Hamburg. Fast 40 Prozent der Hamburger haben einen Migrationshintergrund. Ist das gut oder schlecht? So unterschiedlich sieht das die Politik.

Jahrelang wurde debattiert, ob Deutschland ein Einwanderungsland ist oder überhaupt eines sein darf. Dass es das de facto schon lange ist, zeigen einmal mehr aktuelle Daten des Statistikamts Nord. Demnach haben fast 40 Prozent der Hamburgerinnen und Hamburgern einen Migrationshintergrund. Im vergangenen Jahr ist der Anteil um 1,9 Punkte auf 39,3 Prozent so stark gestiegen wie seit Jahren nicht mehr. Bei den Unter-18-Jährigen haben bereits 56,1 Prozent Wurzeln im Ausland, in manchen Stadtteilen sind es mehr als 95 Prozent der Minderjährigen (siehe Tabelle).

Die Frage, ob Zuwanderung zu begrüßen ist oder doch eher Probleme mit sich bringt, wird aber weiterhin sehr unterschiedlich bewertet, wie eine Umfrage des Abendblatts unter den Fraktionen in der Bürgerschaft ergab. So stellt die rot-grüne Koalition eher die positiven Aspekte des Themas heraus: „Hamburg ist als Hafenstadt seit jeher das Tor zur Welt und eine vielfältige und dynamische Metropole, in der Menschen unabhängig von ihrer Herkunft gut leben“, sagte Kazim Abaci, integrationspolitischer Sprecher der SPD-Fraktion Hamburg.

Zuwanderung: Fast 40 Prozent der Hamburger haben einen Migrationshintergrund

Menschen mit Migrationshintergrund würden unsere soziale, wirtschaftliche und kulturelle Landschaft nachhaltig „prägen und bereichern“, so Abaci. „Unsere soziale Stadt hat in den letzten Jahren viele Menschen aus Krisen- und Kriegsgebieten aufgenommen und insgesamt auch gut integriert.“ Zudem habe man tausende Menschen aus der Ukraine aufgenommen und versorgt, die vor dem Angriffskrieg Russlands geflohen sind: „Es ist für uns eine Selbstverständlichkeit, den Menschen zu helfen, die auf unsere Hilfe und Unterstützung angewiesen sind.“

Auch Filiz Demirel, migrationspolitische Sprecherin der Grünen, verwies darauf, dass durch den russischen Angriff auf die Ukraine viele Menschen „einen Anspruch darauf haben, dass ihnen geholfen und eine Perspektive geschaffen wird“. Aus ihrer Sicht gelingt das auch: „Insbesondere durch den Abbau von bürokratischen Hürden konnten wir in Hamburg eine gute Grundlage für gelungene Integration in kurzer Zeit schaffen. Kinder konnten schnell eingeschult, Erwachsene Sprachkurse und Weiterbildungen besuchen oder direkt in die Arbeitswelt einsteigen. Davon wird unsere Stadt langfristig profitieren.“ Menschen, die vor Krieg fliehen, als „Problem“ darzustellen, sei falsch, sagt Demirel: „Deutschland ist ein Einwanderungsland.“ Jährlich würden rund 400.000 zusätzliche Arbeitskräfte aus dem Ausland benötigt.

Linkspartei: Kein Wunder, dass Menschen nach Deutschland fliehen

Metin Kaya, Migrationsexperte Linksfraktion, sieht den Anstieg nicht als ein Problem, sondern als ein Resultat einer über Jahrzehnte verfehlten Migrationspolitik. Schon die ersten Arbeitsmigranten der 50er und 60er Jahre seien mit ihren Problemen und Sorgen alleine gelassen worden. Auf der anderen Seite mache Deutschland Geschäfte mit Diktatoren, Autokraten und Despoten, die ihre Bevölkerung unterdrückten. Daher dürfe man sich nicht wundern, dass die Menschen aus diesen Ländern fliehen. Daher sei es „dringend erforderlich“, dass die Bundesregierung und die EU sich für die Einhaltung der Grund- und Menschenrechte in den jeweiligen Ländern einsetzten, so Kaya.

CDU-Fraktionschef Dennis Thering sieht es differenziert: „Die Integration von Menschen mit Migrationshintergrund ist eine zentrale Herausforderung für eine Großstadt wie Hamburg. Teilhabe an der Gesellschaft, am Arbeitsmarkt sowie erfolgreiche Bildungsabschlüsse sind dabei die Grundpfeiler für eine gute Integration. Ein Zurückziehen in Parallelgesellschaften gilt es unbedingt zu verhindern.“ Er gehe davon aus, dass wegen des anhaltenden Krieges die Herausforderungen weiter zunehmen werden: „Um diesen gerecht zu werden, wird Hamburg mehr Geld für Projekte der Integrationsarbeit zur Verfügung stellen müssen.“ Die deutsche Sprache sei dabei „der Schlüssel für gute Integration“. Zudem müsse „selbstverständlich sein, dass unsere Gesetze für alle gelten und strikt einzuhalten sind“.

Zuwanderung: CDU fordert mehr Geld für Integration

AfD-Fraktionschef Dirk Nockemann beklagte, dass Deutsche ohne Migrationshintergrund „zur Minderheit im eigenen Land“ werden: „Die anhaltende Willkommenspolitik für Migranten ist gefährlich und naiv.“ Sozialausgaben würden explodieren und Gewaltkriminalität werde „immer hemmungsloser“, so Nockemann: „Offene Grenzen und ein starker Sozialstaat passen nicht zusammen.“