Hamburg. Die Sozialsenatorin hatte das starke System der Straßensozialarbeit in Hamburg gelobt. Was der SPD-Politikerin nun vorgeworfen wird.
Die Sozialarbeiter des Straßenmagazins „Hinz&Kunzt“ kritisieren den Umgang der Stadt mit Obdachlosen in der City scharf und wenden sich gegen die Aussagen von Hamburgs Sozialsenatorin Melanie Schlotzhauer. In einem Interview mit dem Abendblatt hatte die SPD-Politikerin zur Frage, ob die vermehrte Vertreibung von Obdachlosen aus der Innenstadt die Straßenarbeit erschwere, gesagt, sie teile diese Kritik nicht. „Unser starkes System der Straßensozialarbeit funktioniert gut.“
Die Macher von „Hinz&Kunzt“ und Straßensozialarbeiter, die in engem Kontakt mit Betroffenen stehen, sind von den Aussagen entsetzt. Jörn Sturm, der Geschäftsführer des Magazins, sagt: „Man sieht, dass Frau Schlotzhauer nicht nahe an der Realität ist, sie kennt nicht die Probleme der Menschen.“
Hinz&Kunzt wirft Schlotzhauer vor allem einen unverhältnismäßig harten Umgang mit Obdachlosen vor. Seit Mitte März gehe die Polizei strenger gegen bettelnde Menschen in der Innenstadt vor, das zerstöre nicht nur das Lebensumfeld und die Kontakte der Obdachlosen, sondern erschwere auch die Straßensozialarbeit massiv. Schlotzhauer hält dennoch daran fest. Sie sprach im Abendblatt von einem „Abwägungsprozess zwischen denjenigen, die in der Stadt arbeiten, Gewerbe treiben oder einkaufen, und denjenigen, die nach Obdach suchen. Die Stadt gehört allen.“
Obdachlose Hamburg: 22 Menschen im Winter gestorben
350 Menschen hatten kürzlich an einer Demonstration gegen die Vertreibung von obdachlosen und bettelnden Menschen in der Hamburger Innenstadt teilgenommen. Zudem wurde bekannt, dass vergangenen Winter 22 Obdachlose in Hamburg verstorben sind. Die Linke und Hinz&Kunzt machen dafür die Stadt und ihre unzureichenden Hilfsangebote mitverantwortlich.
Offiziell ist das Niederlassen in den Fußgängerzonen verboten. Für Jörn Sturm ist der Umgang mit den Obdachlosen aber unverhältnismäßig: „Sich mit einem Pappschild in die Fußgängerzone zu setzen ist kein aggressives Betteln und kann auch nicht zur Folge haben, aus der Innenstadt gewiesen zu werden.“ Der Senat erklärt, ihm sei nicht bekannt, dass Menschen aus der City vertrieben würden.
Vertreibung erschwert Arbeit der Straßensozialarbeiter
Das Vertreiben erschwere die Arbeit der Sozialarbeiter massiv, so dagegen Sturm. „Die Innenstadt ist das Wohnzimmer für die Menschen. Hier fühlen sie sich zu Hause, haben Kontakte und sind auch leichter für die Straßensozialarbeiter zu finden. Werden sie vertrieben, finden Sozialarbeiter sie auch schlechter“, sagt Sturm.
Er lobt seine Kollegen und die Straßensozialarbeit in Hamburg, doch auch sie litten unter Personalmangel. „Es gibt ein breites Netzwerk an Hilfsangeboten. Von Privatpersonen, bis hin zu großen Projekten. Doch das System hilft nicht allen.“ Die Linke und Hinz&Kunzt kritisieren, dass das Winternotprogramm der Stadt den Tod von 22 Obdachlosen im Winter nicht verhindern konnte.
Linke fordert Winternotprogramm mit Einzelzimmern
Das Winternotprogramm bietet Obdachlosen im Winter Schlafplätze an. Doch Jörn Sturm und Stephanie Rose, die Sprecherin der Linksfraktion, fordern, dass das Winternotprogramm verändert wird. Rose möchte kleinere Einrichtungen mit Einzelzimmern, die ganztägig geöffnet sind. Das Winternotprogramm bleibt erst ab minus fünf Grad ganztags offen, sonst ist zwischen 9.30 Uhr und 17 Uhr geschlossen. Für Rose ist das „unmenschlich“.
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Auch Sturm und Hinz&Kunzt kritisieren die Notunterkunft. „Für viele ist das Winternotprogramm nicht attraktiv. Es ist laut und voll, außerdem wird dort geklaut. Viele schlafen lieber auf der Straße.“ Dank des Winternotprogramms würden zwar weniger Menschen sterben, aber immer noch zu viele. Hinzu kommt, die Hilfe kommt nicht bei allen an. Anders als Die Linke sieht er das Programm nicht als gescheitert, es muss jedoch dringend erweitert werden.
Auf der Straße leben sehr unterschiedliche Menschen, die auch unterschiedliche Unterstützung brauchen. „Wir müssen mehr Vertrauen schaffen. Für die Sozialarbeiter auf der Straße und auch in die Angebote und Unterkünfte.“ Der Umgang der Stadt mache die Arbeit nur schwerer.