Hamburg. Zahl ging 2022 in der Hansestadt besonders stark zurück. Woran das liegt und was keine Rolle spielt, erklärt ein Forscher.

Ist das ein Ausreißer oder die Trendwende? Deutschlandweit sind 2022 weniger Kinder zur Welt gekommen – besonders deutlich aber war der Rückgang der Geburtenzahl in Hamburg. Hier sank die Geburtenziffer gleich um zehn Prozent.

Das Statistische Bundesamt und das Statistikamt Nord melden für das vergangene Jahr 19.054 Geburten in Hamburg – das ist der niedrigste Stand seit 2014. Im Vorjahr, also 2021, waren noch 21.018 Geburten gezählt worden. Aus den Daten ergibt sich sogar, welches die geburtenstärksten Monate 2022 waren: der Januar (1339 Geburten) und der Juli (1761).

Geburtenrückgang in Hamburg: Bevölkerungsforscher nennt mögliche Gründe

Die Statistiker wollen nicht über die Gründe spekulieren. Ein Wissenschaftler aber nennt eine mögliche Begründung: Martin Bujard, Forschungsdirektor beim Bundesinstitut für Bevölkerungsforschung, sieht in den deutschlandweiten Zahlen für 2022 einen Zusammenhang mit der Corona-Pandemie, bei der die Impfung in großem Umfang im Jahr 2021 begann.

Er gehe davon aus, dass viele Frauen geplante Schwangerschaften aufgeschoben hätten bis zu dem Zeitpunkt, an dem sie vollständig geimpft waren, sagte er der Deutschen Presse-Agentur. „Das ist empirisch ziemlich eindeutig“, so Bujard.

Ähnliche Zahlen gebe es etwa auch aus Schweden. „Ab Januar gingen die Geburtenraten runter.“ Für Bujard zeigt sich damit ein „kluges und gesundheitsbewusstes Verhalten der Frauen mit Impfbereitschaft“.

Niedersachsen bei Geburtenziffer in Deutschland vorn

Auch ein leichter Anstieg der Geburtenzahlen im Jahresverlauf und ein erneuter Rückgang zum Jahresende lasse sich nach seiner Ansicht mit dem Verlauf der Pandemie erklären: „Der Zeitraum korrespondiert mit den Lockerungen und Öffnungen – da wollten die Leute wieder leben und feiern“, sagte der Wissenschaftler mit Blick auf den Geburtenrückgang.

Auch die Geburtenziffer, also die Zahl der Kinder pro Frau in der Altersgruppe zwischen 15 und 50 Jahren, sank in Hamburg – ebenso wie in Berlin – besonders stark. In Hamburg lag der Wert 2022 bei 1,32, das ist der niedrigste Wert in der Hansestadt seit zehn Jahren. Im Vorjahr hatte er noch 1,466 betragen, 2019 sogar 1,506.

Eine vergleichbare Geburtenziffer erreichte Niedersachsen auch 2022 noch. Mit 1,523 Kindern pro Frau in der entsprechenden Altersgruppe lag das Bundesland deutschlandweit vorn.

Hamburgs Geburtenziffer von 1,32 nur knapp über Schlusslicht Berlin (1,253)

Hamburgs Geburtenziffer von 1,32 liegt deutlich unter dem bundesdurchschnittlichen Wert von 1,46 Kindern je Frau und nur ganz knapp über Schlusslicht Berlin (1,253). Die zusammengefasste Geburtenziffer (Total Fertility Rate, TFR) gibt nach Angaben des Statistikamts Nord die durchschnittliche Kinderzahl an, die eine Frau im Laufe ihres Lebens hätte, wenn die Verhältnisse des betrachteten Jahres von ihrem 15. bis zu ihrem 49. Lebensjahr gelten würden.

Der Negativtrend scheint sich auch im laufenden Jahr fortzusetzen. Im ersten Halbjahr kamen bei 10.847 Geburten in Hamburg 11.049 Kinder zur Welt. Das sind noch etwas weniger als im Vorjahreszeitraum, als bei 11.086 Geburten 11.249 Kinder das Licht der Welt erblickten, wie die Sozialbehörde kürzlich mitteilte.

In ganz Deutschland wurden im Jahr 2022 insgesamt 738.819 Kinder geboren. Das waren 56.673 oder sieben Prozent Neugeborene weniger als im Jahr 2021. Das durchschnittliche Alter der Mütter bei der Geburt ihres ersten Kindes war 2022 laut Bundesamt für Statistik mit 30,4 Jahren geringfügig niedriger als im Jahr zuvor. Das Durchschnittsalter der Väter beim ersten Kind der Mutter blieb unverändert bei 33,3 Jahren.

Geburtenrückgang: Ukraine-Krieg spielt keine Rolle

Der russische Angriffskrieg auf die Ukraine und die steigenden Lebenshaltungskosten schlagen sich nicht in der Geburtenrate des Jahres 2022 nieder, betonte Bevölkerungsforscher Bujard. „Das kann eventuell 2023 kommen.“ Dann zeige sich auch, ob es sich beim Rückgang der Geburtenziffer um eine Trendwende oder einen einmaligen „Ausreißer“ handele. Davon unabhängig steigt die Bevölkerungszahl in Hamburg.

Positiv ist: Noch immer werden in Hamburg mehr Babys geboren, als Menschen sterben. 2017 lag der „Überschuss“ noch bei 21.502, im Jahr 2021 (der letztverfügbaren Aufstellung des Statistikamts Nord zufolge) bei 1457 Menschen.