Hamburg. Neue Linie hängt vom Verbindungstunnel ab, der erst 2040 in Betrieb gehen könnte. Diese Alternative prüft die Stadt zur Überbrückung.
Bei der Präsentation des Masterplans für die Science City Bahrenfeld vor gut viereinhalb Jahren sprach Bürgermeister Peter Tschentscher (SPD) von einer „großartigen Perspektive für den Wissenschaftsstandort Hamburg“. Euphorisch äußerten sich auch die Chefs der Universität Hamburg und des Elektronen-Synchrotrons (Desy) zu den Plänen für den neuen Stadtteil, in dem Wissenschaft, Wirtschaft und Wohnen miteinander verzahnt werden sollen.
Mit Blick auf die nötige gute Anbindung mit öffentlichen Verkehrsmitteln war damals von einem „intelligenten Mobilitätssystem“ die Rede. Dazu zähle ein „direkter Zugang zum Schnellbahnsystem“, hieß es. Schließlich entschied der Senat sich für eine neue S-Bahn-Linie, die neben der Science City auch die bisher nicht angeschlossenen Stadtteile Lurup und Osdorf erreichen soll.
S-Bahn Hamburg: S32 zur Science City und zum Osdorfer Born verzögert sich
Doch zumindest für die geplante S32 kann von einer großartigen Perspektive keine Rede sein. Wie Hamburgs Verkehrsstaatsrat Martin Bill (Grüne) der Bürgerschaft mitgeteilt hat, dürfte die künftige Schnellbahn erst fahren, wenn der sogenannte Verbindungsbahnentlastungstunnel (VET) in Betrieb geht. So weit sein könnte es nach Einschätzung des zuständigen Bundesverkehrsministeriums allerdings „frühestens im Jahr 2040“, wie aus einem Schreiben des Ministeriums an den Verein Prellbock in Altona hervorgeht.
Mit dem VET soll eine neue unterirdische Strecke zwischen dem Hauptbahnhof und dem neuen Bahnhof Diebsteich entstehen. Diese könnte die oberirdischen Bahngleise entlasten: Führen die 645 S-Bahnen, die täglich dort unterwegs sind, künftig unter der Erde, könnte der oberirdische Fern- und Regionalverkehr vier statt zwei Gleise nutzen; statt gut 320 Zügen am Tag könnten 150 zusätzlich fahren – all das würde den sogenannten Deutschlandtakt der Bahn ermöglichen.
S32 startet erst, wenn Verbindungsbahnentlastungstunnel fertig ist
Einer Machbarkeitsstudie im Auftrag der Stadt und des Verkehrsministeriums zufolge kommen für die Trassen des VET fünf Varianten in Betracht. Alle Varianten münden unterhalb des Kaltenkircher Platzes in Altona mittels eines zweistöckigen „Abzweigbauwerks“ in mehrere Schienenwege – darunter die Trasse für die künftige S32.
Die Linken-Abgeordnete Heike Sudmann treibt vor allem die Verkehrsanbindung für die im Westen gelegenen Stadtteile um. „Seit fast 50 Jahren werden die Menschen in Lurup und Osdorf vertröstet“, sagt Sudmann. „Jetzt werden ihre Interessen dem Verbindungsbahnentlastungstunnel untergeordnet. Ob der überhaupt finanziert und bis in die 2040er-Jahre hinein gebaut wird, ist ungewiss.“
Uni Hamburg: Weitere Verbesserung der Anbindung notwendig
Schon bis Anfang der 2030er-Jahre vollzogen werden soll ein Umzug der Chemie und von Teilen der Biologie der Universität Hamburg in die Science City Bahrenfeld. Davon betroffen sein werden der Hochschule zufolge etwa 2000 Studierende und etwa 900 Mitarbeitende.
Zwar sei die Anbindung an die Science City seit 2019 um Expressbusse ergänzt worden, sodass eine „zeitlich enge Taktung des ÖPNV“ bestehe, teilt die Universität auf Anfrage mit. „Gleichzeitig ist eine weitere Verbesserung der Anbindung bis zur Fertigstellung der S-Bahn notwendig, um die Campusanlage Science City für eine größere Anzahl an Studierenden, Lehrenden und Mitarbeitenden zufriedenstellend anzubinden.“
Rücksicht auf Forschung in Bahrenfeld: Trasse der S-Bahn 32 wird versetzt
Heike Sudmann von den Linken ist davon überzeugt, dass mit einer Straßenbahnlinie der Osdorfer Born, Lurup und Bahrenfeld „wesentlich schneller in das Schienennetz eingebunden werden“ könnten als mit dem Bau der S32. Für die Desy-Einrichtungen in der Science City sei eine Straßenbahn kein Problem, glaubt Sudmann – womit sie auf ein Erschütterungsgutachten im Auftrag der Stadt anspielt.
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Das Gutachten hatte wie berichtet ergeben, dass ein unterirdischer S-Bahn-Verkehr auf dem zunächst geplanten Trassenabschnitt der S32 an der Science City für Erschütterungen und Magnetfelder sorgen könnte, welche die hochempfindlichen Experimente in nahe gelegenen Gebäuden der Universität Hamburg und des Deutschen Elektronen-Synchrotrons gefährdeten oder gar unmöglich machten. Die Stadt reagierte darauf mit Anpassungen: Nun sieht die Planung vor, dass die Trasse der S32 zwischen dem Trabrennbahngelände und der Stadionstraße um rund 350 Meter nach Nordosten versetzt wird.
Verkehrsbehörde: Straßenbahn als Alternative kommt nicht infrage
Im Rahmen des Erschütterungsgutachtens sei auch untersucht worden, wie sich eine Straßenbahn auswirken würde, erklärte die Verkehrsbehörde auf Abendblatt-Anfrage am Mittwoch. „Die Prüfungen ergaben, dass eine Straßenbahn insbesondere in Bezug auf Erschütterungsemissionen auszuschließen ist: Durch die ebenerdige Führung der Straßenbahn breiten sich Erschütterungen im Gegensatz zu einer in einem Tunnelbaukörper verkehrenden S-Bahn deutlich stärker horizontal in die Umgebung aus.“ Bei einem Straßenbahnbetrieb entlang der Achse der Luruper Chaussee entstünden „für den Forschungsbetrieb unvertretbar starke Störeffekte“.
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Auch zeitlich bleibe festzuhalten: „Ein Neustart der Planung in Richtung einer Straßenbahn würde diese um viele Jahre zurückwerfen und gerade nicht zu einer Beschleunigung beitragen“, so die Behörde. „Auf Plänen werden die Menschen vor Ort nicht fahren können, daher ist es wichtig, dass wir hier in die Umsetzung kommen und attraktive Angebote in einem guten ÖPNV-Netz bereitstellen.“
Wie berichtet lässt die Behörde derzeit die Machbarkeit eines Hochleistungsbussystems entlang der Magistrale Luruper Hauptstraße, Bahrenfelder Chaussee und Stresemannstraße prüfen, das bis zur Inbetriebnahme der S32 „Kapazitäts- und Reisezeitverbesserungen“ ermöglichen soll. Ein Ersatz für die S32 sollen die Busse nicht sein.