300 Millionen) zählten zu den Nehmerländern.

Die „Geberseite“ besteht derzeit aus fünf Ländern: Bayern (zahlte 9,8 Milliarden Euro ein), Baden-Württemberg (4,5 Milliarden), Hessen (3,2), Rheinland-Pfalz (100 Millionen) und eben Hamburg. Die Stadt zählte bis auf wenige Ausnahmen immer zu den Geberländern, wobei im Jahr 2003 mit 656 Millionen Euro die bisher höchste Summe überwiesen wurde – gemessen an den damals deutlich geringeren Einnahmen war das sogar eine noch höhere Belastung als der jetzige Betrag.

Haushalt: Neuer Rekord – so viel zahlt Hamburg an ärmere Bundesländer

Trotz der immensen Zahlung in den Länder-Topf will Finanzsenator Andreas Dressel (SPD) den Mechanismus, der für ausgeglichene Lebensverhältnisse im Land sorgen soll, nicht infrage stellen: „Wir stehen auch als Zahlerland zur Solidarität unter den Ländern.“ Dass Bayern trotz eines Kompromisses der Länder nun gegen den Finanzausgleich klagt, kritisierte Dressel als Wahlkampfmanöver: „Ich bin gespannt, was nach einem gewissen Datum im Oktober davon übrig bleibt.“ Am 8. Oktober wird in Bayern gewählt.

Hintergrund der 800-Millionen-Zahlung ist die vergleichsweise gute finanzielle Lage Hamburgs. Im vergangenen Jahr hat die Stadt erstmals auch nach den strengeren kaufmännischen Grundsätzen – also inklusive Abschreibungen und Rückstellungen, etwa für die Beamten-Pensionen – einen ausgeglichenen Haushalt erreicht. Das war eigentlich erst für 2024 geplant und damit schon das ehrgeizigste Ziel aller Bundesländer.

800 Millionen an ärmere Länder – so kam es zu der Rekordzahlung

Wie Dressel bei der Vorstellung des Geschäftsberichts sagte, wurde sowohl auf Ebene der Kernverwaltung (plus 2,6 Milliarden) als auch auf Ebene des Konzerns mit seinen vielen Beteiligungen und öffentlichen Unternehmen (plus 3,2 Milliarden) ein Überschuss erwirtschaft. Abzüglich einer Rücklage für schwierige konjunkturelle Zeiten von mehr als zwei Milliarden Euro, der vorzeitigen Ablösung von Corona-Belastungen in Höhe von fast 900 Millionen sowie einigen weiteren Positionen stehe unter dem Strich ein bereinigtes Jahresergebnis von plus 28 Millionen Euro (Vorjahr: minus 128 Millionen Euro).

Hauptgrund für die positiven Daten sei gewesen, dass sich die Hamburger Wirtschaft nach der Corona-Krise und trotz der Folgen von Ukraine-Krieg und Energiekrise „vielversprechend“ entwickelt und ein bundesweit überdurchschnittlich hohes Wachstum erzielt habe, so Dressel. Wie berichtet, überwies allein die Reederei Hapag-Lloyd, an der die Stadt mit 13,9 Prozent beteiligt ist, für die vergangenen beiden Jahre zusammengenommen mehr als zwei Milliarden Euro an Dividende an den Stadtsäckel. Auch daher musste Dressel von den möglichen drei Milliarden Corona-Notkrediten nicht einmal die Hälfte aufnehmen – entsprechend geringer fallen jetzt Zins und Tilgung aus.

Rekordzahlung an andere Länder – warum der Finanzsenator dennoch warnt

„Die positiven Botschaften dürfen jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, dass sich das wirtschaftliche Umfeld 2023 eintrübt“, sagte Dressel. „Der Preisauftrieb wird sich auch im städtischen Haushalt niederschlagen. Die letzte Steuerschätzung und die zunehmend zulasten der Länder ausgestaltete Steuergesetzgebung des Bundes bereiten uns zunehmend erhebliche Sorgen.“

Auch die kommende Tarifrunde werde sich auf die Personalaufwendungen und die Rückstellungen für die städtischen Versorgungsverpflichtungen auswirken. „All diese Risiken nimmt unser kaufmännisches Rechnungswesen bereits jetzt in den Blick“, so der Finanzsenator. „Der erfreuliche Jahresabschluss 2022 hilft uns, die aktuellen Krisen besser zu meistern – nicht mehr und nicht weniger.“

Steuerzahlerbund lobt gute Zahlen und Transparenz, fordert aber mehr Sparsamkeit

Vom Bund der Steuerzahler Hamburg gab es Lob und Kritik für den Bericht. „Grundsätzlich entwickeln sich Hamburgs Zahlen positiv“, sagte die Vorsitzende Petra Ackmann. Der Senat halte sich an die Schuldenbremse, und die Transparenz infolge des kaufmännischen Haushaltswesens sei „besonders lobenswert“.

