Hamburg. Anklage plädiert zudem auf eine hohe Geldstrafe für den früheren Grünen-Fraktionschef in Hamburg-Mitte. Der verkündete eine Überraschung.

Das auf den letzten Drücker abgelegte Geständnis dürfte ihn wohl vor einer Haftstrafe bewahrt haben: Im Untreue-Prozess gegen den früheren Bezirksfraktionschef der Grünen in Hamburg-Mitte, Michael Osterburg, hat die Staatsanwaltschaft am Freitag eine Bewährungsstrafe von zwei Jahren und 10.000 Euro Geldstrafe gefordert, da der Angeklagte das Fraktionskonto geradezu „leer geräumt“ habe.

Osterburgs Verteidiger Nils Fock plädierte dagegen darauf, seinen Mandanten entweder mit einer Geldstrafe zu belegen oder hilfsweise mit einer Bewährungsstrafe von nicht mehr als einem Jahr. Richter André Hienzsch kündigte an, das Urteil am kommenden Mittwoch zu verkünden.

Michael Osterburg hat „Fraktionskonto schlicht leer geräumt“

Vor den Plädoyers ging es um die Bewertung der Aussage vom vergangenen Mittwoch, die entscheidenden Einfluss auf das Strafmaß haben dürfte. Wie berichtet, hatte Osterburg am vierten Verhandlungstag über seinen Anwalt doch noch ein weitgehendes Geständnis abgelegt – nachdem er sich zuvor nur häppchenweise zu den Vorwürfen bekannt hatte.

Ausgenommen von seinem Schuldbekenntnis hatte er allerdings knapp zehn von insgesamt 121 Tatvorwürfen, darunter die Anschaffung von Computern, Milchaufschäumern, einem Wasserkocher und Aufklebern. Bei denen, so deutete der Anwalt an, habe es sehr wohl einen Zusammenhang zur Fraktionsarbeit gegeben.

Staatsanwältin lässt Anklagepunkte fallen – jetzt geht es „nur“ noch um 26.000 Euro

Da diese Punkte einerseits für das Strafmaß „nicht beträchtlich“ ins Gewicht fallen würden und andererseits auch nicht so klar zu bewerten seien, wie es anfangs aussah, ließ die Staatsanwältin diese Anklagepunkte schließlich fallen. Nach Aussage des Gerichts reduzierte sich die veruntreute Summe damit von 33.000 auf 26.061 Euro.

In dem Zusammenhang wartete Rechtsanwalt Fock mit einer Überraschung auf: Sein Mandant habe am Vortag bereits 16.000 Euro auf das Konto der Grünen-Fraktion in Hamburg-Mitte überwiesen – mit Verweis auf rund 20 der in Rede stehenden Anklagepunkte.

Anklage sieht Tatvorwurf der gewerbsmäßigen Untreue als erwiesen an

Diese Teil-Wiedergutmachung sei ebenso strafmildernd zu bewerten wie das weitgehende Geständnis, so die Staatsanwältin in ihrem Plädoyer – auch wenn sie Osterburg unterstellte, sich „nur aus taktischen Gründen“ zu der späten Einlassung durchgerungen zu haben.

Aus ihrer Sicht sei der Tatvorwurf der gewerbsmäßigen Untreue, teils in Tateinheit mit Betrug und Urkundenfälschung, dennoch erwiesen. Als gewerbsmäßig müssten die Taten eingestuft werden, da der Angeklagte sie regelmäßig und über vier Jahre hinweg – 2015 bis 2019 – immer wieder begangen habe.

Es geht um einen privaten Urlaub auf Malta und 9000 Euro an Kinderbetreuungskosten

So habe er über das Fraktionskonto Dutzende Restaurantbesuche mit Personen abgerechnet, die in Wahrheit gar nicht daran teilgenommen hätten. Er habe sich auf dem Weg einen privaten Malta-Urlaub samt Hummeressen finanziert und mehr als 9000 Euro an Kinderbetreuungskosten geltend gemacht, obwohl seine damalige Lebensgefährtin, die heutige Justizsenatorin Anna Gallina (Grüne), schriftlich glaubhaft gemacht habe, dass sie diese Kosten getragen habe.

Der angeklagte Michael Osterburg (l.) mit seinem Rechtsanwalt Nils Fock vor Beginn des Prozesses im Hamburger Strafjustizgebäude.
Der angeklagte Michael Osterburg (l.) mit seinem Rechtsanwalt Nils Fock vor Beginn des Prozesses im Hamburger Strafjustizgebäude. © dpa | Marcus Brandt

Der Urkundenfälschung habe sich Osterburg schuldig gemacht, weil er Belege der Kinderbetreuerin fingiert habe, so die Staatsanwältin. Der damals stadtbekannte Bezirkspolitiker habe eine „besonders dreiste Vorgehensweise“ an den Tag gelegt, um sich „einen gewissen Luxus“ zu finanzieren. Dafür habe der Angeklagte „das Fraktionskonto schlicht leer geräumt“, so die Anklägerin.

„Seine Taten wurden ihm jedenfalls sehr leicht gemacht“

Sie räumte allerdings ein, dass es kaum Kontrollmechanismen in der Fraktion gab: „Seine Taten wurden ihm jedenfalls sehr leicht gemacht.“ Zusätzlich zu Bewährungs- und Geldstrafe forderte die Staatsanwältin, dass Osterburg auch den restlichen Schaden für die Fraktionskasse der Grünen in Höhe von 10.061,11 Euro begleichen müsse.

Rechtsanwalt Fock monierte in seinem Plädoyer zunächst, dass der Fall vor der Großen Strafkammer des Landgerichts verhandelt werde anstatt vor dem Amtsgericht, wo er hingehöre. Er unkte, dass wohl die Prominenz der Justizsenatorin und das große Medieninteresse dazu geführt habe. Auch müsse man fragen, warum die Grünen-Fraktion 2019 nicht zugegriffen habe, als Osterburg die Rückzahlung von 29.000 Euro angeboten habe, „also mehr, als jetzt im Skat ist“, so Fock.

Osterburg tut es leid, dass er Menschen mit hineingezogen hat, die ihm wichtig sind

Als strafmildernd müsse bewertet werden, dass sein Mandant geständig sei, einen festen Job bei einem öffentlichen Unternehmen habe, in einer festen Beziehung lebe und sich seit vier Jahren nichts zu Schulden kommen lassen habe.

Osterburg selbst äußerte sich ganz am Ende der Verhandlung erstmals persönlich. „Ich stehe zu meiner Schuld“, sagte er. Er habe viel gelernt, was damals „falsch gelaufen“ sei, so der 55-Jährige. Er würde heute vieles anders machen, sich allerdings auch nicht mehr so für eine Sache engagieren. Es tue ihm leid, dass Menschen in den Fall mit hineingezogen wurden, die ihm wichtig seien – vermutlich eine Anspielung auf seine frühere Lebensgefährtin Anna Gallina und die gemeinsame Tochter.

Die können nun auch aufatmen. Denn seit Freitag ist klar, dass die Justizsenatorin in diesem Verfahren nicht mehr persönlich aussagen muss.