Hamburg. Aber nur wenige Fälle führen auch zu einer Anklage und Verurteilung; Senat räumt hohe Belastung bei Polizei und Staatsanwaltschaft ein.

Geldwäsche zählt zu den komplexesten und auch deswegen sehr schwierig zu ermittelnden Straftaten. Wenn Einnahmen aus dem Drogenhandel, aus illegalem Glücksspiel oder Waffenhandel in den legalen Finanzkreislauf eingespeist werden sollen, handelt es sich in der Regel um schwer zu durchschauende Transaktionen. Eine Reihe von Gesetzesänderungen im Laufe der vergangenen Jahre haben dazu geführt, dass der Staat genauer hinschaut und Verdachtsfällen intensiver nachgeht.

Die Folge: Die Zahl der Ermittlungsverfahren wegen Geldwäschedelikten ist geradezu sprunghaft angestiegen. „Nach Angaben der Staatsanwaltschaft hat die Anzahl der dort in der Abteilung 53 anhängigen Geldwäscheverfahren im Jahr 2023 gegenüber dem Vorjahr erheblich – um circa 30 bis 40 Prozent – zugenommen. Im Vergleich zum Jahr 2020 haben sich die Zahlen bis heute mehr als verdoppelt“, schreibt der Senat ungewohnt deutlich in seiner Antwort auf eine Große Anfrage der CDU-Bürgerschaftsfraktion.

Zahl neuer Ermittlungsverfahren steigt schneller als Zahl der Erledigungen

Im Jahr 2020 wurden laut Senatsantwort 1054 Ermittlungsverfahren gegen 1450 Beschuldigte eingeleitet, im Jahr 2022 waren es 2551 Verfahren gegen 3027 Beschuldigte. Für das laufende Jahr zeichnet sich eine weitere sehr deutliche Steigerung ab: Bis zum Stichtag 6. Juli wurden bereits 2445 Ermittlungsverfahren gegen 2719 Beschuldigte gestartet.

Die Zahl der erledigten Verfahren ist auch gestiegen, aber nicht im gleichen Umfang: Wurden 2020 noch 1808 Verfahren abgeschlossen, waren es im vergangenen Jahr 3064 und 2023 bereits jetzt 2564. Dabei gibt die Statistik nicht an, aus welchen Jahren die jeweiligen Verfahren stammen. Vor allem lassen sich keine Rückschlüsse darauf ziehen, wie viele Restanten unbearbeiteter Vorgänge es insgesamt gibt.

89 Prozent der Fälle meldet Einheit, die der Generalzolldirektion unterstellt ist

Wesentliche Ursache für den dramatischen Anstieg der Geldwäscheverdachtsfälle ist die Financial Intelligence Unit (FIU), die als Zentralstelle für die Untersuchung von Finanztransaktionen seit 2017 bei der Generalzolldirektion angesiedelt ist. Laut Senatsantwort sind 2023 bei der Polizei bis zum Stichtag 23. Juli 1796 Geldwäschevorgänge eingegangen, davon 1596 von der FIU – das entspricht einem Anteil von 89 Prozent.

Das Problem für Polizei und Staatsanwaltschaft liegt nicht nur in der Menge der Verdachtsmeldungen, sondern auch in deren Qualität. „Alle eingehenden Geldwäscheverdachtsmeldungen werden bei Eingang einer Überprüfung unterzogen. Die Qualität kann einzelfallbezogen divergieren, sodass nicht in jedem Fall die Inhalte als Ermittlungsergebnisse übernommen werden können“, schreibt der Senat und wird dann noch deutlicher: „Für die Ermittlungsarbeit zielführende Analysen lieferte die FIU nach Auffassung der Staatsanwaltschaft bislang nur vereinzelt in besonders herausragenden Fällen. Sie enthielten zwar eine hilfreiche Übersicht über Beteiligte und deren Konten, jedoch zumeist keine über den Standardsatz hinausgehende Bewertung, die für die Strafverfolgung hilfreich sei.“

