Hamburg. Frei finanzierte Wohnungen seien bald immer schwerer machbar. Verband: Hamburger Bezirke sollten auf zusätzliche Auflagen verzichten.
Angesichts des massiven Anstiegs der Baukosten, Grundstückspreise und Hypothekenzinsen befürchten Vertreter der Hamburger Baugenossenschaften einen Einbruch beim Bau frei finanzierter Wohnungen in Hamburg. Die jüngste Entwicklung stelle die Errichtung und Unterhaltung bezahlbarer Wohnungen „grundsätzlich infrage“, sagte Marko Lohmann, Vorstand der Baugenossenschaft Bergedorf-Bille und Chef der Hamburger Vertretung im Verband norddeutscher Wohnungsunternehmen (VNW), am Dienstag.
Wer Spitzenmieten nehmen könne, verkrafte Preissteigerungen. VNW-Unternehmen, die sich dem bezahlbaren Wohnen verpflichtet fühlten, könnten das nicht, sagte Lohmann. „Die Folge: Sie werden gar nicht mehr oder deutlich weniger bauen. Das zeigen leider auch die Aussichten.“
Baugenossenschaften: Klima-Vorgaben erschweren bezahlbares Bauen
In die gleiche Kerbe schlug Peter Kay, Vorstand der Baugenossenschaft freier Gewerkschafter. „Die Grundanforderungen für den Neubau sind mittlerweile so hoch, dass preiswertes Bauen eigentlich gar nicht mehr geht und bezahlbares Bauen schon überhaupt nicht, wenn man nicht Fördermittel hat.“
Kay und Lohmann beziehen sich vor allem auf Vorgaben des Bundes für den Neubau von klimagerechten, also energiesparenden Wohnhäusern, etwa für die Außenhaut und die Dämmung, für Fenster und Heizung. Nach Angaben von Marko Lohmann machen frei finanzierte Wohnungen etwa die Hälfte des Wohnungsbaus aus, den Baugenossenschaften in Hamburg verantworten – die andere Hälfte seien geförderte Wohnungen. Der Neubau geförderter Wohnungen werde wohl zunächst stabil bleiben, weil es in Hamburg dafür genügend Unterstützung von der Stadt gebe, sagte Lohmann.
Wohnungsbau Hamburg: Investitionen des VNW um 185 Millionen Euro gesunken
Nach Angaben des VNW investierten dessen Hamburger Unternehmen im Jahr 2022 rund 1,26 Milliarden Euro in den Neubau, die Instandhaltung und die Modernisierung von bezahlbarem Wohnraum – fast 13 Prozent bzw. 185,6 Millionen Euro weniger als im Jahr 2021. Der Anteil der öffentlich geförderten, von VNW-Unternehmen fertiggestellten Wohnungen in Hamburg habe 2022 bei 71 Prozent gelegen und sei damit gegenüber 2021 um sieben Prozentpunkte gestiegen.
Bei den Baubeginnen hingegen sei der Anteil öffentlich geförderter Wohnungen von 76 Prozent im Jahr 2021 auf 62 Prozent im Jahr 2022 gesunken. Der VNW rechnet damit, dass seine Mitgliedsunternehmen in diesem Jahr in Hamburg mit dem Bau von 1669 Wohnungen beginnen – im Jahr 2019 waren es 3344 Neubaustarts. Der VNW vertritt in Norddeutschland 415 Wohnungsgenossenschaften und Wohnungsgesellschaften; in Hamburg verwalten VNW-Mitglieder etwa 300.000 von insgesamt etwa 700.000 Mietwohnungen (fast 40 Prozent).
VNW-Direktor Andreas Breitner sagte, erschwerend zu Klima-Auflagen des Bundes komme in Hamburg mitunter dazu, dass die Stadtplanungsabteilungen der Hamburger Bezirke „eigene gestalterische Ansprüche“ an Bauprojekte hätten. „Von dieser gestalterischen Optimierung müssen wir uns ein Stück weit entfernen, sonst kommen wir nicht mehr zu Potte.“ Er forderte die Hamburger Bezirksverwaltungen dazu auf, bis auf Weiteres auf zusätzliche Auflagen zu verzichten. „Bezahlbare Wohnungen sind wichtiger als architektonische Solitäre.“
Wohnungen Hamburg: Serielles Bauen soll die Kosten dämpfen
Der VNW-Direktor, aber auch Peter Kay und Marko Lohmann plädierten für mehr seriellen Wohnungsbau in Hamburg. Dieser setzt auf eine Vorfertigung gleicher Bauelemente in möglichst großer Stückzahl. Serieller Wohnungsbau sei „am besten geeignet, die Baukosten wenigstens ein bisschen zu dämpfen“, sagte Breitner.
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Serielles Bauen sei zudem vergleichsweise verlässlich und verkürze die Bauzeit, sagte Marko Lohmann. Bisher habe sich in in der Hansestadt allerdings „extrem wenig“ serieller Wohnungsbau umsetzen lassen. „Wir müssen in Hamburg auch auf Ebene der Bezirke umdenken: dass Serielles eben nicht negativ ist, weil es uns an 70er-Jahre-Großwohnsiedlung erinnert.“ Von außen sei nicht zu erkennen, dass Gebäude auf diese Weise errichtet worden seien.
VNW-Direktor Andreas Breitner lobte, wie sich der Hamburger Senat bei der öffentlichen Förderung engagiere. „Das zeigt, dass die gute Zusammenarbeit im Bündnis für das Wohnen funktioniert.“ Die deutliche Erhöhung der Hamburger Fördermittel könne allerdings den Wegfall der Bundesförderung beim Neubau nicht wettmachen.
Wohnungen Hamburg: Vergabe von Grundstücken wird zum Problem
Was Breitner in Hamburg missfällt: Der Senat verkauft kaum noch städtische Grundstücke, sondern vergibt sie vorrangig in Erbpacht. Das sei eine zusätzliche Hürde beim Neubau bezahlbarer Wohnungen, sagte der VNW-Direktor. „Das führt für unsere Mitgliedsunternehmen zu schlechteren Konditionen, zum Beispiel bei der Finanzierung.“
Stadtentwicklungssenatorin Karen Pein (SPD) kommt zu einer anderen Einschätzung: „Wir haben im intensiven Austausch mit dem Bündnis für das Wohnen die soziale Wohnraumförderung passgenau weiterentwickelt“, teilte sie auf Anfrage mit. „Über die gesamte Bindungszeit garantieren wir ein Förderdarlehen zu lediglich 1 Prozent Zinsen – gepaart mit einem Erbbauzins von 1,3 Prozent auf städtischen Erbpacht-Grundstücken ist das ein sehr lukratives Angebot mit einer Renditeerwartung von 4 bis 5 Prozent.“