Hamburg. Verkehrssenator stellt neue Daten vor. Autoverkehr geht zurück, mehr Räder und Pedelecs. Vor allem eine Zahl überrascht.

Der Hamburger Verkehrssenator Anjes Tjarks ist ohnedies ein fröhlicher Mensch, am Montag war seine Laune aber noch einmal besonders gut. Denn der Grünen-Politiker konnte das Ergebnis einer repräsentativen Umfrage vorstellen, wonach die Hansestadt in Sachen Verkehrswende auf einem guten Weg ist. Zentrale Ergebnisse: Der Autoverkehr geht zurück, der Radverkehr und die Nutzung von Bussen und Bahnen nimmt zu. Und: Es gibt insgesamt weniger Verkehr in Hamburg – vor allem, weil sich das Homeoffice immer stärker durchgesetzt hat.

Für die Studie zum Mobilitätsverhalten der Hamburgerinnen und Hamburger wurden im vergangenen Jahr von April bis Juli und Oktober bis November 8350 repräsentativ ausgewählte Menschen in der Stadt befragt. Die Ergebnisse dieser neuen „Mobilitätserhebung in Hamburg“ können nun verglichen werden mit der letzten großen Erhebung dieser Art, der Studie „Mobilität in Deutschland“ aus dem Jahr 2017 – denn die Befragungen wurden mit derselben Methodik durchgeführt.

Verkehr Hamburg: So beschleunigt das Homeoffice die Verkehrswende

Das Ergebnis zeigt: Im Jahr 2022 wurden bereits 68 Prozent aller Wege in der Hansestadt mit dem sogenannten Umweltverbund zurückgelegt, zu dem die Nutzung des HVV sowie der Fahrrad- und Fußverkehr zählen, da sie alle die Umwelt schonen. Das entspricht einem Anstieg um vier Prozentpunkte gegenüber 2017, als lediglich 64 Prozent der Wege in der Stadt auf diese Weise bewältigt wurden. Der rot-grüne Senat hat sich zum Ziel gesetzt, dass bis 2030 insgesamt 80 Prozent aller Wege im Umweltverbund bewältigt werden.

Der Radverkehr hat in den vergangenen fünf Jahren laut der Untersuchung am stärksten zugenommen: Sein Anteil an allen Wegen stieg seit 2017 von 15 Prozent auf 22 Prozent. Auch der öffentliche Personennahverkehr (ÖPNV), also die HVV-Nutzung, legte zu: Sein Anteil am sogenannten Modal Split, der Aufteilung des Verkehrs auf die unterschiedlichen Verkehrsmittel, erhöhte sich im Vergleich zu 2017 um zwei Prozentpunkte auf jetzt 24 Prozent. Gesunken ist dagegen der Anteil des motorisierten Individualverkehrs (36 auf 32 Prozent) und des Fußverkehrs (27 auf 22 Prozent).

Homeoffice: Hohe Zahl von Heimarbeitern senkt die Verkehrsbelastung auch in Hamburg

Ein weiteres zentrales Ergebnis der Befragung ist der Rückgang der Mobilität in Hamburg insgesamt. Die Gesamtzahl der absolvierten Wege pro Tag nahm deutlich ab: von 5,8 Millionen im Jahr 2017 auf 5,3 Millionen 2022. „Die Corona-Pandemie hat sich hier als Treiber für gesellschaftliche Entwicklung erwiesen, die zumindest bislang auch über die Pandemie hinaus bestehen bleibt“, so die Einschätzung der Verkehrsbehörde. So arbeiteten vor der Corona-Pandemie nur 15 Prozent der Beschäftigten einen oder mehrere Tage im Homeoffice – im Jahr 2022 waren es 40 Prozent.

Modal Split Hamburg
Modal Split Hamburg © HA | Verkehrsbehörde Hamburg

Der Rückgang der Mobilität zeigt sich laut Behörde nicht nur bei der Anzahl der Wege, sondern auch bei der Verkehrsleistung, den Personenkilometern. Zur Berechnung wird die Zahl der Reisenden eines Verkehrsmittels (in U-Bahnen oft sehr viele, in Pkw oft nur eine Person) mit der Zahl der zurückgelegten Kilometer multipliziert.

Von 2017 bis 2022 ist diese Verkehrsleistung in Hamburg insgesamt um 14 Prozent gesunken. Sprich: Es gab insgesamt deutlich weniger Verkehr in Hamburg als fünf Jahre zuvor. Besonders auffällig seien die Veränderungen beim „motorisierten Individualverkehr“ (MIV), also bei Pkw- und Motorradverkehr.

„Die personenbezogene Verkehrsleistung in einem Auto (MIV-Verkehrsleistung, Fahrer und Mitfahrer) ist um 29 Prozent gesunken“, schreibt die Verkehrsbehörde. „Zum Vergleich: Von 2008 bis 2017 war die MIV-Verkehrsleistung noch um 17 Prozent gestiegen. Der Rückgang der MIV-Verkehrsleistung erfolgte gleichzeitig, obwohl die Bevölkerung in Hamburg seit 2008 um 12 Prozent gewachsen ist.“ Mithin: Die Versuche, die Hamburger zum Umstieg vom Auto auf andere Verkehrsmittel zu bewegen, scheint langsam Erfolg zu haben.

