Hamburg. Exklusiv: die Gründe für den drastischen Anstieg der Baukosten um mehr als 60 Prozent. Wird Bund U5 jetzt noch mitfinanzieren?
Viele hatten es befürchtet, nun sind die Kosten beim Hamburger Megaprojekt U 5 schon sehr schnell und wirklich dramatisch angestiegen. Nur für die 5,8 Kilometer kurze erste Teilstrecke der U 5 im Osten zwischen Bramfeld und City Nord hatte die Hochbahn bisher mit Kosten von 1,754 Milliarden Euro kalkuliert. Nun aber wird allein dieser Abschnitt mit seinen fünf Haltestellen mit 2,857 Milliarden Euro zu Buche schlagen und damit binnen kürzester Zeit um mehr als 60 Prozent teurer. Das geht aus dem noch vertraulichen Entwurf einer „Mitteilung des Senats an die Bürgerschaft“ hervor, die derzeit noch im Senat abgestimmt wird, dem Abendblatt aber bereits exklusiv vorliegt.
Zusätzlich sind laut dem 17-seitigen Papier auch die Grunderwerbskosten leicht gestiegen, sodass die Hochbahn jetzt 1,104 Milliarden Euro vom Steuerzahler braucht. Der Preis pro Kilometer Strecke steigt durch die Kostensteigung von rund 310 Millionen auf 500 Millionen Euro. Ursache der Kostenexplosion sind laut Senatsmitteilung die zuletzt extremen Preisanstiege auch bei Baumaterialien, vor allem durch den Ukraine-Krieg. So habe sich der „Einheitspreis für Stahl“ verdoppelt, die Preise für Schlitzwandarbeiten seien um den Faktor 2,5 gestiegen und die Preise für Betonarbeiten um den Faktor 1,7. Der Pauschalpreis für Baustelleinrichtungen hat sich laut Senat sogar vervierfacht.
U 5: Preis pro Kilometer steigt auf 500 Millionen Euro pro Kilometer
Erst im September 2022 hatten Bürgermeister Peter Tschentscher (SPD), Verkehrssenator Anjes Tjarks (Grüne) und Hochbahn-Chef Henrik Falk bei einem symbolischen Spatenstich den Bau der U 5 gestartet. Die Gesamtkosten für die gut 24 Kilometer lange Gesamtstrecke U 5, die bis Ende der 30er-Jahre Bramfeld über Innenstadt, Uni, UKE und Siemersplatz mit den Arenen im Westen verbinden soll, haben bisher weder Senat noch Hochbahn genannt – und damit auch immer wieder ihr Wort gebrochen. Eigentlich sollte diese Zahl bereits im Sommer 2022 vorliegen.
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Im September hatte Hochbahn-Chef Henrik Falk in der Landespressekonferenz versprochen, die Zahlen würden noch 2022 präsentiert. Bis heute aber weiß die Öffentlichkeit nicht, was das vom Steuerzahler zu tragende Projekt am Ende insgesamt kosten soll. Nun wird klar, warum Falk und Tjarks so mauern. Rechnet man den im Osten nun ermittelten Preis von 500 Millionen Euro pro Kilometer auf die Gesamtstrecke hoch, käme man auf gut zwölf Milliarden Euro. Eine solche Kalkulation gilt aufgrund großer Unterschiede in den baulichen Voraussetzungen der Teilstrecken aber als nicht sonderlich seriös.
Übernimmt der Bund jetzt überhaupt noch einen Großteil der Kosten?
Die extreme Kostensteigerung wird nun nicht nur den Hamburger Haushalt belasten. Sie wirft auch die Frage auf, ob der Bund unter diesen Bedingungen, wie von Hamburg fest eingeplant, große Teile der Finanzierung übernimmt. Zwar zahlt der Bund seit 2020 bis zu 75 Prozent der Kosten von großen Infrastrukturprojekten. Dafür aber muss Hamburg zunächst nachweisen, dass der Nutzen der U 5 ihre Kosten in der sogenannten „standardisierten Bewertung“ übersteigt – der „Nutzen-Kosten-Faktor“ muss größer als eins sein. Für den ersten Bauabschnitt im Osten der Stadt lag er schon vor der Kostenexplosion darunter, wie der Senat bereits einräumte. In der noch vertraulichen Mitteilung gibt sich die Verkehrsbehörde gleichwohl optimistisch, dass der Faktor für die Gesamtstrecke auch weiterhin größer als 1,0 ausfallen werde.
„Für die U 5 (als Gesamtlinie) wird dieser Nachweis aktuell erstellt“, heißt es in dem Papier. „Lohn- und Preissteigerungen können geltend gemacht werden, da das Verfahren sowohl für die Kosten als auch die monetarisierten Nutzenbeiträge ein einheitliches Bezugsjahr vorsieht, auf welches inflationsbedingte Preissteigerungen zurückgerechnet werden. Die allgemeine Preissteigerung ändert somit nichts an der Wirtschaftlichkeit einer Maßnahme.“
Kritiker hatten vor Kostenexplosion und Klimaschäden durch Bau der U 5 gewarnt
Kritiker des U-5-Projekts hatten immer wieder darauf hingewiesen, dass der Bau einer U-Bahn nicht nur sehr viel teurer sei und länger dauere als der einer Stadtbahn. Die U 5 belaste auch das Klima sehr stark. So große Projekte setzen nämlich in der Bauphase durch Produktion von Zement und Stahl, Logistik und Energieverbrauch so viel klimaschädliches CO2 frei, dass es Jahrzehnte dauern kann, bis sich der Klimaschaden durch die Nutzung der Bahn halbwegs wieder ausgleicht. Darauf hatte auch der Klimabeirat des Senates in einer Stellungnahme im Januar 2023 hingewiesen, eine „fehlende Betrachtung von Konzeptalternativen“ moniert – und in weiser Voraussicht darauf hingewiesen, dass „sämtliche zu Beginn des Projektes erstellten Kostenprognosen aufgrund der aktuellen Preissteigerungen und Materialknappheit insbesondere im Baugewerbe nicht mehr belastbar sein dürften“.
