Hamburg. Innovatives Konzept: Bei der Erstellung der U5 sollen 70 Prozent Kohlendioxid eingespart werden. Doch nicht alle sind überzeugt.

Am 30. September sollen die Bauarbeiten für die neue U-Bahn-Linie 5 mit einem ersten Spatenstich offiziell beginnen. Kurz zuvor haben Senat und Hochbahn am Dienstag eine mögliche Lösung für eine der größten Herausforderungen des Projekts vorgestellt. Sie legten ein Konzept vor, nach dem beim Bau der U5 70 Prozent weniger klimaschädliches Kohlendioxid (CO2) freigesetzt werden soll als bei herkömmlicher Bauweise.

Zuletzt war immer wieder moniert worden, dass in der Bauphase eines solchen Jahrhundertprojekts durch Produktion und Nutzung von Beton und Stahl sowie hohen Energieverbrauch so viel klimaschädliches CO2 frei werde, dass es Jahrzehnte dauere, bis sich der Klimaschaden durch Nutzung der Bahn halbwegs wieder ausgleiche. Das soll diesmal anders sein.

Neue U-Bahn-Linie 5 soll klimaschonend gebaut werden

Nach dem in Zusammenarbeit mit einem Ingenieurbüro entwickelten Konzept, das Verkehrssenator Anjes Tjarks (Grüne) und Hochbahnchef Henrik Falk vorstellten, soll der CO2-Ausstoß von sonst 2,7 Millionen Tonnen durch gezielte Maßnahmen auf 850.000 Tonnen sinken.

Erreicht werden soll dieses Ziel zunächst dadurch, dass der CO2-Ausstoß überhaupt erstmals zu einem wesentlichen Kriterium aller Entscheidungen wird – was bisher bei Bauvorhaben nicht üblich ist. Zudem soll durch angepasste Materialmengen und Bauweisen Material eingespart werden. Mit einem „nachhaltigen Bodenmanagement“ will der Senat dafür sorgen, dass beim nötigen Erdaushub und der Entsorgung ressourcenschonend vorgegangen wird.

Neue U5 soll mit 100 Prozent Ökostrom fahren

Und es sollen nur Unternehmen beauftragt werden, die klimaschonend arbeiten – und umweltschonend hergestellte Baustoffe verwenden. Außerdem soll ausschließlich Ökostrom genutzt werden. Auf diese Weise soll laut Senat in Hamburg „die klimaschonendste U-Bahn Deutschlands“ entstehen. „Der Bau der U5 läutet eine neue Zeit ein“, sagte Hochbahn-Chef Falk. „Das wird neue Maßstäbe für den Bau von Verkehrsinfrastruktur in Deutschland setzen.“

U5, Strecke und Stationen HA Grafik, HA Infografik
U5, Strecke und Stationen HA Grafik, HA Infografik © HA Grafik, HA Infografik, F. Hasse | Frank Hasse

Sie soll vollautomatisch im 90-Sekunden-Takt und mit 100 Prozent Ökostrom fahren, 270.000 Fahrgäste pro Tag transportieren – und im Jahr rund 105 Millionen Pkw-Kilometer einsparen. Die neue U-Bahn-Linie 5 könnte neue Maßstäbe im Nahverkehr setzen, wenn alles gelingt, was sich Senat und Hochbahn vorgenommen haben.

Die ganze Lieferkette soll für Öko-Bilanz berücksichtigt werden

Das Konzept, nach dem beim Bau der U 5 gegenüber der bisher üblichen Bauweise massiv CO2 eingespart werden soll, wurde von Hochbahn und U 5 GmbH zusammen mit dem Ingenieurbüro LPI aus Hannover erarbeitet. Erreicht werden soll dieses Ziel zunächst dadurch, dass der CO2-Ausstoß überhaupt erstmals zu einem wesentlichen Kriterium aller Entscheidungen gemacht wird – was bisher bei Bauvorhaben nicht üblich ist.

Dabei soll, anders als bisher, nicht nur der vor Ort entstehende CO-Ausstoß, sondern die ganze Lieferkette berücksichtigt werden. Es wird also auch der CO-Ausstoß durch die Produktion von Baustoffen einberechnet, die in anderen Bundesländern hergestellt und in Hamburg lediglich verbaut werden. Bisher wurden diese ausschließlich im Herkunftsland bilanziert.

