Hamburg. Anstieg um 50 Prozent. Wie die Polizei den Trend erklärt. Auch Jugendkriminalität wächst. Helfen geschlossene Heime für Intensivtäter?
Kriminalität und Gewalttätigkeit von Kindern und Jugendlichen werden auch in Hamburg zu einem immer größeren Problem für Polizei und Gesellschaft. Nachdem die Zahl der noch strafunmündigen Tatverdächtigen unter 14 Jahren im vergangenen Jahr auch in Hamburg gestiegen war, deuten neue Zahlen für das laufende Jahr auch auf einen Anstieg bei der Jugendkriminalität hin. So wurden bei den Gerichten allein im ersten Quartal 2023 gegen Jugendliche (14 bis 17 Jahre) und Heranwachsende (18 bis 21 Jahre) insgesamt 853 Strafverfahren begonnen.
Das geht aus der Antwort des Senats auf eine Große Anfrage der CDU hervor. Hochgerechnet könnten am Ende des Jahres damit mehr als 3400 Verfahren dieser Art in Hamburg anhängig sein. Das wäre ein deutlicher Anstieg gegenüber den Vorjahren, 2022 gab es 2814 neue Verfahren gegen Jugendliche und Heranwachsende in Hamburg.
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Eine deutliche Zunahme gab es zuletzt auch beim Jugendarrest, den Jugendrichter als eine mildere Vorstufe zu einer Jugendstrafe verhängen können. Wurde diese Maßnahme im Jahr 2021 noch 185-mal eingesetzt, so stieg die Zahl 2022 bereits auf 202. Im laufenden Jahr wurde bis Ende April bereits 86-mal ein Jugendarrest verhängt – was hochgerechnet aufs Gesamtjahr zu mehr als 250 Fällen führen könnte. Selbst wenn solche Hochrechnungen am Ende nicht immer belastbar sind, so deuten die Zahlen doch eine ungute Entwicklung an.
Ähnliches zeigt sich bei den Fällen, in denen Kinder und Jugendliche fünf Tage unentschuldigt dem Schulunterricht fernbleiben und kein Kontakt zu Eltern oder Sorgeberechtigten aufgenommen werden kann. Lag die Zahl solcher meldepflichtigen Fälle im gesamten Schuljahr 2021/22 noch bei 1602, so lag sie im ersten Schulhalbjahr 2022/23 bereits bei 1020 – was bei anhaltendem Trend hochgerechnet aufs gesamte Schuljahr zu einer Zahl von mehr als 2000 führen könnte. Besonders stark stiegen die Fälle dieses Schulabsentismus in Altona-West, Harburg, Mitte, Wandsbek-Nord und in Winterhude.
Kinderpornografie: Kinder verbreiten Bilder oft selber per WhatsApp
Die Polizei begründet die zuletzt zunehmenden Zahlen bei Tatverdächtigen unter 14 Jahren und kriminellen Jugendlichen vor allem mit zwei Entwicklungen. „Der Anstieg tatverdächtiger Kinder und Jugendlicher erklärt sich u. a. durch einen erheblichen Anstieg von Tatvorwürfen im Deliktsbereich ,Verbreitung, Erwerb und Besitz kinderpornografischer Inhalte’“, schreibt der Senat in seiner Antwort auf die Anfrage des CDU-Rechtspolitikers Richard Seelmaecker.
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„In diesem Deliktsbereich gab es einen Zuwachs von 49,9 Prozent. Dies resultiert aus der ständigen Zunahme von Gruppenchats in den sozialen Medien. Die Kinder und Jugendlichen wissen allerdings häufig nicht, dass sie sich strafbar machen, wenn sie unangemessene Bilder teilen.“ Hinzu komme ein „Rückgang der sozialen Kompetenz“ durch die langen Schulschließungen während der Corona-Pandemie, so der Senat. „Die Folge ist häufig eine geringere Frustrationstoleranz – verbunden mit der Zunahme von Gewaltdelikten.“
Immerhin gibt es auch eine gute Nachricht. Die Zahl der Intensivtäter ist zuletzt zurückgegangen. Waren es Anfang 2022 noch 391, so sank die Zahl (Stand Ende April 2023) auf 253. Bedenklich allerdings: Allein 97 dieser polizeibekannten Intensivtäter sind 14 bis 17 Jahre alt, weitere 96 sind 18 bis 21 und drei unter 14 Jahre. Das heißt: Den allergrößten Teil der Intensivtäter in Hamburg stellen Kinder, Jugendliche und Heranwachsende.
Jugendkriminalität: CDU für geschlossene Unterbringung und frühere Strafmündigkeit
Besonders erschreckend beim Anstieg der Zahlen sei „die Zunahme von Gewalttaten sehr junger Täter“, sagt der CDU-Bürgerschaftsabgeordnete Seelmaecker und verweist auf „die erschütternden Fälle aus Freudenberg, Wunsiedel und Heide durch Kinder oder jüngst der Messerangriff eines 14-Jährigen in Wandsbek“. Regierung, Politik und Justiz müssten „nun gemeinsam konsequent vorgehen und sich auch unangenehmen Fragen stellen“, so Seelmaecker.
„Neben einer Prüfung, ob die derzeitige Strafmündigkeitsgrenze von 14 Jahren insbesondere bei schweren Straftaten noch angemessen ist, müssen mehr Plätze in geschlossenen Einrichtungen der Jugendhilfe für hochdelinquente Kinder und Jugendliche geschaffen werden.“ Es sei bedauerlich, dass die SPD von der Errichtung einer entsprechenden Einrichtung in Hamburg auf Drängen der Grünen Abstand genommen habe, so der CDU-Politiker. „Daneben ist es nicht nur unerlässlich, dass es bei der Polizei ausreichend Beamte in den Dienstgruppen Jugendschutz gibt und Staatsanwaltschaft und Gerichte so ausgestattet sind, dass gerade bei jungen Straftätern die Strafe auf dem Fuße folgt.“