Hamburg. SPD-Politiker Ties Rabe greift Berichterstattung von „Zeit“ und „Spiegel“ zur Corona-Pandemie an – und bekommt heftigen Gegenwind.
Schulsenator Ties Rabe gehört zu den Politikern, die sorgfältig und mit Bedacht formulieren. Umso erstaunlicher ist es, dass sich der Sozialdemokrat in dem halböffentlichen Raum des Landesfinals „Jugend debattiert“ zu Aussagen hinreißen ließ, die nicht anders als eine kräftige Medienschelte zu bezeichnen sind. Rabe warf im Zusammenhang mit der Berichterstattung über Schulschließungen während der Corona-Pandemie konkret „Spiegel“, „Zeit“, „Süddeutscher Zeitung“ und „FAZ“ „hingerotztes Gelaber“ vor.
Nach Angaben der Schulbehörde hatte sich Rabe während einer Pause der Schülerdebatten in einer kurzen Talkrunde auf die Frage zur Debattenkultur „spontan“ zum Thema Schulschließungen während der Corona-Zeit geäußert. Der Schulsenator gehörte bundesweit zu den prominentesten Kritikern der längeren Schulschließungen und warnte vor deren negativen Folgen für Schülerinnen und Schüler.
Schulsenator Rabe beklagte, dass Fakten nicht „meinungsfrei“ geprüft wurden
Was Rabe genau bei „Jugend debattiert“ gesagt hat, ist umstritten. Offensichtlich hat jedoch einer der Teilnehmenden der Runde im Rathaus die Äußerungen Rabes aufgezeichnet und sowohl der „Zeit“ als auch dem „Spiegel“ zugespielt, der die Passage in seiner Onlineausgabe wiedergibt. „Es ist ein Auswechseln von – wie soll ich das sagen – immer denselben Begriffen. Keiner geht der Frage wirklich auf den Grund, um die es wirklich geht. Zum Beispiel bei Corona wurde lange darüber diskutiert, Schulschließungen – macht das denn Sinn oder nicht. Gab es jemals jemanden, der sich darum gekümmert hat, dass es Studien gibt? Dass es Fakten gibt? Ich vermisse es, dass man sich dann meinungsfrei prüft“, sagte der SPD-Politiker danach.
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Rabe soll weiter gesagt haben, dass niemand die Konzentration habe zu überprüfen, „ob alles richtig ist und ob das stimmt oder nicht“. Dann erwähnt der Schulsenator „Spiegel“, „Zeit“, „Süddeutsche Zeitung“ und „FAZ“ und fügt auf die vier bezogen hinzu: „Es macht mich schon nachdenklich, dass alle immer die gleiche Meinung haben und dass sie vor allem diese vielen Detailfragen nicht richtig klären. Denn das zeichnet eine gute Debatte aus: Sich nicht zufriedenzustellen mit dem ersten hingerotzten Gelaber, ich muss das mal so scharf formulieren, sondern mal genau nachzufragen: Ist das wirklich richtig? Ist das wahr?“
Behördensprecher verweist darauf, dass Rabe „sehr viel Applaus“ bekommen habe
Behördensprecher Peter Albrecht bestätigt den Wortlaut nicht, sondern sagt lediglich, die Ausschnitte gäben nicht den „Tenor“ der Äußerungen des Schulsenators wieder. Rabe habe sich auf Beiträge bezogen, in denen die vier Medien ihre Corona-Berichterstattung selbst kritisch reflektierten. Da es sich nicht um eine Rede gehandelt habe, gebe es auch kein Redemanuskript. Albrecht weist allerdings darauf hin, dass Rabe „für seine Äußerung sehr viel Applaus der anwesenden Schülerinnen und Schüler und Lehrkräfte bekommen“ habe.
„Mit Kopfschütteln und Unverständnis“ hat der Vorstand der Deutschen Journalistinnen- und Journalistenunion (dju) auf die Sätze des Schulsenators reagiert. „Rabes Rundum-Beleidigung der Kolleginnen und Kollegen in den Redaktionen können und wollen wir so nicht stehen lassen“, sagt dju-Vorstandsmitglied Lars Hansen. „Spontan heißt hier schlicht: gesagt wie gedacht. Wenn ein Hamburger Regierungsmitglied Medien so verallgemeinernd und vor einem jungen, interessierten Publikum in den Schmutz zieht, ist das zumindest bedenklich. Vielleicht ist dem Senator nicht klar, dass er mit seinen Äußerungen rechte Narrative bedient?“, sagt Hansen.
Hat Rabe „rechtspopulistische Argumentationsmuster“ bedient?
Diesen Aspekt greift auch der „Spiegel“ in seinem Bericht über Rabe auf. „Die Frage, ob sich der Senator der Nähe zu rechtspopulistischen Argumentationsmustern bewusst gewesen sei, beantwortete der Sprecher nicht“, heißt es in der Onlineausgabe des Magazins. „Ganz sicher ist es eine gute Idee, Schülerinnen und Schülern beizubringen, dass man nicht alles glauben darf, was man vorgesetzt bekommt. Insofern waren die Einlassungen des Senators grundsätzlich keine schlechte Sache. Auch wenn er sich – ich muss das mal so scharf formulieren – inhaltlich in fast allen Punkten irrt“, schreibt der Autor des „Zeit“-Newsletters „Elbvertiefung“.
Der „Spiegel“ hält Rabe außerdem umgekehrt vor, sich im Zusammenhang mit einer Studie zum Corona-Infektionsgeschehen an Schulen „intransparent“ verhalten und über die Ergebnisse nicht umfassend informiert zu haben. Rabe wiederum hatte mit seiner Medienkritik beim Landesfinale „Jugend debattiert“ nach Angaben seiner Behörde Bezug auf aktuelle Beiträge etwa im „Spiegel“ oder der „Zeit“ genommen, die sich kritisch mit der Rolle der Medien während der Pandemie auseinandersetzen. So hatte der „Spiegel“ unter anderem einen Text mit der Überschrift „Wir Corona-Versager“ veröffentlicht.