Hamburg/Tel Aviv. Als Bundesratspräsident fliegt Hamburgs Bürgermeister heute nach Tel Aviv. Warum auch UKE-Chef Gerloff mitreist.

Mit ständiger Bedrohung durch Feinde an mehreren Fronten leben die Menschen in Israel seit der Gründung ihres Staates. Aus dem Gazastreifen etwa von der islamistischen Hamas abgefeuerte Raketen soll das israelische Flugabwehrsystem Iron Dome abfangen – in den meisten Fällen hält die „Eisenkuppel“. Zu dieser Belastung von außen hinzu kommt Aufruhr aus innenpolitischen Gründen: Seit Monaten gehen immer wieder Hunderttausende Menschen auf die Straße gegen eine von der rechts-religiösen Regierung um Premier Benjamin Netanjahu geplante Reform, die das unabhängige Justizsystem des Landes schwächen könnte.

In dieser besonders unruhigen Zeit reist Hamburgs Bürgermeister Peter Tschentscher (SPD) nun in seiner Rolle als Bundesratspräsident nach Israel. Anlass ist das 75. Jubiläum der israelischen Unabhängigkeit. Ein Dreivierteljahrhundert nach der Staatsgründung seien Israel und Deutschland eng verbunden, so Tschentscher. „Angesichts der deutschen Vergangenheit sind wir sehr dankbar für die deutsch-israelische Freundschaft.“

Tschentscher reist nach Israel: Besuch bei Benjamin Netanjahu geplant

Er verweist auf viele Kooperationen zwischen Deutschland und Israel, in Wissenschaft und Wirtschaft, Kultur und Zivilgesellschaft. „Mit meiner Reise nach Israel möchte ich unsere guten Beziehungen würdigen und vertiefen“, sagte Tschentscher, bevor er am Montagvormittag mit einer Sondermaschine des Bundesverteidigungsministeriums von Hamburg aus nach Tel Aviv flog. Einen solchen VIP-Flieger durfte der Bürgermeister erstmals schon im April nutzen.

Anders als bei seiner Reise in die USA, wo er keine sehr hochrangigen Mitglieder der US-Administration traf, sind für die Israel-Reise während des Besuchs in Jerusalem zwei Besuche bei Spitzen des jüdischen Staates geplant: Am Mittwoch soll Tschentscher mit Premier Benjamin Netanjahu zusammenkommen; am Donnerstag ist ein Treffen mit Israels Staatspräsident Jitzchak Herzog vorgesehen.

Gedenken an die Opfer der Shoa im Holocaust-Museum Yad Vashem

In der Holocaust-Gedenkstätte Yad Vashem wird Tschentscher einen Kranz zum Gedenken an die Opfer der Shoah niederlegen. Zudem will Hamburgs Bürgermeister das Zentralarchiv zur Geschichte des Jüdischen Volkes besuchen – dieses arbeitet bei der Digitalisierung der historischen Bestände der Jüdischen Gemeinde in Hamburg mit dem Hamburger Staatsarchiv zusammen.

Hamburgs Bürgermeister Peter Tschentscher wird vom deutschen Botschafter in Israel, Steffen Seibert, am Flughafen in Tel Aviv begrüßt.
Hamburgs Bürgermeister Peter Tschentscher wird vom deutschen Botschafter in Israel, Steffen Seibert, am Flughafen in Tel Aviv begrüßt. © Senatskanzlei

Voraussichtlich am Donnerstagmittag fährt Tschentscher dann in die Palästinensischen Gebiete. In Ramallah sind Gespräche geplant mit Mahmoud Abbas, dem Präsidenten der Palästinensischen Autonomiebehörde, mit Premierminister Mohammed Shtayyeh und Außenminister Riad al-Malki. Am Freitag soll die Reise nach Bethlehem führen, wo ein Austausch mit Bürgermeister Hanna Hanania ansteht.

Handelskammer hofft auf „wichtige Impulse“ von der Start-up-Nation Israel

Nicht nur um Politik geht es allerdings auf Tschentschers Reise, sondern auch um Wirtschaft und Forschung. Mit einem seit Mitte der 1990er-Jahre anhaltenden Gründerboom hat Israel sich den Ruf einer Start-up-Nation erarbeitet. Allein nach Angaben der gemeinnützigen Organisation „Start-Up Nation Central“, die wohl den fundiertesten Überblick bietet, gibt es mehr als 7000 solcher junger Firmen in Israel – einem Land etwa von der Größe Hessens mit nur 9,7 Millionen Einwohnern. Laut Start-Up Nation Central investierten Geldgeber im Jahr 2022 rund 15,5 Milliarden Dollar in israelische Start-ups – der zweithöchste Wert nach dem Rekordjahr 2021.

Was sich daraus lernen lässt und welche Kooperationen sich anbieten, dafür interessiert sich besonders eine 13-köpfige Hamburger Wirtschafts- und Wissenschaftsdelegation um Peter Tschentscher. Zu der Gruppe gehören etwa Christian Gerloff, neuer Chef des Universitätsklinikums Eppendorf (UKE), Ralf Belusa, bei der Reederei Hapag-Lloyd verantwortlich für digitale Geschäfte und Transformation, und Handelskammer-Vize Willem van der Schalk.

Künstliche Intelligenz und Roboter im Ichilov-Krankenhaus

Die Delegation besucht mit dem Bürgermeister am Dienstag zunächst das Peres Center for Peace and Innovation. Die gemeinnützige, nicht staatliche Organisation war durch den Friedensnobelpreisträger und früheren israelischen Präsidenten Schimon Peres gegründet worden.

Seit 2019 präsentiert sie in ihrem Innovation Center heimische Erfindungen und den jüngsten Stand der in Israel entwickelten Technologien etwa zu Cybersicherheit, Energieerzeugung, „intelligenter“ Mobilität und digitalen Anwendungen im Gesundheitswesen. Das Motto der Einrichtung steht in großen Lettern vor dem Eingang, stellvertretend für die Haltung der gesamten Tech-Szene des Landes: „Dream Big“.

Israel könne „wichtige Impulse liefern, um der digitalen Transformation der Hamburger Wirtschaft einen Schub zu geben“, erklärt die Handelskammer. Darauf hofft auch UKE-Chef Christian Gerloff, der sich besonders für den anschließenden Besuch des Tel Aviv Sourasky Medical Center Ichilov am Dienstag interessieren dürfte.

Die Einrichtung ist nicht nur das größte Lehrkrankenhaus der Metropole und zählt zu den größten Kliniken des Landes, sondern sie ragt auch heraus durch ihren Forschungscampus und viele Ausgründungen. Zudem unterstützen dort Roboter und künstliche Intelligenz die Mediziner und Pflegenden – damit soll das menschliche Personal wieder mehr Zeit für seine wichtigsten Aufgaben bekommen, heißt es. Ein Vorbild für Hamburg?