Hamburg/Berlin. Wie wirkt sich der Klimawandel regional aus? Modell soll bessere Daten liefern – auch für Hamburg. Forscher der Stadt wirken mit.
Mehr warme Tage, tendenziell längere Hitzewellen und Trockenheit – auch in Hamburg ist der Klimawandellängst angekommen. Doch was die Hansestadt künftig noch zu erwarten hat und wie sich auch Städte und Regionen in anderen Klimazonen wappnen sollten, lässt sich bisher nur unzureichend abschätzen.
„Zurzeit wissen wir noch wenig über die regionalen und lokalen Folgen der Erderwärmung“, sagt Bjorn Stevens, Direktor am Hamburger Max-Planck-Institut für Meteorologie. Er hatte wie berichtet schon vor einem Jahr mit acht führenden Klimawissenschaftlern eine globale Partnerschaft und zusätzliche Investitionen für Klimaberechnungen an Supercomputern der nächsten Generation gefordert.
Klimawandel und seine Folgen: Künstliche Intelligenz soll Klimaforschung helfen
Nun schreiten Stevens und Klimawissenschaftler aus aller Welt selbst zur Tat. Gemeinsam mit Experten für künstliche Intelligenz, Hochleistungs-Computing, Klimaanpassung, Risikomanagement und Technik arbeiten sie auf einem Kongress in Berlin bis Freitag an einem Konzept für eine neue digitale Infrastruktur namens Earth Virtualization Engines, kurz EVE.
Hamburg ist bei dem Projekt prominent vertreten: Unter den 180 Teilnehmenden aus 26 Ländern sind insgesamt 29 Forschende von der Universität Hamburg, vom Max-Planck-Institut für Meteorologie und vom Deutschen Klimarechenzentrum an der Bundesstraße.
Die Gruppe strebt eine Art „digitalen Zwilling der Erde“ an, ein System, das Klimadaten und Informationen über Auswirkungen des Klimawandels auf der ganzen Erde bis zu einer Auflösung von nur einem Kilometer frei verfügbar für jedermann bereitstellen soll.
Dieses Informationssystem für Klimaprognosen könnte etwa Auskunft darüber geben, wie sich Temperaturen, Hitzewellen, Starkregen und Stürme in einer Region entwickeln – ob in Buenos Aires, Hamburg, Islamabad oder Sydney. Zudem sollen gesellschaftliche Daten etwa zur Bevölkerungsdichte, Zahl der Autos, Industrie und landwirtschaftlichen Produktion in das System eingebunden werden, um Hinweise auf sinnvolle Maßnahmen zur Verringerung von Treibhausgasen und zur Anpassung an den Klimawandel zu bekommen.
Nvidia-Chef: „Klimawissenschaft ist die ultimative Herausforderung für Computer“
Für das Projekt hat die Gruppe einen äußerst finanzkräftigen Partner aus der Wirtschaft gewonnen: den amerikanischen Chiphersteller und Technologiekonzern Nvidia. „Klimawissenschaft ist die ultimative Herausforderung für Computer“, sagte Nvidia-Chef Jensen Huang am Montag in Berlin auf einer Pressekonferenz mit Bjorn Stevens und weiteren Forschenden.
Nvidia arbeite mit der EVE-Gruppe zusammen, um einen Weg zur Simulation und Visualisierung der globalen Atmosphäre „in noch nie da gewesener Geschwindigkeit und Skalierung zu schaffen“, sagte Huang. Er wolle der Initiative drei Supercomputer zur Verfügung stellen. Zu der Frage, wie viel Geld der US-Konzern investiert und ob Nvidia sich durch seine Engagement neue Geschäftsfelder erhofft, hielt der Nvidia-Chef sich bedeckt.
Hamburger Forscher: System kann motivieren, Klimawandel entgegenzuwirken
„Mit fortschreitendem Klimawandel wird jeder einzelne Sektor der Gesellschaft mit dessen Auswirkungen konfrontiert und steht vor der ganz praktischen Frage, was zu tun ist“, sagt Bjorn Stevens. „Sobald bevorstehende Veränderungen identifiziert sind, fehlt uns eine Grundlage, die Gesellschaft zu Maßnahmen zu bewegen, diese abzumildern. Doch das muss nicht so bleiben.“
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Die geplante digitale Infrastruktur EVE umfasse den öffentlichen und privaten Sektor im globalen Norden und im globalen Süden und könne „Gesellschaften motivieren, den gefährlichsten Folgen einer sich erwärmenden Welt entgegenzuwirken“, sagt der Hamburger Professor.
In zwei nächsten Schritten will die Gruppe im Oktober ihr Konzept in Kigali (Ruanda) auf der Open-Science-Konferenz des Weltklimaforschungsprogramms und im Dezember in Dubai auf der Weltklimakonferenz COP28 vorstellen und erweitern.