Ein Containerschiff der Reederei Hapag-Lloyd im Hamburger Hafen. Das Unternehmen hat der Stadt zuletzt Milliarden-Dividenden ausgeschüttet – auch daher steht Hamburg finanziell gut da.
Ein Containerschiff der Reederei Hapag-Lloyd im Hamburger Hafen. Das Unternehmen hat der Stadt zuletzt Milliarden-Dividenden ausgeschüttet – auch daher steht Hamburg finanziell gut da. © dpa | Marcus Brandt

„Dennoch werden wir nicht müde, den Senat aufzufordern, den richtigen Spagat zwischen dringend notwendigen Investitionen und Sparsamkeit zu finden“, so Ackmann. „Ein Haus der Bürgerschaft beispielsweise passt nicht zum hanseatischen Understatement. Dieser Palast steht für Verschwendung und damit nicht für die vermeintlich gute Arbeit des Finanzsenators.“ Einsparpotenzial gebe es in Zeiten der Digitalisierung auch beim Personal, im Gegenzug könnten Grundsteuer oder Grunderwerbsteuer gesenkt werden. „Erschreckend ist, dass laut Geschäftsbericht 20 Prozent der Hamburger und Hamburgerinnen armutsgefährdet sind“, so Ackmann.

Trotz Haushaltsüberschüssen: Jeder fünfte Hamburger von Armut gefährdet

Auch David Stoop, Haushaltsexperte der Links-Fraktion in der Bürgerschaft, kritisierte, dass Hamburg mit einer Armutsgefährdungsquote von 20,4 Prozent Schlusslicht aller 16 Bundesländer sei: „Hamburg ist eine reiche Stadt mit immer mehr armen Menschen. Was sind die präsentierten Überschüsse eigentlich wert, wenn mehr als jeder fünfte Mensch in Hamburg in Armut oder gefährlich nah an der Armutsschwelle lebt und am sozialen Leben in unserer Stadt gar nicht teilhaben kann?“, fragte Stoop und beklagte: „Der Senat führt diese Stadt wie einen DAX-Konzern nach der Devise: Hauptsache Überschüsse!“

Darauf angesprochen, verwies Dressel auf viele Sozialleistungen, die es anderswo nicht gebe, etwa ein kostenloses Kita-Grundangebot, keine Studiengebühren, das bundesweit günstigste Sozialticket als Deutschlandticket oder bald kostenlose Schülertickets. Sein Haushaltsdirektor Arne Schneider ergänzte, dass man einen Stadtstaat wie Hamburg nicht mit Flächenländern vergleichen dürfe, sondern mit anderen Städten vergleichen müsse. Da stehe Hamburg bei der Armutsgefährdung besser da als der Durchschnitt.

Rekord: So viel zahlt Hamburg an ärmere Länder – Kritik von CDU und FDP

„Wie erwartet hat das Haushaltsjahr 2022 auch maßgeblich von den hohen Sondererträgen aus der Hapag-Lloyd-Beteiligung profitiert“, sagte CDU-Haushaltsexperte Thilo Kleibauer. Dass trotz der Überschüsse und geringerer Investitionen die Kreditaufnahme des „Konzerns“ Hamburg angestiegen sei, sei erklärungsbedürftig. „In vielen öffentlichen Unternehmen werden die Schulden ausgeweitet. Dieser Kurs ist riskant, gerade in Zeiten steigender Zinsen“, so Kleibauer. Er kritisierte zudem, dass die Zahl der Beschäftigten im Konzern Hamburg um rund 10.000 in drei Jahren auf über 144.000 gestiegen sei.

Die FDP-Abgeordnete Anna von Treuenfels-Frowein kritisierte: „Senator Dressel lobt sich selbst über den grünen Klee. Dabei sind es vor allem gering ausgeschöpfte Kreditermächtigungen und die schnelle Tilgung der Corona-Schulden durch hohe Bundeshilfen, die ihn oberflächlich betrachtet gut aussehen lassen.“ Dass der Finanzsenator immer wieder Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) und sein Wachstumschancengesetz wegen finanzieller Belastungen für die Länder angreife, sei daher „absurd“.