Hamburg will eng mit der Industrie zusammenarbeiten

Zudem soll durch angepasste Materialmengen und Bauweisen Material eingespart werden. Mit einem „nachhaltigen Bodenmanagement“ will der Senat dafür sorgen, dass bei Erdaushub und Entsorgung ressourcenschonend vorgegangen wird. Insgesamt wird der CO2-Ausstoß durch all diese Maßnahmen laut Senat von den ohne sie prognostizierten 2,7 Millionen Tonnen auf 850.000 Tonnen sinken.

Um diese Ziele zu erreichen, will Hamburg eng mit der Industrie zusammenarbeiten. Denn bisher sind klimafreundlich produzierte Baustoffe kaum am Markt verfügbar. „Auch künftige technische Fortschritte im Bereich klimafreundlichen Bauens sollen genutzt werden“, so der Senat. „Um diesen Prozess zu initiieren und zu beschleunigen, stehen Hochbahn und U 5 GmbH in einem engen Austausch mit Unternehmen und Verbänden der Stahl-, Beton- und Zementindustrie.“

Mit dem Jahrhundertprojekt will die Stadt eine Vorreiterrolle einnehmen

Dabei rechnen die Planer damit, dass bereits ab 2025 CO2-reduzierter Profil- und Bewehrungsstahl zur Verfügung steht – und ab 2028 Zement, bei dessen Produktion CO2 abgeschieden wird. 2035 sollen nach den Prognosen dann bereits Zemente mit 100-prozentiger CO2-Abscheidung im Herstellungsprozess verfügbar sein. Gerade durch die bisher extrem klimaschädliche Produktion dieser Materialien gilt das Bauen bisher noch als einer der größten Klimakiller.

„Der Bau der U 5 ist ein Jahrhundertprojekt“, sagte Verkehrssenator Tjarks bei der Vorstellung der Pläne am Dienstag im Rathaus. „Wir wollen aber nicht nur im Betrieb, sondern auch beim Bau eine Vorreiterrolle einnehmen. Während der Bauzeit soll der CO2-Ausstoß pro Jahr durchschnittlich weniger als 0,4 Prozent des gesamten CO2-Ausstoßes Hamburgs ausmachen.“ Als Deutschlands „größtes innerstädtisches Infrastrukturprojekt“ solle die U 5 mit dieser Strategie „auch einen relevanten Markt für klimaschonend hergestellte Baustoffe schaffen“, so der Senat.

Hochbahn-Chef: Klimafreundliche Bauweise macht den Bau nicht teurer

Auf Nachfrage beteuerte Hochbahn-Chef Henrik Falk, dass der Bau der U 5 durch die innovative und klimafreundliche Bauweise nicht teurer werde. Das lässt sich allerdings kaum verifizieren, zumal die Hochbahn bis heute keine Kostenprognose für das Projekt vorgelegt hat.

CDU-Fraktionschef Dennis Thering begrüßte das Konzept, betonte aber: „Entscheidend fürs Klima und die Mobilität in Hamburg wäre aber möglichst schnell den Bau der U 5 zu beginnen und vor allem auch im Zeitplan abzuschließen.“ Linken-Verkehrspolitikerin Heike Sudmann monierte, das Konzept setze „auf eine klimaschonende Produktion von Stahl und Zement, die es heute noch gar nicht gibt“.

Neubau der U5 soll am 30. September offiziell beginnen

Ähnlich äußerte sich BUND-Chef Lucas Schäfer. Die CO-Abscheidung und Verpressung bei Zementherstellern sei „weder ausreichend erforscht noch würde sie in die Hamburger Klimabilanz eingehen“, so Schäfer. Der Nabu-Vorsitzende Malte Siegert nannte das vorgestellte Konzept „vorbildlich“. Es sei „eine Blaupause für andere Infrastruktur- und Bauprojekte“.

Für den ersten Abschnitt der U 5 von Bramfeld in die City Nord werden derzeit bereits Leitungen verlegt – als „vorbereitende Arbeiten für den Bau des Tunnels und der Haltestellen“. Am 30. September wird der Bau des Jahrhundertprojekts U 5 dann mit einem feierlichen ersten Spatenstich offiziell gestartet. Der Probebetrieb auf dem ersten Abschnitt der U 5 ist laut Senat für Ende 2027 geplant.