Hamburg. Die Linkspartei prangerte in der Bürgerschaft den Umgang mit Wohnungslosen an. SPD reagierte mit deutlichen Worten.
Obdachlose in der Hamburger Innenstadt müssen laut Vorwurf der Linken Schikane erleiden. „Seit Ende letzten Jahres geht die Polizei verstärkt gegen obdachlose Menschen vor, die sich zum Betteln oder Lagern in der Innenstadt aufhalten“, kritisierte die Linken-Abgeordnete Stephanie Rose am Donnerstag in einer Aktuellen Stunde der Hamburgischen Bürgerschaft. „Durch die Vertreibung verlieren obdachlose Menschen ihren Lebensmittelpunkt in der Innenstadt und damit häufig auch den Kontakt zur Straßensozialarbeit und zum Hilfesystem.“ Zudem werde das Problem lediglich an andere Orte verlagert.
Obdachlose in Hamburg: SPD-Abgeordneter Malik weist Kritik deutlich zurück
Die rot-grünen Regierungsfraktionen wiesen die Vorwürfe zurück. Der SPD-Abgeordnete Iftikhar Malik erklärte, die Linke betreibe „Skandalisierung“. „Ich muss den Eindruck klar zurückweisen, dass hier eine planmäßige, systematische Verdrängungstaktik stattfinden würde“, sagte er. Die Grünen-Politikerin Mareike Engels sagte: „Hamburg setzt auf Hilfe, nicht auf Vertreibung.“ Wichtig sei aber auch: „Niemand darf den öffentlichen Raum so nutzen, dass andere darin keinen guten Platz mehr finden.“ Es gebe Regeln, an die sich alle halten müssten. „Andere Menschen zu bedrohen oder zu beschimpfen, gehört nicht dazu.“
Auf eine Anfrage der Linken hatte der Senat Mitte März erklärt, dass es mehr Beschwerden von Bürgern, Geschäftsleuten und Wirtschaftsverbänden gegeben habe. „Diese problematisieren insbesondere die Begleiterscheinungen der Obdachlosigkeit, wie ein erhöhtes Aufkommen an Unrat und Exkrementen sowie Personen, die erheblich alkoholisiert sind.“
Hauptbahnhof besonders im Fokus der Polizei
Der Hauptbahnhof und sein Umfeld seien seit mehreren Monaten im besonderen Fokus der Behörden, teilte eine Polizeisprecherin auf Anfrage mit. Sie betonte: „Das Einschreiten unserer Einsatzkräfte erfolgt nicht willkürlich, sondern anlassbezogen.“ Das bedeute: Betteln sei nicht verboten, wenn man Passanten nicht behindere oder belästige. „Unsere Einsatzkräfte schreiten insbesondere dann ein, wenn aggressiv gebettelt wird oder das Betteln mit einer Lagerstättenbildung einhergeht.“
„Die Polizei steht im Spannungsfeld, die Interessenslagen der Anwohner, Obdachlosen und Gewerbetreibenden möglichst gleichberechtigt zu berücksichtigen“, sagte die Polizeisprecherin weiter. Die Beamten setzten bei ihrem Vorgehen auf den Grundsatz des mildesten Mittels. Platzverweise würden nur ausgesprochen, wenn im Wege der Kooperation die Sicherheitsstörungen auf öffentlichen Straßen und Plätzen nicht beseitigt werden könnten.
Sozialsenatorin Melanie Schlotzhauer (SPD) sagte, Hamburg habe ein „passgenaues Hilfesystem“ für Obdachlose entwickelt. Darauf würden andere Städte mit großem Neid schauen. Anna von Treuenfels-Frowein, FDP-Abgeordnete in der Hamburgischen Bürgerschaft, warf Rot-Grün dagegen Versagen im Umgang mit Obdachlosigkeit vor. „Die Menschen auf der Straße müssen vor den Gefahren der Obdachlosigkeit geschützt werden“, sagte die Politikerin. „Was passiert, wenn das nicht gelingt, kann man nämlich tagtäglich in aller Öffentlichkeit am Hamburger Hauptbahnhof sehen. Teils minderjährige Obdachlose konsumieren schwere illegale Drogen.“
Obdachlose in Hamburg: Zahl der Wohnungslosen hat massiv zugenommen
Nach Angaben des Hamburger Straßenmagazins „Hinz&Kunzt“ ist die Zahl der Obdachlosen in der Hansestadt schwer zu schätzen. „Die offiziellen Zählungen haben zwischen 2009 und 2018 eine Verdoppelung auf 1910 Personen ergeben“, sagte Sprecherin Sybille Arendt. „Die tatsächliche Zahl dürfte höher liegen.“ Die Gründe seien vielfältig: „Armutsmigration aus Osteuropa und erschwerte Zugänge zu sozialen Sicherungssystemen.“ Betteln sei ein Grundrecht, sagte die Sprecherin. „Der öffentliche Raum gehört allen.“
- Initiative ruft zu Demo gegen Bettelverbot in der City auf
- So soll der Hamburger Hauptbahnhof sicherer werden
- Bahnhofsmission eröffnet mit bundesweit einmaligem Angebot
Die „Initiative Solidarische Straße“ hat für Samstag gemeinsam mit weiteren Organisationen zu einer Demonstration aufgerufen, um ein Zeichen der Solidarität mit den Obdachlosen in der City zu setzen. Laut Polizei werden 200 Teilnehmer erwartet.