Hamburg. „Kann doch nicht Ihr Ernst sein“: Beim Streit um die Gestaltung der Innenstadt mahnen SPD und Grüne die CDU zur Vorsicht.
Es ist und bleibt ein Reizthema: die Gestaltung der Hamburger Innenstadt und die Frage, wie viel Autoverkehr notwendig oder wünschenswert ist. Verfechter einer weitgehend autofreien Innenstadt machen geltend, dass sich die Luftqualität verbessere, der Lärm sinke und die Sicherheit wachse. Die Hamburger CDU hingegen fordert eine Rückkehr zur autogerechten Innenstadt – weil Händler litten, wenn Kunden nicht mit dem Auto anreisen könnten und alte Menschen sich schwer tun, mit Bus und Bahn in die City zu fahren.
In der Bürgerschaftssitzung ging es am Mittwochnachmittag erneut um den Wegfall von Parkplätzen in der City. Als „Autohasser“ hatte der verkehrspolitische Sprecher der CDU-Fraktion, Richard Seelmaecker, Verkehrssenator Anjes Tjarks (Grüne) im Hamburger Abendblatt betitelt. Für den SPD-Fraktionsvorsitzenden Dirk Kienscherf ist das eine Sprache, die der der AfD ähnele.
Hamburgs Innenstadt – SPD sieht Zukunft weitgehend ohne Autos
„In der Politik geht es neben Inhalten auch um Sprache. Es geht um Zuspitzung und damit auch um Emotionen“, sagte Kienscherf. Daher müsse man auch bei Themen wie der Gestaltung der Hamburger Innenstadt aufpassen, nicht die Ressentiments der AfD aufzugreifen. Mit ihrem Antrag „Rot-Grün gestaltet die Zukunft der Innenstadt gemeinsam mit Akteur:innen. Die CDU verspielt sie mit City-Bashing und Konzepten von gestern“, hatte die SPD-Fraktion das Dauerthema deshalb auf die Tagesordnung der Sitzung der Hamburgischen Bürgerschaft gesetzt.
Mehr Plätze für Kultur und Erholung anstatt Konsum: Das sei es, wofür die rot-grüne Regierung stehe und wofür Millionen an Investitionen fließen sollen. Umgesetzt durch mehr freie Areale, Grünflächen und vor allen Dingen weniger Parkplätze. Wichtig sei dabei aber, sowohl den Handel als auch die Besitzer privater Flächen in die Planungen mit einzubeziehen.
CDU: „Überall tote Hose“ nach Ladenschluss in Hamburgs Innenstadt
Auch Dominik Lorenzen, Fraktionsvorsitzender der Hamburger Grünen, verteidigte die Idee der autofreien Innenstadt und bezeichnete das Vorhaben der CDU, die City und insbesondere den Jungfernstieg wieder für den regulären Autoverkehr freizugeben, als „Politik für Autos anstatt für Menschen“. Es könne doch nicht der Ernst der CDU sein, sagte Lorenzen, die Menschen aus der Innenstadt mit Autos zu vertreiben.
Viel eher müsse Hamburg gemeinsam und inklusiv mit der Stadtgesellschaft Konzepte entwickeln, damit die Menschen sich entspannt und sicher in der Innenstadt aufhalten können. Dass Handel ohne Autos nicht funktioniere, bleibe zudem ein gefährliches Märchen der CDU-Fraktion. „Alle Studien belegen ganz klar, dass autoarme, attraktive Innenstädte höhere Umsätze verzeichnen“, sagte Lorenzen.
„Rot-Grün ruiniert Hamburgs Innenstadt“, so die CDU
Anke Frieling, stellvertretende CDU-Fraktionsvorsitzende und Fachsprecherin für Stadtentwicklung, warf dem rot-grünen Senat hingegen vor, Hamburgs Innenstadt mit dem derzeitigen Gestaltungskonzept „zu ruinieren“. Viele Restaurants und Cafés schlössen der Abgeordneten zufolge bereits ab 15 Uhr und sowieso sei „überall tote Hose“ nach Ladenschluss der Geschäfte.
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Zwar findet auch Frieling, dass Plätze wie etwa der Burchardplatz zu schade für Parkplätze seien. Doch brauche es der Abgeordneten zufolge auch ein attraktives alternatives Nutzungskonzept. So etwa mit breiten Grünflächen oder Auffangmöglichkeiten für Regenwasser. Aktuell mache Rot-Grün „nichts“, rede nur über Vorhaben zur Umgestaltung und „verzögere“ den Prozess sogar. Darüber hinaus habe die Regierung Möglichkeiten für Senioren oder Jugendliche in der Planung schlichtweg vergessen.
Hamburger Innenstadt: Linke fordert mehr Wohnungen
Vergessen worden seien laut Heike Sudmann, stellvertretende Fraktionsvorsitzende der Fraktion Die Linke und Fachsprecherin für Stadtentwicklung, auch die Bewohner der Innenstadt. Zwar seien es noch wenige und nach Ansicht der Abgeordneten auch „zu wenige“, die den Innenstadtbereich derzeit bewohnten. Doch müssten auch sie in die Planungen des Senats miteinbezogen werden.
„Mir ist nicht klar, wohin Sie eigentlich mit Ihrer Planung hinwollen“, sagte Sudmann in Richtung SPD- und Grünen-Fraktion. Statt immer mehr Kommerz in die Innenstadt ziehen zu lassen, könne man auch einfach Bebauungspläne ändern und mehr Wohnraum schaffen.