Hamburg. Parteinachwuchs schaltet sich in Streit zwischen SPD und Grünen ein. Jusos-Hochschulgruppe unterstützt Forderung nach Aufklärung.

In dem Streit zwischen den Hamburger Regierungsfraktionen von SPD und Grünen über die Aufklärung von Aktivitäten der rechtsextremistischen Terrorgruppe „Nationalsozialistischer Untergrund“ (NSU) in der Hansestadt meldet sich nun die Grüne Jugend zu Wort. “Wir fordern SPD und Grüne dazu auf, sich gemeinsam für die Einrichtung eines Parlamentarischen Untersuchungsausschusses zur Aufdeckung rechter Netzwerke in Hamburg einzusetzen“, erklärte Berkay Gür, Landessprecher der Grünen Jugend in Hamburg, am Montag. Es müsse eine „Aufarbeitung der strukturellen Defizite in den Sicherheitsbehörden“ ermöglicht werden. „Wir haben Fragen. Fragen zum Versagen der Sicherheitsbehörden, zu den Tathintergründen und zum Netzwerk des Nationalsozialistischen Untergrundes“, sagte Gür.

Auch die Jusos-Hochschulgruppe an der Universität Hamburg und der Jugendverband des Deutschen Gewerkschaftsbundes unterstützen die Forderung nach einem solchen PUA. „Die Politik ist es den Opfern und Angehörigen schuldig, sich gemeinsam dieser Verantwortung anzunehmen“, erklärte Asiye Censi, Vorsitzende der Jusos-Hochschulgruppe.

NSU-Mord in Hamburg: Linken-Fraktion spricht von „staatlichem Totalversagen“

Der Linken-Abgeordnete Deniz Celik sagt: „Es ist ein Schlag ins Gesicht aller Opfer rechter Gewalt, dass Hamburg als einziges Bundesland, in dem der NSU gemordet hat, bis heute einen parlamentarischen Untersuchungsausschuss verweigert.“
Der Linken-Abgeordnete Deniz Celik sagt: „Es ist ein Schlag ins Gesicht aller Opfer rechter Gewalt, dass Hamburg als einziges Bundesland, in dem der NSU gemordet hat, bis heute einen parlamentarischen Untersuchungsausschuss verweigert.“ © Michael Rauhe

Neue Bewegung in die Debatte gebracht hatte die Hamburger Linken-Fraktion: Sie will zur Bürgerschaftssitzung am 13. April die Einrichtung eines PUA zum NSU-Komplex beantragen und spricht, wie berichtet, von einem „staatlichen Totalversagen“ in der Hansestadt. „Es ist ein Schlag ins Gesicht aller Opfer rechter Gewalt, dass Hamburg als einziges Bundesland, in dem der NSU gemordet hat, bis heute einen parlamentarischen Untersuchungsausschuss verweigert“, sagte der Linken-Abgeordnete Deniz Celik.

In Hamburg geht es um den Fall von Süleyman Tasköprü. Der 31 Jahre alte Gemüsehändler aus Altona war am 27. Juni 2001 im Laden seines Vaters mit drei Schüssen regelrecht hingerichtet worden. Nachdem lange im persönlichen Umfeld des Opfers ermittelt und sogar angebliche Kontakte zum Rotlichtmilieu untersucht worden waren, kam erst 2011 heraus, dass der NSU für den Mord verantwortlich war – ebenso wie für acht weitere Morde an Menschen mit Migrationshintergrund.

Bürgerschaft bittet Familie von NSU-Opfer um Entschuldigung

Im Juni 2018 verabschiedete die Bürgerschaft mit großer Mehrheit eine Resolution, in der das Landesparlament den Angehörigen von Süleyman Tasköprü Mitgefühl und Beileid für den erlittenen Verlust aussprach und das Leid bedauerte, das die Angehörigen „durch die mit einem falschen Verdacht geführten Ermittlungen erfahren“ hätten.