2022 wurden nur 102 Anklagen erhoben und in 59 Fällen Urteile gesprochen

Auffällig ist, dass nur ein relativ geringer Teil der Ermittlungsverfahren letztlich zu einer Anklage führt und sich deren Zahl im Laufe der vergangenen Jahre kaum verändert hat: Im Jahr 2020 gab es 104 angeklagte Beschuldigte, im Folgejahr 123 und 2022 schließlich 102. Im laufenden Jahr wurde bislang gegen 17 Beschuldigte Anklage erhoben. Noch niedriger sind die Zahlen der Verurteilungen: 2020 gab es 59 rechtskräftige Urteile in Geldwäscheverfahren, 2022 waren es 28, 2023 bislang ein Urteil.

Ein großer Teil der übrigen Verfahren wird durch Einstellungen, Einstellungen gegen Auflage, Strafbefehle, durch Abgabe an andere Staatsanwaltschaften oder Behörden und wegen unbekannten Aufenthalts oder Abschiebung der Tatverdächtigen erledigt.

Senat räumt ein, dass Belastung bei Polizei und Staatsanwaltschaft hoch ist

Der Senat räumt ein, dass die Belastung der Mitarbeiter bei Polizei und Staatsanwaltschaft wegen des immensen Fallaufkommens hoch ist. Beim Landeskriminalamt (LKA) wurde die Zahl der Stellen in der für Geldwäsche zuständigen Abteilung LKA 66 von 26 im Jahr 2019 auf jetzt 37 erhöht, wovon allerdings sieben nicht besetzt sind. In der Abteilung 53 der Staatsanwaltschaft ist die Zahl der Dezernenten und Dezernentinnen sogar leicht zurückgegangen: von 5,7 Stellen (2019) auf aktuell 5,3 Stellen.

„Die Belastung der Abteilung 53 der Staatsanwaltschaft ist aufgrund deutlich gestiegener Verfahrenszahlen sowie der Komplexität und Häufigkeit von Eilmaßnahmen hoch. Konkrete Pläne zur Aufstockung des Personals der Abteilung 53… bestehen derzeit nicht, die zuständige Behörde steht jedoch über die Belastungs- und Personalsituation im regelmäßigen Austausch mit den Staatsanwaltschaften“, schreibt der Senat.

Dennis Thering (CDU): „Die Täter lachen sich ins Fäustchen. Das ist eine Farce.“

„Die Zahlen gehen in den letzten Jahren durch die Decke! Und die Täter brauchen sich in Hamburg anscheinend kaum Sorgen darum zu machen, strafrechtlich zur Rechenschaft gezogen zu werden“, kritisiert CDU-Bürgerschaftsfraktionschef Dennis Thering. Die Ermittler wüssten nicht mehr, wie sie den Berg an Ermittlungsverfahren bewältigen sollten, aber bei der Polizei seien sieben Stellen nicht besetzt. Und Justizsenatorin Anna Gallina (Grüne) denke trotz einer Verdoppelung der Eingangszahlen nicht einmal darüber nach, die Stellen bei der Staatsanwaltschaft zu erhöhen. „Das ist eine Farce – die Täter lachen sich ins Fäustchen und die Mitarbeiter werden im Regen stehen gelassen“, sagt Thering.

„Wir haben die Entwicklung sehr genau im Blick. Viele mitunter sehr komplexe Verfahren führen natürlich zu einer hohen Belastung auch bei der Staatsanwaltschaft, die hier und in anderen Deliktbereichen sehr gute Arbeit macht“, sagt Justizsenatorin Gallina. Es sei wichtig, auf aktuelle Situationen reagieren zu können. In dieser Legislaturperiode sei die Justiz bereits bei der Bekämpfung von Kinderpornografie und bei den Verfahren im Encrochat-Komplex personell spürbar verstärkt worden.