Hamburg. In Hamburg werden Heranwachsende so oft nach Jugendstrafrecht verurteilt wie nirgendwo sonst. Streit um Lösungen entbrannt.
Die oftmals milde Bestrafung junger Gewalttäter in Hamburg, über die das Abendblatt berichtete, hat eine Diskussion in der Stadt ausgelöst. Die Zahl junger Intensivtäter in Hamburg ist hoch, gleichzeitig werden fast alle Täter nach Jugendstrafrecht verurteilt, auch wenn härtere Strafen möglich wären.
Der Hamburger CDU-Partei- und Fraktionsvorstand Dennis Thering übt Kritik an dieser Justizpraxis und fordert eine Überprüfung des Jugendgerichtsgesetzes, das den Richtern einen weiten Beurteilungsspielraum eröffnet – dafür erhält er Gegenwind vonseiten des verantwortlichen Bundesministeriums der Justiz.
Justiz Hamburg: Reife junger Menschen heute später als früher
Das Jugendstrafrecht biete eine breite Palette von Sanktionsmöglichkeiten, um im Einzelfall angemessen auf eine Straftat zu reagieren und erzieherisch auf junge Täter einzuwirken, so Pressesprecherin Rabea Bönnighausen auf Anfrage des Abendblatts.
Die soziale Reifung junger Menschen habe sich heute gegenüber früher eher verzögert, und die einschlägigen Paragrafen im Jugendgerichtsgesetz böten eine differenzierte Lösung, um die Erkenntnisse zur Adoleszenz im Einzelfall angemessen umzusetzen.
Gleichwohl räumt sie ein, dass sich die regionalen Unterschiede vielleicht auch mit gebietsweise unterschiedlichen Grundeinstellungen und unterschiedlicher kriminologischer Grundeinsichten innerhalb der Justiz erklären lassen dürften.
Jugendgerichtshilfe wird in Hamburg stärker eingebunden
Die Hamburger Behörde für Justiz hingegen sieht die Verantwortung für die regionalen Unterschiede nicht bei sich und auch nicht bei den Jugendrichtern. Vielmehr liege der Grund in der Praxis, die Jugendgerichtshilfe und Sachverständige stärker in gerichtliche Entscheidungen einzubinden.
Dies geschehe in Hamburg intensiver als in anderen Bundesländern und sorge dafür, dass ein Richter den Heranwachsenden besser kennenlernen und dadurch auch eine bessere Bewertung seines Entwicklungsstandes vornehmen könne, sagt die stellvertretende Pressesprecherin Linda Luft.
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Dem widerspricht die Gewerkschaft der Polizei: Sie sieht die Verantwortung gerade bei der Polizei und insbesondere der Justizsenatorin. Zwar halte man die rechtlichen Mittel für ausreichend, Schlüssel sei aber die Ausstattung der Justiz.
Für den stellvertretenden Hamburger Landesvorsitzenden Lars Orlsloh ist klar: „Die Polizei, die Staatsanwaltschaft und auch die Gerichte sind seit Jahren bekanntermaßen überlastet.“ Das führe zu einer sehr langen Dauer der Ermittlungen beziehungsweise Gerichtsverfahren und wirke sich wiederum auf die Täter so aus, dass sie sich in Sicherheit wiegen und ihren kriminellen Handlungen weiter nachgehen.
Justiz Hamburg: mehr Mittel nötig, um Sanktionen umzusetzen
Auch die Jugendgerichtshilfe selbst hält die derzeitige Gesetzeslage für ausreichend. Es gebe vielseitige Möglichkeiten der Reaktion, aber es bedürfe ausreichender Finanzmittel, um diese Sanktionsmöglichkeiten auch voll ausschöpfen zu können, sagt Maxi Wantzen, Sprecherin der Deutschen Vereinigung für Jugendgerichte und Jugendgerichtshilfe.
Zudem müssten soziale Projekte verstärkt gefördert werden, und in der Schule benötige man ausreichend psychologisch geschulte Mitarbeiter, um die Jugendlichen mit ihren Sorgen aufzufangen, die nach der Corona-Zeit besonders gelitten haben.
Die hohe Zahl der Intensivtäter ist für Wantzen aber offenbar kein Grund, etwas an der Gesetzeslage ändern zu wollen. Sie resümiert: „Wir sind noch weit davon entfernt, was wir zur Jahrtausendwende für Zahlen hatten. Es sollte nichts überdramatisiert, aber auch nicht weggeschaut werden.“