Auf die Kritik an der Klimabelastung hatten Verkehrssenator Tjarks und Hochbahn-Chef Falk im September 2022 reagiert und ein Konzept für eine besonders klimaschonenden Bauweise vorgestellt. Dafür sollen klimafreundliche Baustoffe verwendet werden, die zum Teil aber erst in der Entwicklung sind. Auf die Frage, wie stark die Kosten denn durch die Nutzung neuer, noch nicht durchweg verfügbarer Technologien steigen würden, sagte Hochbahn-Chef Falk damals: Die U 5 werde dadurch überhaupt nicht teurer.
HVV Hamburg: Auch die U 4 wird deutlich teurer als geplant
Neben dem massiven Anstieg bei den Baukosten der U 5-Ost steht in der noch vertraulichen „Mitteilung des Senats“ noch eine weitere Hiobsbotschaft: Auch die Verlängerung der U 4 in die Horner Geest wird deutlich teurer. Hier steigen die Kosten um 96 Millionen Euro von rund 465 auf rund 561 Millionen Euro. Dies liegt laut der Senatsdrucksache ausschließlich an den Preissteigerungen im Baubereich.
„Die U 4 und auch die U 5 befinden sich voll im Zeitplan. Sie sind solide geplant und werden mit Hochdruck vorangetrieben“, sagte Verkehrssenator Tjarks dem Abendblatt auf Nachfrage. „Wir sehen aber, dass überall in Deutschland und Europa die Kosten für Bauprojekte erheblich steigen, weil durch Corona und die russische Aggression in der Ukraine die Baupreise und die damit verbundenen Risiken für die ausführenden Unternehmen deutlich steigen. In der Folge sind die Baupreise in den letzten Jahren so stark wie seit 50 Jahren nicht mehr gestiegen. Die zusätzlichen Kosten entstehen fast ausschließlich durch die sehr hohe Inflation am Bau durch Corona und den Ukraine-Krieg.“ Der Ausbau der Hamburger Infrastruktur müsse aber „langjährig stabil belastbar geplant und umgesetzt werden, damit Hamburg sein Schnellbahnnetz substanziell ausbauen kann“, so Tjarks. „Das bedeutet auch, dass wir uns in dem langjährigen Ausbau der Hamburger Infrastruktur nicht von temporären externen Preis-Schocks abhängig machen können.“
Tjarks und Dressel weisen auf extreme Preissteigerungen am Bau hin
Finanzsenator Andreas Dressel (SPD) sagte, Preissteigerungen und Inflation bemerkten alle Bürgerinnen und Bürger, „besonders wenn sie Bauprojekte durchführen wollen“. Den Staat treffe das bei seinen Vorhaben selbstverständlich auch. „Hamburg hat schon vor Jahren für das Mammutprojekt Schnellbahnausbau Vorsorge getroffen. Wir haben ein Sondervermögen eingerichtet, um Finanzierungsspitzen im Schnellbahnausbau abzufedern“, so Dressel. „Momentan befinden sich in diesem Topf für den Schnellbahnausbau rund eine Milliarde Euro. Wir überlassen diese große Finanzierungsaufgabe nicht der jeweiligen Haushaltslage, sondern planen langfristig. So geht vorausschauende und fachgerechte Finanzpolitik und deshalb können wir heute mit einiger Ruhe sagen: Wir sind gut aufgestellt.“
Vor fast genau 50 Jahren habe Hamburg nach dem Ölpreisschock den Schnellbahnausbau gestoppt, sagte Hochbahn-Chef Henrik Falk. „Die Folgen erleben wir heute. Steilshoop und Bramfeld sind immer noch nicht an das Schnellbahnnetz angeschlossen. Auf den MetroBus-Linien 4, 5, 6 und 17 stoßen wir schon heute an die Kapazitätsgrenzen. Für die Mobilitätswende und einen wirklichen Klimaschutz müssen wir konsequent den Weg weitergehen, das Hamburger Schnellbahnsystem auszubauen. Mit der Verlängerung der U 4 und der vollautomatisch fahrenden U 5 werden wir Mobilität in Hamburg neu schreiben.“
Laut Statistikern sind Preise im Schellbahnbau um 16 Prozent gestiegen
Laut Senat sind die Preise im Bereich Schnellbahnausbau zuletzt extrem stark angestiegen – allein im Jahr 2022 sei es hier „zu einer Steigerung der Baukosten um etwa 16 Prozent und der Baunebenkosten um rund zehn Prozent“ gekommen. „Das Ausmaß dieser Kostensteigerung ist in der Nachkriegsgeschichte lediglich mit den Ölkrisen der 1970er-Jahre vergleichbar und war bei der ursprünglichen Kostenkalkulation unmöglich vorherzusehen“, so der Senat. „Viele vergleichbare Großprojekte sehen sich in Deutschland und weltweit derzeit mit erheblicher baupreisbedingter Inflation konfrontiert.“ Diese extremen Preissteigerungen habe die Stadt nicht abfedern können – auch nicht mit den Vorgaben zum „kostenstabilen Bauen“, die Hamburg nach der Kostenexplosion bei der Elbphilharmonie eingeführt hatte.