Hamburg. Gläubige besuchen am Wochenende die Hamburger Barclays Arena. Auch Überlebende aus Alsterdorf sind dabei – besonders geschützt.

An das grelle Scheinwerferlicht musste sich auch Michael Tsifidaris erst einmal gewöhnen. Seit dem 9. März, als Philipp F. bei dem Amoklauf in der Gemeinde der Zeugen Jehovas in Alsterdorf sieben Menschen und dann sich selbst erschoss, ist auch der Sprecher von Jehovas Zeugen in Norddeutschland in Hamburg ein gefragter Mann.

Tsifidaris war bei Pressekonferenzen dabei, in Innenausschüssen und auch beim parlamentarischen Sommerfest in der vergangenen Woche im Rathaus, wo er auch kurz mit Bürgermeister Peter Tschentscher sprechen konnte.

Hamburg: Erster Kongress nach Amoklauf – 10.000 Zeugen Jehovas erwartet

Was dieser möglicherweise vorher gar nicht wusste: An diesem Wochenende werden beim ersten Kongress der Zeugen Jehovas nach der Pandemie und nach dem Amoklauf 10.000 (!) Mitglieder aus der Glaubensgemeinschaft in der Barclays Arena im Westen Hamburgs erwartet.

„Zuletzt sind die Hamburger Gemeinden ja bei der Gedenkveranstaltung für die Opfer der Amoktat im März in Alsterdorf zusammengekommen. Es wird daher für uns alle ein sehr berührender Moment sein, insbesondere die vom Amoklauf betroffenen Gemeindemitglieder aus Winterhude in diesem großen Kreis begrüßen zu dürfen“, sagt Tsifidaris, der auch beim Kongress jede Menge Medienanfragen haben dürfte. „Ihre Stärke und ihr Gottvertrauen sind für uns Christen ein leuchtendes Beispiel.“

Erster Kongress seit Tat von Alsterdorf: 10.000 Zeugen Jehovas in der Barclays Arena

Für die Gemeindemitglieder aus Winterhude, von denen sich sechs Überlebende erstmals in der vergangenen Woche im Abendblatt öffentlich äußerten, ist es nun auch der erste öffentliche Aufritt bei so einem Massenevent seit dem Amoklauf. Für sie wurden auch besondere Sicherheitsmaßnahmen besprochen. Die Polizei wollte auf Nachfrage die Sicherheitsvorkehrungen allerdings aus grundsätzlichen Erwägungen heraus nicht präzisieren.

Doch wer sind überhaupt die Zeugen Jehovas? Diese Frage wurde spätestens seit dem Amoklauf in Alsterdorf immer häufiger gestellt.

Tatsächlich ist die Glaubensgemeinschaft seit 2017 in allen deutschen Bundesländern als Körperschaft des öffentlichen Rechts anerkannt und somit den Kirchen gleichgestellt. Auch das Bundesverfassungsgericht urteilte im Jahr 2000, dass die Zeugen Jehovas rechtstreu sind.

Die Religionsgemeinschaft nimmt ihre eigene Bibelübersetzung nahezu wörtlich, hält sich streng an die urchristlichen Vorbilder, bleibt eher unter sich, missioniert und geht mitunter rigide mit Aussteigern um.

Zeugen Jehovas haben 10.000 Flüchtlinge aus der Ukraine in Deutschland integriert

All das wurde einer breiten Öffentlichkeit spätestens nach dem Amoklauf am 9. März bekannt. Was bislang aber nur die wenigsten wussten: Jehovas Zeugen haben nach eigenen Angaben allein in Deutschland mehr als 10.000 Flüchtlinge aus der Ukraine aufgenommen, betreut und integriert. Insbesondere die russisch-sprachigen Gemeinden in Deutschland tragen dabei den Hauptanteil. Auch sie werden bei dem Kongress dabei sein.

Nach drei Jahren mit pandemiebedingten Einschränkungen freue er sich deshalb besonders auf den Kongress, sagt Michael Tsifiidaris. Jehovas Zeugen halten seit mehr als 100 Jahren öffentliche Kongresse in Stadien, Kongresszentren und anderen Veranstaltungsorten auf der ganzen Welt ab.

„Umso größer ist nun die Vorfreude, das Programm live mit den vielen Gästen aus der ganzen Region zu erleben, sich persönlich auszutauschen und in den Arm nehmen zu können.“