Homeoffice: 40 Prozent der Beschäftigten arbeiten mittlerweile zeitweise von zu Hause

Ein wesentlicher Faktor, der zum Rückgang des Verkehrsaufkommens in Hamburg geführt hat, ist der bereits genannte massive Ausbau des Homeoffice durch die Pandemie. Nach den Ergebnissen der Befragung arbeiten 40 Prozent der Hamburger Beschäftigten zeitweise im Homeoffice, jeder Fünfte sogar überwiegend. Das führt natürlich zu einem Rückgang des Berufsverkehrs. Pro Tag arbeiten durchschnittlich 17 Prozent der Beschäftigten von zu Hause aus.

Der besonders starke Anstieg beim Radverkehr hat laut Verkehrsbehörde auch damit zu tun, dass es in immer mehr Haushalten Fahrräder gibt. „Der Anteil der Haushalte ohne Fahrräder sank von 24 Prozent auf 21 Prozent“, so ein Ergebnis der Untersuchung. „Dagegen stieg die regelmäßige Nutzung des Fahrrads (mindestens ein- bis dreimal im Monat) von 54 Prozent der Haushalte auf 61 Prozent und die tägliche Nutzung von 24 auf 28 Prozent an.“ Auch die Zahl der E-Bikes ist gewachsen: Mittlerweile gibt es in jedem achten Haushalt eines.

Radverkehr: Verkehrssenator freut sich über Zunahme und verspricht weiteren Ausbau

„Die Zahlen aus der repräsentativen Befragung zeigen, dass die Mobilitätswende in Hamburg deutlich vorankommt“, sagte Verkehrssenator Tjarks. „Wir sehen einen großen Zuwachs beim Radverkehr, und wir können feststellen, dass der Anteil des ÖPNV an allen Hamburger Wegen in den vergangenen fünf Jahren ebenfalls gestiegen ist. Dagegen sinkt die Nutzung des privaten Pkw im Anteil von 36 auf 32 Prozent.“ Noch stärker sehe man die Veränderung in der absoluten Verkehrsleistung, so Tjarks. „Neun Millionen Personenkilometer weniger sind 2022 im Vergleich zu 2017 mit dem privaten Pkw gefahren worden – das ist ein Rückgang von fast 30 Prozent.“

Neben den Folgen von Corona durch mehr Homeoffice zeigten „die verkehrlichen Maßnahmen der letzten Jahre Wirkung“, so Tjarks. „Jetzt gilt es, am Ball zu bleiben, um unser Ziel zu erreichen, bis 2030 vier von fünf Wegen im Umweltverbund zu absolvieren. Dazu werden wir den ÖPNV weiter ausbauen und in den kommenden 20 Jahren 36 neue Bahnhöfe in unserer Stadt bauen.“

Verkehr Hamburg: „Es ist unser Ziel, alle Menschen auf diesem Weg mitzunehmen“

Gleichzeitig habe man „mit dem Deutschlandticket dafür gesorgt, dass der HVV in Hamburg so günstig ist wie zuletzt vor 30 Jahren“, sagte der Senator. „Und wir werden beim Ausbau der Radinfrastruktur neben einer hohen Zahl an neu gebauten und sanierten Kilometern auch sehr darauf achten, dass dies qualitativ hochwertig geschieht und wo immer möglich baulich getrennt vom Kfz- und Fußverkehr geschieht. Es ist unser Ziel, alle Menschen auf diesem Weg mitzunehmen.“

Für SPD-Verkehrspolitiker Ole Thorben Buschhüter zeigen die Zahlungen auch noch deutliche Auswirkungen der Corona-Pandemie. „Der ÖPNV wurde von vielen Menschen gemieden, die Nutzung des Fahrrads erlebte in dieser Zeit hingegen eine echte Hochkonjunktur. Diese Entwicklung klingt langsam ab“, so Buschhüter. „Zwei andere Zahlen geben jedoch Anlass zum verstärkten Nachdenken: Der Anteil des Fußgängerverkehrs ist seit 2017 stark gefallen und auch die Zahl derjenigen stagniert, die ein Auto als Fahrende steuern, während deutlich weniger Menschen im Auto mitfahren. Hier werden wir Ursachenforschung betreiben müssen.“ Blicke man auf das Ziel für 2030 falle auf, „dass wir beim ÖPNV noch besser werden müssen“, so Buschhüter.

Straßenbahn für mehr Tempo, fordert Linke. CDU sieht Chancen im Homeoffice

CDU-Verkehrspolitiker Richard Seelmaecker zog auch einen anderen Schluss aus den Zahlen, „Offenbar führt das vermehrte Nutzen von Heimarbeit zu einem Rückgang des Verkehrs insgesamt. Das ist erfreulich und sollte uns auch dafür sensibilisieren, dass Hamburg nicht unkontrolliert wachsen muss“, so Seelmaecker. „Für uns als CDU geht Qualität klar vor Quantität. Der Anstieg der Heimarbeit zeigt, wie wir es insgesamt besser machen können. Mit einer guten Infrastruktur und einem partnerschaftlichen, gleichberechtigten Umgang mit unseren Nachbarländern, Kreisen und Gemeinden, profitieren alle. Weniger Verkehr, bessere Lebensqualität und weniger Versiegelung. Dafür setzen wir uns als CDU in Hamburg ein.“

Die Verkehrspolitikerin der Linken, Heike Sudmann, sagte: „Ich freue mich über den Rückgang des Autoverkehrs in Hamburg. Das ist eine gute Nachricht für das Klima und alle Hamburgerinnen und Hamburger und hoffentlich nicht nur ein vorübergehender Corona-Effekt. Aber der 30-prozentige ÖPNV-Anteil ist bis 2030 nur mit vielen neuen Busspuren und Straßenbahnen zu erreichen. Dass Tjarks von Ausbaumaßnahmen in 20 Jahren spricht, hilft nicht in der jetzigen Klimakrise.“