Deniz Celik von den Linken sagte: „In Hamburg hat es ein staatliches Totalversagen gegeben –, und zwar zweimal: bei den Ermittlungen zum Mord an Taşköprü und dann erneut durch die verweigerte Aufklärung.“ Wenn der Senat behaupte, es sei alles aufgearbeitet, sei das eine „glatte Lüge“, so Celik. „Es gibt zahlreiche gewichtige offene Fragen.“ Welche das aus Sicht der Linken sind, hat die Fraktion in ihrem 20-seitigen Bürgerschaftsantrag aufgelistet.

Grüne: Bisherige Ablehnung eines PUA „erschütternd“

Zwischen den Regierungsfraktionen von SPD und Grüne kam es wegen des Linken-Antrags zum Krach. Grünen-Fraktionschefin Jennifer Jasberg erklärte am vergangenen Donnerstag auf Abendblatt-Anfrage: „Als Fraktion sind wir grundsätzlich der Auffassung, dass es eine stärkere Untersuchung von Kontinuitäten rechten Terrors in Hamburg braucht.“ Auffällig sei, dass Hamburg in Sachen Aufklärung „beschämend hinterherhinkt“, sagte Jasberg. „Dass es bisher keine parlamentarischen Mehrheiten für eine konsequente Aufklärung gegeben hat, bedauere ich. Es ist erschütternd, dass es hier seit vielen Jahren eine vehemente Ablehnung zur Einsetzung eines PUAs seitens der SPD und CDU gibt.“

Ob es in dieser Frage „perspektivisch Bewegung geben“ könne, klärten die Grünen derzeit in „vertrauensvollen Gesprächen“ mit ihrem Koalitionspartner, der SPD. „Klar ist: Das Thema NSU und Gefährdung durch rechten Terror muss in unserem Fokus bleiben, alleine schon aus Respekt vor den Angehörigen der Opfer und Menschen, die sich in unserer Stadt um ihre Sicherheit sorgen“, sagte Jasberg.

SPD: Darstellung der Grünen „unsachlich und nicht hilfreich“

SPD-Fraktionschef Dirk Kienscherf zeigte sich verärgert. Seine Fraktion weise die „Vorgehensweise und unhaltbaren Vorwürfe von Jennifer Jasberg auf das Schärfste zurück“, sagte er. „Es ist unsachlich und nicht hilfreich, dass die grüne Fraktionsvorsitzende ohne Rücksicht auf die Angehörigen der Opfer des NSU Stimmung macht“, so Kienscherf. „Ein PUA ist ein parlamentarisches Kontrollgremium, in dem die parteipolitische Aufarbeitung im Fokus steht. Deshalb halten wir diese Instanz für ungeeignet, 20 Jahre nach der Tat für Aufklärung zu sorgen.“

Die Anfang des Jahrtausends in den Sicherheitsbehörden tätigen Personen seien mittlerweile nicht mehr im Dienst; die polizeilichen Strukturen und gesetzlichen Grundlagen hätten sich verändert. „Die Zeug/-innen, die noch helfen könnten, offene Fragen zu beantworten, haben sich bislang in Schweigen gehüllt“, sagte Kienscherf. „Es ist leider nicht davon auszugehen, dass dies bei einem PUA in Hamburg anders wäre.“

Die Grünen hätten in der Vergangenheit immer gegen einen PUA gestimmt, sagte Kienscherf. „Jetzt den falschen Eindruck zu erwecken, die SPD verhindere eine Aufarbeitung der NSU-Taten in Hamburg – obwohl diese bereits im parlamentarischen Kontrollgremium (PKA) in 15 Sitzungen und im Innenausschuss der Bürgerschaft mit zehn Sitzungen unter Beteiligung der Grünen-Fraktion umfassend vorgenommen worden ist –, lässt tief blicken“, erklärte der SPD-Fraktionschef. „Vertrauensvolle Gespräche und falsche Schuldzuweisungen schließen sich nach unserem Verständnis aus.“